Die Gutsänger: Warum „Band Aid 30“ doof war – die Aufregung darüber aber auch
Ja, „Band Aid 30“ war blöd - die Aufregung darüber meist auch. Ein paar Gedanken zu Ebola und Pop. Von Davide Bortot, aus unserem Jahresrückblicks-Heft.
„Wie über Ebola singen, ohne komplett idiotisch zu klingen?“ , fragte im November „Der Spiegel“. Die Gegenfrage drängte sich auf: Warum überhaupt über Ebola singen? Genauso drängte sich jedoch die Antwort auf, dass man als vom Schicksal reich beschenkter Kreativschaffender eben gerne helfen würde, wenn eine Krankheit Tausende von Menschen in Guinea, Sierra Leone und Liberia ums Leben bringt. Und wenn sich fucking „Do They Know It’s Christmas?” nun mal millionenfach verkauft, ist da Einfach-nicht-rangehen-wenn-Bob-Geldof-anruft überhaupt eine Option, nur weil Bob Geldof selbst nach Abzug jeder Generalverurteilung ein riesengroßer Unsympath und sein Song noch größerer Quark ist? Irgendwie nicht. Aber vielleicht auch schon. Ist ja immer noch Pop. Andererseits, ist Spenden nach Stylekriterien nicht genauso eklig wie Geldofs patronisierende Ignoranz? Oder hätte man sich doch informieren sollen, was seriöse Organisationen wie HOPE oder FACE Africa über Band Aid denken, bevor man – sicher nicht zum ersten Mal – 1,29 Euro für einen schlechten Song bezahlt? Unklar. Zumindest unklar genug, um sich mal wieder gepflegt an die Facebook-Pinnwand zu pinkeln, während nur sechs Flugstunden weiter (wie Marteria in der deutschen Version des meist diskutierten Songs des Jahres rappt) hygienische Miss- stände ganz anderer Art ihre Opfer fordern. Wie man’s macht, ist’s falsch. Aber nix machen war auch in der Ebola-Krise nicht die Königslösung.
Zum Glück gab es also auch musikalische Initiativen, die Ebola ohne Beigeschmack bekämpften. So richteten sich auf dem starken Afro-Reggae-Song „Africa Stop Ebola“ mehrere Superstars des Kontinents direkt an die betroffenen Communities. Der erzielte Gewinn ging direkt an Ärzte ohne Grenzen. Vor allem aber enthielt das Stück statt bizarrer Spekulationen über Schneefall in „Afrika“ konkrete, allgemein verständliche Hilfestellungen zur Eindämmung der Seuche. Ähnlich funktionierte „Ebola Is Real“, ein Aufklärungssong der liberianischen Hipco-MCs F.A., Soul Fresh und DenG für Unicef. Die Handlungsanweisungen in dem Song wirkten in ihrer Granularität mitunter unfreiwillig komisch. Aber bedenkt man, wie lange die Epidemie in Teilen Westafrikas als bloßes Gerücht abgestempelt wurde, erscheinen sie allemal sinnvoller als die diffusen Heilsversprechen von Geldof & Co.
Wer als mitteleuropäischer Musikfan helfen wollte, fuhr trotzdem am besten zweigleisig: sich auf africaresponds.org über Spendenmöglichkeiten informieren – und nebenbei genau die Musik hören, auf die man gerade Lust hatte.