Die Boygroup Ihres Vertrauens


I UllUAAAAHHHHRRRGGHHH! Sorry.

Mit einer Computertastatur kann man das Geräusch nur unzureichend transkribieren, das entsteht, wenn Gustaf Noren, Björn Dixgärd, Samuel Giers, CJ Fogelklou und Mats Bjerke eine Open-air-Konzertbühne betreten. Ein Geräusch aus Mädchenkehlen. Sie kreischen, was das Zeug hält. Der Sound, er zeugt heute schon von großer Hysterie. Mit unserem Wichtigtuer-Festival-Paß um den Hals stehen wir im Fotograben der Bühne des „MTV Campus Invasion“-Open- airs in Regensburg und staunen. Mädchen, Mädchen, Mädchenmädchenmädchen so weit das Auge reicht. Quiekend. Wir kennen solche Bilder. In schwarzweiß – Filmaufnahmen von hyperventilierenden Teenies, die zum Höhepunkt der Beatlemania einen Blick auf John oder Paul oder George oder Ringo zu erhaschen versuchen.

Da hat sich einiges getan um Mando Diao, seit wir das letzte Mal genauer hingeschaut haben. Das war im Januar, als hurricane bar, das zweite Album der Schweden, veröffentlicht wurde. Man war sich einig, daß die Jungs wirklich ein außerordentliches Händchen für beatleskes Songwriting haben. Daß sie ihr stürmisches Debüt bring em in (in Schweden im Herbst 2002 veröffentlicht, in Deutschland im April 2004) würdig ergänzt und gezeigt haben, daß sie in die Tiefe, die Breite, die Melodie gehen konnten, daß sie ihren authentischen Sixties-Sound weiter zu spinnen wissen. Man durfte sogar realistisch hoffen, daß Mando Diao nach den beachtlichen 8000 verkauften Einheiten von bring EM IN die Charts erreichen könnten.

hurricane bar tauchte tatsächlich dort auf, sogar in der Top 20. Und das war erst der Anfang: Während die meisten Alben dank der Fankäufe in der ersten Woche hoch einsteigen, um dann schnell wieder aus den Charts zu purzeln, hielt sich das Album noch einige Wochen. Und noch ein paar Wochen. Und dann noch ein paar. Wir schreiben Mitte Juni, und hurricane bar hat die Charts immer noch nicht verlassen, bereits über 10000 Stück verkauft. Diese Zahlen lügen nicht: Mando Diao gehören bereits zu den größten Gitarrenbands in Deutschland.

Fassen wir noch mal kurz zusammen, was wir schon wissen über Mando Diao. Erstens: Sie haben ein großes Mundwerk. Wenn man Mando Diao interviewt, muß man sie schon allein der guten Tradition wegen fragen, wie toll sie sich finden, damit sie wortreich erläutern können, wie toll sie sich finden. Das ist zum Selbstläu fer geworden, hat der Band aber nur bedingt geschadet. Zwar mag man in Deutschland Großmäuler nicht, aber mit ihren fulminanten Live-Auftritten wurden diejenigen, die ihnen das übelnahmen, überzeugt. Sollen diese kleinen schwedischen Scheißer ruhig herumtönen, so lange sie sooo gut sind … Wir wissen zweitens: Die Band stammt aus Borlänge – einem Örtchen in Mittelschweden, in dem es angeblich ganz anders zugeht als in diesem sonst so beschaulichen Streberland der holzvertäfelten Gemeindezentren. Böse nämlich und hart. Und drittens wissen wir- das hatten wir schon – von ihrer Beatles-Besessenheit. Und viertens eben, daß sie groß werden wollen. Und dann noch ein gutes Stück größer.

Der Nachmittag in Regensburg ist ein rundum herrlicher, sonniger. Die Atmosphäre bei der „Campus Invasion“ ist allerdings etwas ungewöhnlich, zumindest backstage. Dort hocken die Musiker sonst auf Bierbänken vor Zelten und Umkleidecontainern wie auf einem Volksfest, das von seinen Schaustellern im Stich gelassen wurde. Backstage bei der Campus Invasion gibt es hingegen keine Zelte und kaum Bierbänke. Die Umkleideräume befinden sich in Hörsälen im Inneren der am Wochenende ansonsten ausgestorben Uni, die anmutet wie ein zu groß geratenes Gymnasium. Beton, Glas, rechte Winkel, Fliesen.

Wir haben das Klassenzimmer von Mando Diao gefunden. In zwei Stunden steht ihr Aufritt an. Die Musiker konzentrieren sich auf ihre Laptops: Gustaf spielt dem Rest der Band rudimentäre Demos fürs kommende Album vor, Samuel ruft Mails ab und zeigt uns stolz sein neues HintergTundbild: drei Mandosin den Armen von Iggy Pop, den sie am Vorabend in Otranto, am Absatz des italienischen Stiefels, Supporten durften. Iggy sieht unglaublich aus: faltig, schlohweiß und wettergegerbt, ein Gespenst aus Leder. Dann wird schwedisch gesprochen. Das ist typisch schwedisch. Nicht, daß man schwedisch spricht (das auch, klar), sondern daß man als Schwede sein Gegenüber einfach ausschließt und in seiner Geheimsprache redet. Passiert echt ständig bei Schweden. Die merken auch nicht, daß das unhöflich ist. Noch ist an ein gehaltvolles Gespräch ohnehin nicht zu denken. Wir ziehen uns erstmal zurück und schauen uns den Auftritt der kleinen Brüder von Mando Diao, Sugarplum Fairy, an. Bei denen wird auch schon ganz ordentlich gekreischt.

17.20 Uhr. Staqe-Time. Mando Diao stiefeln auf die Festivalbühne. „IIIUIAAAAHHHHRRRGG-HHÜ!“ Die Bande wirft sich in eine High-Speed-Version von „Cut The Rope“, die nahtlos in „Sweet Ride“ übergeht. Es röhrt und kracht. Die kreischenden Teeniegirls haben Recht. Hier, wenige Meter vor uns, tobt die perfekte Band für diesen Augenblick. Und was für ein Anblick! Man hätte sie nicht besser casten können. In der Mitte Gustaf Noren in der Rolle des bedrohlichen Gangleaders. Er bellt und kläfft ins Mikro, als hätte er für morgen noch ein paar Ersatzstimmbänder dabei. Links neben ihm sein Sidekick Björn Dixgärd. Der mit der vollen, sonoren Stimme. Der Typ, der dem Anführer zwar oft den Vortritt läßt, dessen Zusammenspiel mit Gustaf die Sache aber erst so groß macht wie sie ist. Rechts von den beiden: Carl Johan, genannt CJ Fogelklou, am Baß. Der Schnuckelige. Der Marc Owen der Band. So süß, daß die Mädchen ihn nach Hause nehmen und zu den anderen Stofftieren setzen wollen. In der zweiten Reihe hockt Mats Bjerke vor seiner Orgel, dem die kürzliche Ernennung zum offiziellen Bandmitglied sichtlich gut getan hat. Er strahlt bereits die gleiche Unantastbarkeit aus wie Björn. Bei der ersten Deutschlandtour war er noch ein schüchterner Gast. An den Drums: Samuel Giers. Der auf der Bühne immer ein bißchen weggetreten wirkt. Seine Pupillen rollen in Trommelbesessenheit nach hinten, und doch schlägt er präzise zu. Mando Diao ist ein zehnbeiniger Funken sprühender Rock-’n‘-Roll-Drachen. Und die Euphorie, die ihm entgegengebracht wird, ist riesengroß.

Nach dem großen Knall: Wir treffen die Band in gelöster Stimmung im Backstageraum wieder, wo CJ den Lehrer gibt. Er schreibt Grüße an die Studenten auf die Tafel: „Mando Diao says ,Hi!‘. Do Your Homework!“ Sein Schuldeutsch ist überraschend gut. „Du solltest auf der Bühne Ansagen auf deutsch machen. Die Kids würden es lieben.“ „Ich darf aber nicht. Nur Gustaf darf auf der Bühne reden.“ „Wie, jetzt? Echt?“ „Blödsinn, Mann!“ Er lacht sich schlapp.

Alle Schlachten scheinen für heute geschlagen. Doch auch wenn Mando Diao dem Rock’n’Roll der 60er frönen, ihre Arbeitsgestaltung ist die einer Rock-’n‘-Roll-Kapelle anno 2005: Die weiteren Programmpunkte für die Fünf sind eine wiederum amtlich bekreischte Autogrammstunde sowie ein Radio-Meet-Sk-Greet mit Interviews. Ob das gut geht? Samuel wirkt immer noch ziemlich geistesabwesend. Er redet seeehr lagsam, lallt fast. Gustaf bleibt kühl, distanziert. Er taut allerdings auf beim Autogrammeschreiben. Auch wenn ihm die Coolness stets vorgeht: Er genießt es sichtlich, als Star behandelt zu werden. Björn ist in Stimmung gekommen, boxt den Mann von der Plattenfirma und verdrückt sich einfach. Mats rollt hingegen spätestens jetzt als fünftes Rad hintendrein, denn seine offizielle Mitgliedschaft hat sich noch nicht weit genug herumgesprochen. „… und wer ist das?“, flüstern die Autogrammjäger und die Radiomoderatoren.

Um 22.30 Uhr ist es endlich soweit: Mando Diao finden auf dem Weg von Regensburg nach München Zeit und Ruhe für uns. Wir sitzen im Kleinbus. Aber wo ist CJ? In den anderen Bus gestiegen?! „Macht nichts, der ist eh nicht aus unserer Stadt“, winkt Gustaf ab. Nun. Das Herrliche an Mando Diao im Interview ist: Wenn sie erst mal ins Rollen gekommen sind, kann sie nichts mehr stoppen. Insbesondere die Zitatmaschine Gustaf läuft fast schon im Stil Noel Gallaghers zu Höchstform auf. Er wird wieder in minutenlange Tiraden ausbrechen und hoch emotional die eigene Unsiegbarkeit proklamieren. Aber auch Samuel kommt endlich wieder zu sich und entpuppt sich als alerter, smarter Denker.

Es ist viel passiert seit Januar…

Gustaf: Wir sind viel getourt. Die Staaten, Deutschland, Italien, Spanien … Samuel: hurricane bar ist richtig durchgestartet. In Deutschland passiert am meisten, aber die anderen Länder ziehen nach.

BJÖRN: In Spanien geht s gerade los und auch in Frankreich haben wir von hurricane bar mehr verkauft als von bring em in.

Ob der Frauenanteil unter den CD-Kaufern so hoch ist wie bei euren Konzerten? Ich wußte ja, daß ihr das weibliehe Publikum ansprecht – aber mit so vielen Madchen hatte ich nicht gerechnet.

GUSTAF: Bei Musik geht s um Sex – bei den guten Bands. Wenn Bands Jungs in den ersten Reihen haben, geht’s nicht um Sex.

SAMUEL: Ich denke, es liegt am Pop. Metalbands ziehen Jungs an. Wenn Metal sexy wäre, wären Mädchen in der ersten Reihe.

gustaf: Metalbands haben gute Musiker. Da stehen die Jungs davor und sagen: Boah, ich will die Gitarre auch wie Slash spielen können. Aber du mußt auch weibliche Qualitäten in dir haben.

Wie sagten Franz Ferdinand: Es gehe darum, Musik zu machen, zu der Mädchen tanzen.

Gustaf: Genau. Sie versuchend – und wir machen’s. Björn: Also, mir ist egal, ob Mädchen oder Jungs zu unserer Musik tanzen.

Gustaf: Als Oasis rauskamen und wir 15,16 waren wir wären doch nicht in die erste Reihe gerannt. Wir hätten hinten gestanden und gelästert: Das können wir auch, wenn nicht besser.

Es ist wieder sexy, für 15-, 16jährige, Gitarren in die Hand zu nehmen.

Gustaf: Und das sind genau die Leute, auf die man achten muß. Die 15-, 16jährigen. Weißt du, was ich so liebe an Rockmusik? Sie wird kontrolliert von der Jugend. Die Stones haben ein paar gute Songs geschrieben, als sie jung waren, und machen heute noch Geld mit ihrer Jugend. Es ist doch der Hammer, daß die Jugend die Kontrolle über eine Sache hat. Die wichtigste Sache der Welt: Musik. Du kannst Geschichte schreiben, ohne besonders smart zu sein, nur einfach mit deinem Bauchgefühl. Und deshalb geht es Mando Diao nur um die jungen Leute. Klar, auch Typen, die so alt sind wie unsere Väter, mögen uns, weil unsere Musik sie an die 60s erinnert. Auf diese Leute zielen wir nicht ab, aber es soll uns recht sein. Jeder darf Mando Diao mögen.

Solche Situationen wie die Autogrammstunde vorhin habt ihr euch so das Starleben vorgestellt?

Börn: Das ist schon ein gutes Gefühl, aber es fühlt sich ganz natürlich an. Wir waren ja recht naiv und haben uns das nicht anders vorgestellt. Daß man unterwegs sein wird und Autogramme schreibt. GUSTAF: Unsere Freunde gehen um sieben in die Fabrik- und wir schreiben Autogramme. Ist die gleiche Sache, irgendwie. Wir machen auch nur unseren Job.

Der Mann von eurer Plattenfirma meinte sogar, ihr würdet richtig hart arbeiten.

BJÖRN: Genau, wir haben diese Arbeitermentalität. MATS: Wir trauen uns einfach noch nicht, zu irgendwas nein zu sagen.

Gustaf: Die Leute denken, wir wären arrogant, aber das sind wir nicht. Die Bands, die immer wieder Interviews und Gigs absagen, die sind arrogant. Wir machen jedes noch so kleine Interview, wir spielen jeden Gig, drücken jedem die Hand, der uns Hallo sagen will. Wir glauben eben nur, daß wir die beste Band der Welt sind. Und ich glaube, wir sind’s, alleine deswegen, weil wir es sagen. Niemand sonst sagt das, aber das MUSS man doch von sich glauben. Man stolpert da doch nicht rein, daß man plötzlich die beste Band der Welt ist. Man muß von doch vorneherein dran glauben. Und solange keine andere Band daran glaubt, sind wir’s auch.

Gustaf: Genau. Man glaubt nicht an One-Night-Stands, man glaubt an die wahre Liebe. Mann, Oasis: Vor zehn Jahren haben sie dir einfach den Kopf weggeblasen. Kamen auf die Bühne, sangen ihre Lieder, gingen wieder und hatten allen die Schädel runtergeblasen. Wenn es außer Mando Diao eine Band gibt, bei der ich Mitglied sein wollte, es wäre Oasis.

Wißt ihr, ob Oasis euch schon wahrgenommen haben? Wäre euch das wichtig?

Gustaf: Es ist doch so: Oasis stehen auf die Beatles, wir stehen auf die Beatles. Wenn John Lennon auf mich zukäme und sagen würde: „Ihr seid die Besten seit den Beatles“, dann würde ich sagen: „Okay, du könntest recht haben.“ Wenn Oasis kämen, wären wir auf dem gleichen Level, weil wir alle nur Lennon-Fans sind. Was ich aber so liebe an Oasis, ist daß sie so gehaßt werden. Ich will so gehaßt werden wie Oasis. Haß, das ist ein noch stärkeres Gefühl als Liebe. Björn: Kumpel, man haßt dich längst. Gustaf: Wir müssen ein noch besseres Album machen. Denn wenn wir ein noch besseres Album machen, werden wir auch noch mehr gehaßt. Ihr seid wieder zu fünft (wie zu Zeiten des Debütalbums). Dabei habt ihr doch letztes Jahr noch erzählt, daß eine Band mit vier Mitgliedern besser aussieht.

Gustaf: Ja, aber Mats hatte einfach zu viel Soul. Samuel: Es ist doch albern, jemand auf der Bühne zu haben, der dann nicht auf den Fotos ist und keine Interviews gibt.

Gustaf: Mats gibt genauso viel wie wir. Er steht auf der Bühne, er hat den gleichen Soul, er kommt aus der gleichen Stadt, mag die gleiche Musik und sieht genauso aus wie wir. Es gibt zwei Typen auf der Bühne: Musiker und Künstler. Bei Mats dachte ich erst, er sei ein Musiker. M it der Zeit merkte ich aber, er ist Künstler. Und das eine schließt das andere aus. Denn Musiker werden nach ihrer Arbeit bezahlt, sie kümmern sich um Verkaufszahlen und solche Sachen. B]örn: Als wir einen neuen Keyboarder suchten, sagten wir noch, mehr als Witz: Er muß unser Alter haben und aus unserer Stadt kommen. Ja, klar: Derbeste Organist der Welt soll aus Borlänge kommen. Zwei Monate später hatten wir Mats. mats: Ich hab‘ sieangerufen und gesagt, daß ich mitmachen will.

Gustaf: Wir sind gemeinsam aufgewachsen, waren in einer Klasse. Mats kommt sogar aus der gleichen Straße. Ich Depp hatte einfach nicht an ihn gedacht.

Zuletzt wart ihr mit The Bravery auf großer Englandtour. Ihr habt England noch immer nicht geknackt wurmt euch das?

GUSTAF: Weißt du was? Deswegen ist Deutschland das glücklichste Land der Welt. Weil wir groß sind, aber noch nicht zufrieden. Ihr seht Mando Diao vor 3.000 oder 40.000 Leuten und wir sind nicht zufrieden. Weil wir die USA und England noch erobern müssen. Die größte, die beste Band in Deutschland und immernoch nicht zufrieden. Mann, das ist, als würde man die Beatles sehen, als sie noch hungrig waren!

Die Beatles waren bzw. wurden mit den Jahren auch als einzelne Künstler herausragende Persönlichkeiten. Wie sieht es da bei euch aus ?

Gustaf: Okay, fangen wir mit CJ an. Vorsichtig, weil er nicht da ist. CJ ist… Samuel: CJ ist DER Musiker in der Band! Gustaf: Das ist Samuel. Ich suche die Worte und er findet sie. CJ… ist manchmal fast zu gut. Er kam in die Band, weil er super aussieht. Wenn du aussiehst wie Lennon und den Baß spielst wie McCartney, bist du in Mando Diao.

Ich finde, er ist ganz bemerkenswert nett.

Gustaf: Stimmt, CJ ist der Netteste in der Band. Er ist halt nicht aus Borlänge. Er hat nicht diese schlechten Eigenschaften mit auf den Wegbekommen.

Jetzt kommt das wieder mit Borlange. Ich war auf der Webside der Stadt – ich kann einfach nicht glauben, daß das so ein Getto ist, wie ihres in Interviews immer wieder behauptet.

Gustaf; Das ist aber so! Aber das würden die doch nicht auf der Homepage schreiben. Erst vor zwei Wochen hat sich jemand aus unserem Bekanntenkreis umgebracht. Das war ein guter Junge, aber er hing mit den falschen Leuten ab. 23 Jahre alt, erhängt. Ein Klassenkamerad von Björn hat sich zu Schulzeiten umgebracht. So ist das dort. Wenn sie nicht erschossen werden, bringen sie sich um. Das einzig Gute, das je aus Borlänge kam, war die Musik. Das sind wir und Jussi Björling, der Opernsänger. Außerdem haben wir das beste Festival in Schweden, „Peace And Love“, und den besten Club des Landes, die „Hurricane Bar“. ]eden zweiten Freitag geht es da ab wie im Atomic Cafe in München.

Aber zurück zu den Persönlichkeiten von Mando Diao…

Gustaf: Gehen wir zu Björn. Björn ist der Unberechenbare. Du denkst, du kennst ihn, und … Björn: Du wirst mich nie kennen, Kumpel! Gustaf: Ich kann’s immer noch nicht fassen, was er für ein Genie ist. Und er weiß es nicht mal! Dann kommt er mit einem neuen Song an, und du fragst ihn:

„Weißt du überhaupt, was das für ein Song ist!?“ Ja, nun, ein Song halt.“ „Nein, Björn. Es ist DER Sorc,g.'“Björn macht Spaß. Wenn erbetrunken ist, ist er wie John Lennon. Dann pinkelt er auf Nonnen, kreischt und beginnt Ringkämpfe und führt Zaubertricks vor. BJÖRN: Der einzige, der mich kennt, bin ich selbst. Gustaf: Weil du dich uns nicht mitteilen kannst. Deswegen hast du all diese Geheimnisse. Björn hat keine Ahnung. Deshalb schreibt er so tolle Songs. GUSTAF: Jetzt Mats. Mats kann nicht lügen. Deswegen ist er ein so guter Rockstar. Weil alles, was er tut, echt ist. Mats hat Karma. Er hat das, was die Polen Kavorka nennen. Mats ist der Kramer der Band.

Björn: Er hat Locken und verfickte braune Augen, dieses kleine Stück Scheiße.

Gustaf: Ich habe zu Mats aufgeschaut, als ich aufgewachsen bin. Weil er immer all den schlechten Dingen aus dem Weggegangen ist. mats: Vielleicht bin ich naiv. Ich fand Borlänge auch immer ganz nett. Ich sehe immer nur das Gute.

Und als nächstes: Samuel.

Gustaf: Samuel hat die meiste Aggression. Der kann explodieren.

Samuel: Das ist zwar alles unter der Oberfläche, aber wenn ich sauer werde, werde ich richtig sauer. BJÖRN: Kleine Dinge können sehr wichtig sein für Samuel. Wenn der Bühnensound ihn nervt, dann können wir die beste Show aller Zeiten gespielt haben, aber er schmeißt backstage Stühle durch die Fenster. Gustaf: Und das tut er nicht, um Rock’n’Roll zu sein. Letzten Monat hatten wir einen Kampf. Ich konnte rechtzeitig einen guten Treffer landen, das hat mich gerettet. Ich hatte echt Angst. Samuel ist ein Pitbull.

Kommt das öfter vor, das ihr euch kloppt?

Björn: Klar, wir sind Brüder!

Damit fahren wir beim Münchner Hotel der Band vor. Band und Crew checken ein. Björn und Gustaf kommen zuerst zurück. Gustaf ist ungeduldig. Er will ins Atomic Cafe, der Hurricane Bar Münchens: „Die anderen sollen im anderen Bus hinterherkommen. Wir fahren JETZT los!“ Den Schluß des Interviews bestreiten Gustaf und Björn alleine.

So, Gustaf, du fehlst uns noch.

Gustaf: Ich kann mich selbst beschreiben. Björn: Das würde dir so passen. Das ist sowas von typisch! Aber wenn ich nicht damit umgehen könnte, daß Gustaf so ein Arsch sein kann, wäre er nicht so ein enger Freund von mir.

Du suhlst dich in der Rolle als Popstar, oder? Als wir vorhin durchs Publikum gingen, trugst du einen au fälligen weißen Hut, als wolltest du erkannt werden.

Gustaf: Die Rolle steht mir sehr gut. Björn: Das mit dem Ego ist natürlich eine ganz offensichtliche Sache bei Gustaf. Er hat auch noch eine zweite Seite, eine sehr sensible Seite. In Interviews zeigt er die natürlich nicht.

Gustaf: Ich kann mich doch nicht verstellen. Die Leute haben auf mich gewartet, ich habe ihnen nur die Show gegeben, die sie sehen wollten. Björn: Gustaf hat halt dieses große Maul. Weil er aus einer Familie kommt, in der immer diskutiert wird. Gustaf: Wenn ich nur fünf Minuten daheim bin, gibt’s schon Streit. Carl (der Blonde von Sugarplum Fairy -Anm.d. Red.) bricht immer welchen vom Zaun. Ich bin kein Troublemaker und mit Victor (der Sugarplum-Frontmann) verstehe ich mich so gut, daß wir nicht mal reden müssen. Aber Carl, das ist der Stille in der Familie, aus dem es immer wieder rausbricht. Er ist der größte Rockstar.

BJÖRN: Das ist der größte Unterschied zwischen Gustaf und mir. Ich war der kleinste Bruder, Gustaf dagegen hat drei kleine Geschwister. Er mußte auf sie aufpassen, auf mich wurde aufgepaßt. GUSTAF: Ansonsten sind unsere Familien praktisch gleich. Alte Kommunisten, die ihre Marx- und Lenin-Bücher verstecken, wenn Besuch kommt. Meine Mutter war in Stalingrad und auf Kuba, mit meinem Vater war sie in einer Band und hat Protestlieder gesungen. Björn: Unsere Eltern sind alle im Sozialwesen tätig. Das war eine große Sache in den 70ern in Schweden. Man mußte was für die Allgemeinheit tun, Lehrer werden oder Drogenberater. Als ich 14 war, hat meine Mutter gesagt: „Björn, ende nicht wie ich. Sieh zu, daß du ordentlich Geld verdienst.“

Gustaf: Genau das hat mir meine auch gesagt. Wenn du dir unsere Eltern anschaust: Da geht es nicht ums Leben, da geht es ums über die Runden Kommen. Du bist drei Tage im Monat reich, und den Rest des Monats kratzt du die Münzen zusammen. Und deswegen wollen wir reich sein.

Halt, ihr wollt doch nicht überall herumerzahlen, daß ihr mit der Musik vor allem Geld machen wollt.

Björn: Wieso nicht? Daß ich Musik liebe, ist doch keine Frage. Das weiß ich, seit ich vier war und zum ersten Mal die Beatles gehört habe. Gustaf: Wenn du die Wahl hast, genau zu tun, was du willst, und kein Geld zu verdienen – oder genau zu tun, was du willst, und Geld zu verdienen, nehme ich doch die zweite Option. Wenn du nie Geld hattest, willst du endlich welches haben. Ich jedenfalls will das schnelle Auto und das Zimmer im Fünf-Sterne-Hotel und ich will am Pool sitzen und Shrimps essen. Oder was immer es ist, was die Reichen essen.

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