Themeninterview

Die Nerven über Millennials: „Jede Generation versucht sich selbst darzustellen“


Leistungsdruck, Hedonismus, Statussymbole – Begriffe, mit denen die sogenannten Millennials, junge Erwachsene, die zwischen dem alten und dem gegenwärtigen Jahrtausend aufgewachsen sind, assoziiert werden. Auch Die Nerven zählen zu den Jahrgängen der „Generation Y“ – eine Generation, getrieben von Zukunfts- und Bindungsängsten.

Max Rieger, Julian Knoth und Kevin Kuhn von der Stuttgarter Rockband Die Nerven wollen, verständlicherweise, nicht als Sprachrohr ihrer Altersgenossen herhalten. Ihr Leben habe mit den Hochglanzbildern in sozialen Netzwerken nichts zu tun, sagen sie. Und trotzdem merkt man ihren Texten eine gewisse Nachdenklichkeit über das Hier und Jetzt an.

Könnt ihr nachvollziehen, dass man auf ein neues iPhone spart, nur um dazuzugehören?

Rieger: Das iPhone ist die neue Rolex, so einfach ist das. Ich spare auch Monate auf ein neues Mikrofon. Jeder hat Zeug, auf das er steht.

Aber bei Smartphones scheint es sich zuzuspitzen: Eltern werden angepumpt, weil die Praktikumsvergütung nicht ausreicht. Junge Erwachsene geben lieber weniger Geld für ihr Essen aus, nur um sich dieses Statussymbol leisten zu können.

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Rieger: Das hast du dir doch jetzt ausgedacht.

Knoth: Das ist doch auch eher als Metapher gemeint.

Rieger: Schon klar, aber ich finde die Metapher geht nicht ganz auf.

Könnt ihr euch denn nicht vorstellen, dass man in eurem Alter diesen Druck verspürt, immer mit der Zeit gehen zu müssen?

Rieger: Nein, wir haben uns da komplett ausgeklinkt. Die Musik, die wir machen, ist dafür der beste Beweis. Was soll das auch heißen: „mit der Zeit zu gehen“?

Jedem Trend hinterherhecheln zu müssen.

Rieger: Ich lese auch Listen im Internet. Ich habe auch einen privaten Instagram-Account und sogar zwei Facebook-Accounts. Warum denn auch nicht? Da steckt ein Fortschrittsgedanke hinter. Was nicht bedeutet, dass man jeden Bullshit mitmachen muss. Ich kriege zwar alles etwas später mit, aber auch ich habe mich gefragt: „Was ist denn eigentlich dieses Snapchat?“

„Jede Generation versucht sich selbst darzustellen. Früher hieß es halt nicht Selfie, sondern Selbstporträt.“ – Max Rieger

Hast du Snapchat, die Chat-App, bei der sich Bilder automatisch nach 24 Stunden löschen, denn schon ausprobiert?

Rieger: Ich habe Snapchat für eine Stunde ausprobiert.

Und was war deine Meinung?

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Rieger: Ich brauche es nicht, aber es ist gut, dass es existiert. Es hat eine Lücke geschlossen.

Wie schätzt ihr denn diesen bei jungen Menschen allgegenwärtig scheinenden Selbstoptimierungszwang und die Lust nach „Likes“ ein?

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Rieger: Wenn den Leuten solche Möglichkeiten gegeben werden, muss man davon ausgehen, dass sie die dann auch nutzen. Es spricht die Psyche an. Man darf so etwas aber nicht verteufeln. Das ist nicht mehr wegzudenken. Es kommt immer darauf an, wie man damit umgeht. Es gab Wochen, an denen mich so etwas auch schon heruntergezogen hat.

Knoth: Es betrifft uns auch als Band. Man sieht, welche Beiträge wie geliked werden. Man muss jedoch den Umgang damit lernen. Man muss lernen, dass das nicht alles ist. Ich habe kein Insta­gram und habe trotzdem früher Fotos von mir selbst gemacht. Das gehört doch zur Adoleszenz. Dass man sich in dieser Phase selbst entdeckt, dass man herumpost, dass man sich fragt, wie man aussieht. Vielleicht hatte das in unserer Generation noch nicht die heutigen Ausmaße, aber auch da gab es Netzwerke wie My­Space, in denen es ausschließlich um so etwas ging.

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Rieger: Jede Generation versucht sich selbst darzustellen. Früher hieß es halt nicht Selfie, sondern Selbstporträt. Das ist alles eine Frage der jeweiligen Zeit.

Würdet ihr der These, dass man sich heutzutage immer früher in diese Leistungsgesellschaft einbringen muss, zustimmen?

Rieger: Ich würde eher sagen, dass es früher viel verschärfter war. Heute gibt es doch so etwas wie die Post-Adoleszenz, dass man sich mit dem Studium und Praktika herumschlägt und bis jenseits der 30 noch nicht in seiner Persönlichkeit gefestigt sein muss. Alternative Lebensentwürfe werden immer mehr toleriert. Nichts machen gehört zum Machen dazu. Das wird gerne vergessen.

Knoth: Das stimmt, das ist ein ganz wichtiger Teil. Nichts zu machen hat in unserer deutschen Gesellschaft keinen Wert. Nichts machen zu können, nichts machen zu wollen, ist mit das Wichtigste.

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