Die Goldenen Zitronen


Anyone for Fußball? Wouldn‘ t that be nice?

Ein erschröckliches Gerücht geht um, nur Stunden vor dem Auftritt der Goldenen Zitronen beim Fest zum Zehnjährigen des verdienten Münchner Studentenradios M94.5: „Der Bassist“ der Hamburger habe sich am Nachmittag so horrend den Daumen in einer Tür eingeklemmt, dass fraglich sei, ob sie überhaupt werden spielen können. Dabei ist zunächst mal ebenso fraglich, wer mit „der Bassist“ gemeint ist, so, wie die Zitronen auf der Bühne die Instrumente durchzuwechseln pflegen. Selbstverständlich wird gespielt. Und wie. Die Band ist in verstärkter Besetzung angereist. Stephan „Superdrumming“ Rath, der ab und zu Trommler Enno Palucca vertritt, ist heute zusätzlich zu ihm dabei. Und da rührt sich was.

Wer immer noch dem beliebtesten Vorurteil über die Goldenen Zitronen aufsitzt – die Texte sind irgendwie voll intelligent, aber die Musik ist so sperrig, Menno -, hat wohl länger nicht mehr hingehört und sollte mal wieder. Mit dem Sound der Zitronen verhält es sich nämlich wie mit dem Arm von Schorsch Kamerun: Er ist ganz schön dick, dicker, als man ihn in Erinnerung hatte (Kamerun kommt im obligatorischen Frühlingskleid und scheint letzthin einer gewissen Leibesertüchtigung nachgegangen zu seinl. In diesen scheppernden Postpunkfunkdiscopumpen, den kreischorgeligen Trashgeräten, selbst dem minimalelektronisch puckernden „Wenn ich ein Turnschuh wär“ steckt eine reißende, zerrende, ja: rockende Wucht drin, wer da nicht mit muss, dem fehlt ja wohl der Funk! Dass die Zitronen musikalisch tigtiter und weiter vorn sind, als es Ted Gaier – dem Muckertum ein Gräuel ist. was natürlich nicht gegen glamiges Hantieren mit einer schrägen 60s-Gitarre spricht – eigentlich lieb sein dürfte, mag an der leidenschaftlich musikfrickelverliebten Hintermannschaft Thomas Wenzel und Mense Reents liegen IReents übrigens ist der Verletzte, pumpt aber trotz Daumenverbands trefflich an Synths und Bassgitarre herum).

Vorne Kamerun und Gaier mit ihren ausgefeilten Texten, Tiraden, Collagen; schneidend, dringlich, hysterisch witzig. Einen ganzen Notenständer hat Kamerun vollgepackt, nach all den Jahren immer noch ein angenehm unabgebrühter Performer, der einem in hundert Jahren keine konziliante Ansage aufs Brot schmieren, keinen „Spruch machen“ würde, immer dieses gewisse Unbehagen ausstrahlt. Das Wort „spannend ist so fürchterlich, aber verdammt, einmal darf man’s herbeiziehen: Die Zitronen sind die Spannendsten, weit und breit.

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