Die Neue Rock-Generation
Thin Lizzy
Nach denn Wahnsinnserfolg von Whisky In The Jar ist man geneigt zu glauben, Thin Lizzy sei eine muntere Folk-Band da oben aus Irland. Nun, weit gefehlt. Die drei Iren Eric Bell (guitar), Phil Lynott (bass) und Brian Downey (drums) haben längst ihre Zelte in London aufgeschlagen und mit Folk-Music auch eigentlich wenig im Sinn. Die Melodie zu ‚Whisky‘ entstand zufällig beim Proben, als Phil seinen Bass in die Ecke stellte und auf ’ner Telecaster-Gitarre rummachte. Plötzlich kam der Thin Lizzy-Manager in den Übungsraum gestürmt und rief: „Das ist es, Jungs, das wird ein Hit,“ während Phil sich singend seinen Whisky bestellte. Ob er seinen Schnaps jemals bekommen hat oder nicht, sei dahingestellt, ein paar Stunden später jedenfalls war der Song fix und fertig. Die hervorragende ‚Whisky In The Jar‘ Melodie ist also wie so viele gute Sachen ein richtiges Zufallsprodukt gewesen. Neulich auf den Summer-Festivals in Berlin und Frankfurt gaben Thin Lizzy ihr Deutschland-Debut. Dabei zeigten sie, dass sie in Wirklichkeit eine Rock-Band mit ’nem gesunden Schuss ‚Funky-Feeling‘ sind. Die drei Iren kamen in Frankfurt, nebenbei bemerkt, sagenhaft gut an. Nach dem dortigen Gig sprach ME mit dem Gründer und Lead-Gitarristen der Band, Eric Bell:
ME: Stimmt es, dass Thin Lizzy durch den Discjockey Kid Jensen von Radio Luxemburg erst so richtig in England bekannt gemacht wurde? Eric: Yeah, er hat uns enorm viel geholfen.
ME: Habt ihr schon vor den Festivals in Berlin und Frankfurt vor richtig grossem Publikum gespielt? Eric: Ja. In Irland hatten wir als Hauptgruppe einmal 3000 und einmal 5000 Zuschauer. Das ist ’ne ganze Menge für uns; ausserdem sind wir drei Wochen lang mit Slade‘ in England auf Tournee gewesen. ME: Gibt’s schon Pläne für Amerika? Eric: Letztes Jahr sollten wir zusammen mit Skid Row in die Staaten reisen. Aber da Skid Row sich plötzlich auflöste, wurde die ganze Sache abgeblasen. Die USA liegen also noch vor uns …
ME: Allright, keep it going … und viel Erfolg! Übrigens, es gibt von Thin Lizzy inzwischen zwei LPs auf Decca. Das erste Album trägt aJs Titel schlicht und einfach den Namen der Gruppe, das zweite heisst ‚Shades Of A Blue Orphanage‘; wohl, weil Eric früher mal in ’ner Band namens ‚Shades Of Blue‘ spielte und Drummer Brian Downey einer Gruppe angehörte, die sich ‚Orphanage‘ nannte. Und noch ‚was: Erinnern einen die Jungs nicht vom Aussehen her stark an die ‚Jimi Hendrix Experience‘? Nur so.
Vinegar Joe
Mit ‚Rock’n’Roll Gypsies‘, dem bislang neuesten Album hat Vinegar Joe mittlerweile auch in Deutschland schon eine beträchtliche Anzahl Freunde gewonnen. Nachdem ‚Stone The Crows 1 nun ja leider Gottes das Zeitliche gesegnet hat, sprechen alle Anzeichen dafür, dass Vinegar Joe mit ihrer Sängerin Elkie Brooks nun endlich aus dem Schatten Maggie Bell’s und ihrer ‚Krähen‘ hervortritt. Elkie ist ein seltsames Mädchen. Auf der Bühne ‚arbeitet‘ sie fast immer in einem ganz kurzen oder in einem ganz langen Kleid. Unwillkürlich muss man dabei an ein Schulmädchen auf einem englischen Internat denken – aber Vorsicht, Elkie hat Feuer, das bekam vor einigen Monaten selbst Inga von Atlantis zu spüren, als nämlich beide Bands während der Atlantis-England-Tournee zusammen spielten. Ein paar Tage vor dem Frankfurter Festival, wo Vinegar Joe mit von der Partie waren, traf ME’s Lutz Elkie in Amsterdam zu einem gemütlichen Gespräch: – Nun, Elkie machte einen sehr zufriedenen Eindruck. Auf Maggie Bell angesprochen, erwiderte sie energisch: „Ich sehe wirklich keinen Grund, warum ich sauer sein soll auf sie. Erstens ist sie eine sehr, sehr gute Sängerin, zweitens bin ich mit ihr gut befreundet. Natürlich wird es für uns jetzt leichter in England, weil Maggie ohne feste Gruppe und dazu noch meistens in den Staaten ist, aber sauer war ich wirklich nie auf sie.“ –
Nazareth
Diese Vier-Mann-Band rockt so hart, dass es dampft, viele Besucher des bereits erwähnten Summer-Festivals in Frankfurt waren von Nazareth weit mehr angetörnt als beispielsweise von Uriah Heep, die eigentlich nur laut waren und mit ihrem etwas dümmlich wirkenden Superstar-Gehabe wohl kaum noch lange Chancen haben werden, ‚ganz gross‘ zu bleiben. Nazareth dagegen machten einen erstaunlich unverbrauchten und deshalb recht ergeizigen Eindruck. Ein richtiger Spass sie ‚live‘ zu erleben. Um mehr Einzelheiten über die Band zu erfahren, sprach ME mit dem Nazareth-Sänger Dan McCafferty:
ME: Nazareth kommt aus Schottland. Jetzt wohnt die Band in London, right? Dan: Jasicher, weil sich das Show-Business nun mal in London abspielt – von Schottland aus gesehen. Es ist ein langer Weg von da oben bis runter an die Themse. Es ist nicht die Entfernung, aber er ist verdammt schwer, als weit und breit unbekannte Gruppe in London ein festes Publikum zu bekommen.
ME: Jetzt gibt’s von euch ein neues Album mit dem Titel ‚Razamanaz’… Dan: Es ist inzwischen schon unsere dritte LP. Die erste hiess ‚Nazareth‘, die zweite ‚Exercises‘ und nun eben „Razamanaz‘.
ME: Hat das Wort ne bestimmte Bedeutung? Dan: Oh, das ist so’n altes Slang-Wort, das Jazzer und andere Leute aus dem Show-Biz gerne gebrauchen – genauso wie groovy, Rock’n’Roll etc.
ME: Glaubst Du, dass Hard-Rock Gruppen überhaupt noch eine Chance haben? Dan: I don’t know – keine Ahnung. Viele Zuschauer verhalten sich bei Rock-Konzerten sehr passiv. Da muss man dann schon reichlich Eindruck machen – und das geht gut mit Hard-Rock.
ME: Seid ihr stilistisch festgelegt? Dan: Nicht unbedingt. Unser erstes Album war ein Hard-Rock Ding. Das zweite wurde wesentlich melodischer und wir haben es sogar zusammen mit einem Orchester aufgenommen.
ME: Wann wurde Nazareth gegründet? Dan: Vor dreieinhalb Jahren, aber seit zwei Jahren sind wir erst Profis.
ME: Glaubst Du, es wird in Zukunft mit Nazareth weiterhin bergauf gehen? Dan: Sicher. Wir haben momentan unsere Single Broken Down Angel‘ und das Razamanaz-Album in den englischen Hitlisten. Als nächstes planen wir eine Maxi-Single.
ME: Wann wollt ihr Amerika erobern? Dan: Da waren wir schon zweimal im letzten Jahr. Zuerst zusammen mit Deep Purple, beim zweiten Mal teilweise zusammen mit Buddy Miles und teilweise mit Ginger Baker. Im Oktober sind wir bereits wieder drüben.