Die Ärzte – Köln, Rhein Energie Stadion
Die ganz klar beste Leistung im Miingersdorfer Stadion seit langer Zeit: Die Ärzte pfeifen das neue Jahr an.
Es hörte sich an wie ein blöder Witz: die Ankündigung eines Open-Air-Konzerts an Silvester. Klar, dass es hierzulande nur eine Band gibt, die sich so etwas ausdenkt: die Ärzte aus Berlin. Allerdings schien ihre Heimat für derlei Blödsinn ungeeignet; für so eine bekloppte Party braucht man das richtige Umfeld, also wurde nun das Stadion in Köln gerockt. Lange vor Weihnachten stand fest, was außerhalb des Ärzte-Universums wohl wieder wenige für möglich gehalten hatten: Das Konzert war ausverkauft, 45.000 Fans wollten „Ärzte statt Böller“ sehen.
Schon Wochen vorher wurde in Fanforen diskutiert, ob Rettungsdecken denn wohl genügend wärmen und ob da die silberne oder die goldene Seite nach außen gehört.
„Es wird kalt, aber das ist mir egal, Hauptsache die Ärzte!“, brachte einer die Fansicht auf den Punkt. Um neun sollte es losgehen, bereits vier Stunden vorher öffneten die Tore. Man hätte also insgesamt über sieben Stunden in der Kälte stehen müssen – wenn es denn kalt gewesen wäre. Doch es wurde eine schöne, laue Frühlingssilvesternacht. „Klimakatastrophe I love you -hier stehen Leute im T-Shirt vor der Bühne!“, freute sich Farin Urlaub.
Für gute Unterhaltung sorgten bereits im Vorfeld des Konzerts die Kölner Verkehrsbetriebe, die ihre Bahnen allen Ernstes für 23 Uhr beteitstellten. Ein netter Gedanke: Um elf schmeißt die Band die Leute aus dem Stadion, die dann den Jahreswechsel an der Haltestelle oder in der Bahn verbringen. Solche Scherze nehmen Bela B. und Farin Urlaub gerne auf: „Wir haben 12 Uhr33 und nicht mehr viele Songs!“ Dann strecken sie ihr Programm mit Comedy-Einlagen, bei denen sie sich – wie gewohnt und immer wieder gern genommen – necken und streiten wie ein altes Ehepaar. Bassmann Rod Gonzalez hört sich die Scherze mit stoischer Ruhe an. Er hat seine Auftritte später: beim „Vi Lovesong“ erscheint er auf der Videoleinwand umrahmt von einem hübsch-kitschigen Herz, „Dinge von denen“‚ fängt er allein am Klavier an, bevor Bela und Farin in Ganzkörperkostümen als Hase und Huhn dazustoßen. Damit rockt es sich nicht sehr komfortabel, also werden die Tiere dem Publikum vorgeworfen. Ein Fan vor der Bühne darf sich einen Song wünschen; ausgerechnet „Zitroneneis“. Bela: „Als Farin den geschrieben hat, war derTag, als du gezeugt wurdest.“
„Das ist die längste Setlist der Bandgeschichte“, stöhnt Farin, „38 Songs! Wir mussten sogar proben! „Sie spielen gern die charmanten Dilettanten, was freilich lange schon Koketterie ist. Ganz beherrschen sie die große Stadionbühne allerdings doch nicht: Bela B. verpasst seinen Einsatz, weil er an der ersten Reihe entlangläuft und auf einmal der Weg zurück zu seinem Minimal-Schlagzeug zu weit geworden ist. „Bei Uz wäre das nicht passiert“, lästert Farin, als habe er immer noch nicht ganz begriffen, dass seine Ärzte zumindest in Deutschland in einer Liga mit denen spielen. „Ich werdedasCefiihl nicht los,dass wir dieVorgruppe sind, aber die sind wegen uns hier!“, wundert er sich bei einem Blick ins Stadion; aus ganz Deutschland sind sie angereist, und das wären sie wohl auch, wenn die Ärzte in einer [auchegrube spielen würden. Belafarinrod machen die Touris mit einem Kölner Klassiker bekannt und covern Zeltingers „Müngersdorfer Stadion“. Der Rest des Abends besteht überwiegend aus Songs vom gerade erschienenen BAST OF-Album, dazu gibt’s einige der merkwürdigen älteren Stücke wie „Der lustige Astronaut“ und „Teddybär“, von Bela B. angekündigt als „dieKronjuwelen meiner bisherigen Kompositionskunst.“ Gegen Ende des Konzerts dann die Monsterhits: „Unrockbar“, „Westerland“ und „Zu spät“ machen das langsam abschlaffende Publikum wieder wach, dann wird das neue Jahr begrüßt, noch etwas weiter gerockt, und eine Viertelstunde nach Mitternacht ist die größte Silvesterparty der Stadt beendet. Die Fans sind mit Recht zufrieden: Sie haben die mit Abstand beste Leistung im Müngersdorfer Stadion 2006 gesehen – mal abgesehen von dem einen guten Spiel des FC gegen Schalke.>»www.bademeister.de