Die Definition eines Mysteriums
'Mittlerweile kapieren die Leute, dass die Eagles Of Death Metal für mich kein Nebenprojekt sind!' Und darum redet Josh Homme auch am liebsten über dieses Thema, als wir ihn in Los Angeles am Telefon erreichen. Aber bitte schnell, denn: „Ich bin Vater, ich kann nicht so lange am Telefon bleiben!"
Wie spät ist es bei dir?
Halb zwölf mittags.
Also bist du gerade aufgestanden, rockstargemäß?
Nein, ich bin schon seit acht wach. Ich mag es, lange aufzubleiben und früh aufzustehen. Ich will sehen, worum sich die Stunden drehen.
Und worum drehten sie sich heute bisher?
Ich bin Familienvater, also ging’s heute darum, mit meiner Tochter in den Park zu gehen.
Wunderbar. Es heißt, dass du derzeit viel im Studio bist … Ja. Von allen Aspekten des Musikmachens ist mir das am liebsten. Ich habe das neue Arctic-Monkeys-Album produziert. Die sind zu mir raus in die Wüste gekommen, später waren wir in meinem Studio in Los Angeles. Demnächst sind die Subways und die nächste Desert Session dran. Ansonsten arbeite ich noch an der Platte eines Freundes, aber damit lassen wir uns etwas Zeit. Darf man fragen, was das für ein Freund ist?
Na ja, ein besonderer Freund, und wir haben abgemacht, es geheim zu halten. Es ist die Soloplatte eines Freundes, und wir werden alle damit überraschen, wer es ist. Lass uns über die Eagles-Of-Death-Metal-PIatte reden. Ihr habt damit ein neues Level erreicht, produktionstechnisch wie musikalisch.
Wir haben diesen Drei-Alben-Plan. Ich liebe es, Dinge so anzugehen. Daran muss man sich dann nicht strikt halten, aber es ist angenehm, eine ungefähre Richtung zu haben, in die man steuert. Dieses Album sollte unser tiefgründigstes werden, es sollte unser BACK IN BLACK werden. Und ich denke, das ist uns auch gelungen.
Bis vor Kurzem dachte ich, dass Jesse Hughes bei den Eagles alle Songs schreibt. Auf vielen Songs von HEART ON höre ich aber eindeutig deine Handschrift … Wichtig war bei den Eagles immer, dass es bei Jesse anfangen, dass es von ihm kommen muss. Nach dem Motto: Er bringt den Marmor, und wir meißeln ihn dann gemeinsam. Beim ersten Album fand ich wichtig, es so aufzunehmen, wie es ist, nicht mehr daraus zu machen, als es tatsächlich ist. Beim zweiten Album war ich dann schon mehr am Geschehen beteiligt. Und jetzt stand Jesse an der richtigen Stufe, um unsere Beziehung weiterzubringen. Jesse ist jetzt bereit, wofür ich bereit bin.
Auf HEART ON gibt es ein paar Texte, die sich mit dem Rock’n’Roll-Leben an sich befassen. Kann es sein, dass
Jesse gerade seinen Party- Lifestyle in Frage stellt?
Ja, doch. Auf unserer ersten Platte hört man einen Jesse, der etwas entdeckt. Da war er noch etwas grün hinter den Ohren. Aber er war schon immer ein schlaues Kerlchen, und jetzt ist er ein bisschen weiser geworden. Außerdem sind wir uns einig, dass das, was wir musikalisch und textlich abliefern, echt sein muss. Kein Gepose.
Könnte man also sagen, dass Jesse mit den Eagles seine Ju gend nachholt?
Absolut. Jesse ist das Paradebeispiel eines Spätzünders. Das Schöne ist, dass man ihn dabei als erwachsenen Menschen erlebt. Er weiß, was er will. Man erlebt also die heftigen Schwärmereien und Gelüste von jemandem, der aufmerksam zugesehen hat und erklären kann, was er will. Jesse geht da mit Köpfchen ran.
Gibt es einen Unterschied zwischen dem öffentlichen und dem privaten Jesse?
Natürlich kriegst du als Außenstehender nicht dieselben Momente mit, die ich mit Jesse erlebe. Wir sind nun mal seit 14 Jahren Freunde. Aber es ist nicht so, dass er privat seine Rock’n’Roll-Kleider oder sein Rock’n’Roll-Gehirn ablegt.
Als ich letztens mit Jesse sprach, sagte er mir, dass er daheim mit seinem Sohn jeden Sonntag in die Kirche geht, weil der „die Regeln lernen muss“. Kann ich ihm das abkaufen? Ja, es ist wahr. Manche Dinge sind, was sie sind. Sie sind die Definition eines Mysteriums: Sie machen keinen Sinn, sollen sie auch gar nicht – und dann tun sie es doch! So gesehen ist es recht einfach, den Jesse, der mit seinem Sohn in die Kirche geht, und den Jesse, der wieder rausgeht, um den wilden Mann zu machen, unter einen Hut zu bringen. Elvis und Johnny Cash haben das doch auch schon so gemacht. Und Jesse und ich sind mit Baptistengottesdiensten quasi groß geworden.
Hört sich so an, als ob du deine Vaterschaft genauso interpretierst wie Jesse? Ich denke, da gibt es einige Gemeinsamkeiten. Wir sind beide sehr stolz auf unsere Herkunft, auf unsere Großeltern, und respektieren sie sehr. Ich will nicht so tun, als ob ich Bescheid weiß, da hör ich lieber auf jemanden, der Bescheid weiß.
Du wurdest einmal gefragt, wie du deiner Tochter Camille den Song „Feel Good Hit Of The Summer“ erklären wirst, und hast geantwortet, dass Balance wichtig ist und jeder seinen eigenen Weg finden muss. Würdest du dich als Verfechter von antiautoritärer Erziehung bezeichnen?
Ich bin ein Verfechter des Respektierens der Person, des selbstständigen Denkens und des Einsehens, dass 99 Prozent aller von Menschen aufgestellten Regeln Heuchelei sind (die Stimme von Camille dringt durchs Telefon, die offenbar DaddysAufmerksamkeit zurückfordert). Hörst du, ich bin Vater, ich kann nicht so lange am Telefon bleiben, ich bin im Park (lacht). Das ist mein erster Telefon-im-Park-Moment.
Dann mal lieber schnell. Was läuft gerade mit den Queens? Irgendwelche Pläne?
Nein. Weil ich in zwei Bands bin und mittlerweile kapieren die Leute, dass die Eagles für mich kein Nebenprojekt sind – nehmen wir uns mit den Queens eine Auszeit. So kann ich mich auf die Eagles fokussieren, auf die Studioarbeit und darauf, seit 17 Jahren mal daheim zu sein. Aber nur ein bisschen. Der Plan ist, die Akkus der Queens aufzuladen. Reden wir noch schnell über euren Gig im Salzbergwerk Sonderhausen 2007. Wird man davon noch etwas zu sehen oder hören bekommen?
Das war der Wahnsinn. Ich wünschte, der Mitschnitt wäre längst veröffentlicht, damit es jeder sehen kann. Aber in typischer Plattenfirmen-Art wird um Geld gestritten, und so ist es momentan komplett blockiert. Ein klassisches Beispiel dafür, wie man den Karren vor das Pferd spannt. Die deuteln da an ein paar tausend Dollar herum, es ist echt lächerlich.
Tja, dann müssen wir wohl zum Schluss kommen … Ja, cool. Dann kann ich endlich mein Mädchen mit der Schaukel anschubsen.
Albumkritik ME 1/09
Story ME 2/09 uww.eaglesofdeathmetal.com