Die Idee des Andersseins


Zehn Jahre nach der Hochzeit von Def Jux sind El-P und Aesop Rock so stark wie damals.

Vor zehn Jahren war Def Jux das beste Label der Welt. Unter der strengen, aber herzlichen Ägide von Rapper und Firmenchef El-P durften sich die kreativsten HipHop-Querköpfe austoben: der liebenswürdige Kotzbrocken Aesop Rock, der sensible Samplevirtuose RJD2, der sinistre Druffipoet Cage, der schelmische Sonnenskater Murs, die afrofuturistischen Ghettochronisten von Cannibal Ox. Vielfalt war König, die Bande zusammengehalten von einer losen Idee des Andersseins in einer zunehmend konformistischen Rap-Industrie unter dem schlauen Anti-Marketing des Musterrebellen El-P. Als jedoch der Markt für Indie-Releases dieser Machart mehr und mehr einbrach und zunehmend ökonomische Realitäten das Künstler- und Kifferidyll der Freunde aus Brooklyn störten, war bald Schluss mit Movement. Es ist reiner, aber dennoch ein schöner Zufall, dass sich inmitten des neuen Freigeistbooms im HipHop nun zwei Protagonisten von einst mit starken Alben zurückmelden. El-P ist älter geworden und gelassener, seinen schrägen Humor und seine kompromisslose B-Boy-Attitüde aber hat er sich bewahrt. Das zeigen schon der Albumtitel Cancer For Cure (Fat Possum) sowie das irre Beastie-Boys-meets-Mr.-Oizo-Video zur Vorabsingle „The Full Retard“. Blechern-reduzierte Zukunftsbeats im Geiste von Ced Gee, atemloser Hardcore-Flow, und die vielleicht griffigste Hook in der Karriere von El-Producto: „You should pump this shit like they do in the future.“ Aesop Rock dagegen gibt sich auf „Zero Dark Thirty“, wie überhaupt dem ganzen Skelethon-Album (Rhymesayers), sperrig wie eh und je. Wie immer führt sein Flow zunächst eher in die Irre, als dass er sich dem Groove fügte. Je tiefer aber man sich in den Bewusstseinsstrudel des 36-Jährigen ziehen lässt, desto mehr Sinn ergeben seine scheinbar unzusammenhängende Nicht-Sätze, als Teil eines vertraut feindseligen Masternarrativs, das mit sattgrauer Attitüde mehr Humor, unverstelltes Künstlertum und nicht zuletzt Menschlichkeit atmet als all die Schwarz-Weiß-Malereien des sogenannten Undergrounds zusammen. Dass ihn die jungen Menschen mit dem neuen Lokalhelden A$AP Rocky verwechseln, dürfte Aesop wurscht sein; Liebling der Massen wollte er ohnehin nie sein. Das Versprechen aber, das er 2001 mit „Labor Dayz“ gab, löst er auch 2012 ein: „All I ever wanted was to pick apart the day, put the pieces back together my way.“ Was sind da schon zehn Jahre?