Die 50 geilsten Songs des Jahres 2024 – laut Linus Volkmann
Die 50 großartigsten Stücke eines anstrengenden Jahres. Eine kommentierte Hitliste – handverlesen von Linus Volkmann.
35 Brigitte Calls Me Baby – „The Future Is Our Way Out“
Ich möchte für euch auch nicht nur der Typ sein, der vornehmlich queere, linksradikale, deutschsprachige Power-Sauf-Hits channelt. Zum Glück gibt es im Rezensionsteil des Musikexpress die Rubrik „Krieg der Sterne“. Da muss man als Mitarbeiter:in jeden Monat ein Dutzend aktueller Alben hören und bewerten. Der zuständige Redakteur nimmt bei der Plattenauswahl quasi gar keine Rücksicht auf meine notorische German-Pop-Fokussierung. So stoße ich zwangsläufig auf viel internationale Acts – und was soll ich sagen? – geschadet hat es mir nicht. Ich kann viel eher nun zum Beispiel diese Band empfehlen. Irgendwo zwischen The Smiths und den Killers. Crooner-Pop, bei dem man sich intuitiv die beiden obersten Hemdknöpfe öffnen möchte.
34 Lena Stoehrfaktor – „Beton auf der Zunge“
Lena Stoehrfaktor habe ich zum ersten Mal live gesehen dieses Jahr in Leipzig – und zwar bei dem hinreißenden Emo-Birthday-Bash zu Ehren von 25 Jahre Mrs. Pepstein (Radioshow und Person). Seitdem gräme ich mich, dass ich hinsichtlich Lena zwar immer dachte, sie sei eine verdiente Akteurin, die Rap schon seit Ende der Nullerjahre nicht den ganzen Typen-Dullis überlassen wollte – aber ich dachte auch, dass ihre Kunst heute arg Old School wäre. Was soll ich sagen? Es stimmt! Aber Old School in diesem geilen Sinne: Lena performt, vom Laptop kommen die Sounds und jemand spielt echte Drums. Ganz viel Groove, super tight und, sorry für den nächsten Anglizismus, larger than life.
Ich plane, 2025 einige Fehler zu wiederholen, aber Lena Stoehrfaktor zu unterschätzen, gehört garantiert nicht dazu. Nach der Show habe ich ein T-Shirt gekauft, seht mich darin nächstes Frühjahr begeistert rumlaufen!
33 John Grant – „Father“
John Grant war früher mal bei The Czars, wer die noch kennt, und kommt aus den USA. So viel zu den minimalen journalistischen Basics meiner Liste hier. Darüber hinaus sei gesagt: Wofür ich stets einen Soft Spot habe … Storytelling-Pop, in dem es um das verkorkste Verhältnis zur eigenen Familie beziehungsweise in diesem Fall zum Vater geht. Allein aber auch schon dieser Sound und diese Stimmung von dem Stück… Gebt euch!
32 Porridge Radio – „Anybody“
Und noch mehr ausagierte Sehnsucht. Vielleicht sollte ich mal in mich reinhorchen, warum ich dieses Jahr gerade an diesen verzweifelten Stücken getragen von schwermütiger Grandezza hängengeblieben bin. Ach, aber man kann es sich doch eh schon denken …
31 Jacques Palminger und das 440 Hertz Trio – „Ich bin kein Roboter“
Jacques Palminger, das ist Joker von Studio Braun (Rocko Schamoni, Heinz Strunk und er). Im Gegensatz zu seinen beiden emsigen Kollegen scheint Palminger entrückt und eher sporadisch einfach bloß geile spleenige Kunst machen zu können. Aber irgendwie hat er sich auch damit über die Jahrzehnte recht weit hochgeknabbert. Umarmt mit mir seine aktuelle Ausformung destilliert in diesem Song und Clip.
30 Sorry 3000 – „Hinterm Kreissel“
Unsere Goldstücke aus Halle an der Saale haben weiter Melancholie in ihren verschmitzten Electro-Pop verwoben. Danke für alles und darüber hinaus. Jetzt dranbleiben, Leute! Das bürgerliche Leben ist doch nichts für euch.
29 Mina Richman – „Baba Said“
Schon 2022 hat dieses Stück Mina Richman viel Aufmerksamkeit beschert. In die Verzweiflung nach dem Mord an Jina Amini durch die iranische Sittenpolizei wurde „Baba Said“ zu einem viralen Hit. Also Teil des Soundtracks dazu, wie das misogyne Mullah-Regime wankte unter der Protesten – vornehmlich von jungen Frauen. Der Struggle dauert bis heute an und dieses Jahr erschien das Stück dann auch noch mal auf dem sehr hörenswerten Debüt-Album GROWN UP von Mina Richman.
28 Mine – „Ich weiß es nicht“
Dass Mine schier unaufhaltsam zu einer immer zentraleren Figur im hiesigen Musikzirkus wird, stimmt mich fast etwas versöhnlich mit „dem Markt“. Aber wie könnte das hier auch nicht verfangen? Großer Pop, der bei aller Panoramahaftigkeit nie das Intime einbüßt.
27 Jenny Thiele – „Loonie“
Für mich einer der Ohrwürmer des Jahres. Während ich das hier schreibe, hat mein Hirn schon wieder die Nadel aufgelegt … Loooooonieeee. Herrje, das werde ich die nächsten Stunden (Wochen?) nicht mehr los. Zum Glück bin ich dem hinreißenden Pophandwerk von Jenny (ehemals bei Fortuna Ehrenfeld) eh verfallen. Das hier hat man gern auf den Lippen. Nächstes Jahr kommt dann ihr erstes Solo-Album auf Deutsch. Just saying!
26 Noga Erez – „Vandalist“
„I sleep with one eye open / My shoes always on“. Wie viel Atmosphäre passt in drei Minuten Song? Die in Tel Aviv geborene Songwriterin hat es ausgereizt. Hymnischer Flüster-Pop.