Die 50 besten Platten des Jahres 2018
Wir haben abgestimmt und die (subjektiv) einzig wahre Liste erstellt: Das sind die 50 Favoriten der ME-Redaktion und somit die besten Alben des Jahres 2018. Ha!
Platz 19: The Good, The Bad & The Queen – MERRIE LAND
Warner (VÖ: 16.11.)
Damon Albarn ist der Harrison Ford der Popmusik: Wo Letzterer erfolgreich zu seinen ikonischen Rollen als Han Solo, Rick Deckard und bald auch wieder als Indiana Jones zurückkehrt, setzt Albarn nach langjährigen Pausen seine Karrieren mit Blur, Gorillaz und nun auch mit seiner Allstar-Gruppe TGTB&TQ fort. Elf Jahre nach deren Debüt hat Albarn einen resignierten Abschiedsbrief an die EU mit elf wehmütigen Folksongs vertont. Ein musikalisch unaufgeregter Kommentar als Ausgleich zu den aufgeregten Zeiten seines Entstehens. Wenn der depperte Brexit für eine Sache gut war, dann für dieses Album. Stephan Rehm Rozanes
Platz 18: Christine & The Queens – CHRIS
Because/Universal (VÖ: 21.9.)
Der Sound von CHRIS schmiegt sich eng an den Post-Disco-Boogie der frühen 80er und ist so elegant und mühelos ansteckend wie viele Daft-Punk-Songs. Trotz der herrlich grell schimmernden Popsongs ist Hélöise Letissiers zweite Platte vor allem der Triumphzug eines Charakters, mit dem sie sich radikal neu erfunden hat und der so smart und geschmeidig ist wie sie selbst. Chris, dieses so strotzende wie flüchtige Zwitterwesen (männliches Auftreten, weibliche Perspektive), ist ihre Hülle: ihr Vehikel für die brennenden Fragen nach Gender und Identität. Annett Scheffel
Platz 17: Jon Hopkins – SINGULARITY
Domino/GoodToGo (VÖ: 4.5.)
Wie soll man weitermachen, wenn man schon ein Meisterwerk erschaffen hat? Jon Hopkins hat sich diese Frage wohl fünf Jahre lang gestellt – so lange ist her, dass er mit IMMUNITY seinen Durchbruch landete. SINGULARITY führt soundtechnisch durch gewohnte Gefilde, Hopkins erschafft sphärische Klangwälder irgendwo zwischen IDM und Ambient und streut ein paar tanzbare Beats dazwischen. Trotzdem reicht es nicht ganz an die Genialität des Vorgängers. Ein extrem hoher Maßstab, an dem er da gemessen wird? Stimmt. Den hat er sich aber selbst zuzuschreiben. Laura Aha
Platz 16: Mitski – BE THE COWBOY
Dead Oceans/Cargo (VÖ: 17.8.)
Wenn ein Künstler nach Jahren fruchtlosen Schaffens auf einmal Erfolg findet, landet sein ignorierter Backkatalog in der Regel ganz schnell und mit PR-Tamtam in den Plattenläden. Mitski Miyawaki ging nach dem Achtungserfolg ihres 2016er-Albums PUBERTY 2 einen kreativeren Weg. Statt ihre alten Platten wiederzuveröffentlichen, zeigte sie auf BE THE COWBOY alle deren Facetten: Da war das Piano des Frühwerks, gepaart mit der Gitarre, die die letzten beiden dominierte. Sie halten diese Indie-Rock-Dramen fest, die Mitski mit ihrem aufwühlenden Gesang immer wieder bewusst an den Rand der Parodie schiebt und so zur Selbstreflexion zwingt. Stephan Rehm Rozanes
Platz 15: Janelle Monáe – DIRTY COMPUTER
Warner (VÖ: 27.4.)
The Future of Gender als fleischfarbene, perfekt produzierte Pop-Utopie: Kein/e andere/r hat es im Jahr eins nach #MeToo fertiggebracht, offensive Pussy Power in so effektive wie lustbetonte Popsongs zu verpacken wie Janelle Monáe. In 14 knalligen, tanzbaren und vom 80er-Funk ihres Mentors Prince beeinflussten R’n’B-Nummern bringt sie so ziemlich alle Statements unter, die sich in Sachen weiblicher Selbstermächtigung und befreiter Sexualität im Jahr 2018 aufdrängen. Vor allem: „If you try to grab my pussy, this pussy grabs you back!“ Annett Scheffel
Platz 14: Drangsal – ZORES
Caroline/Universal (VÖ: 27.4.)
Max Gruber hat Mut bewiesen. Mut, den erfolgversprechenden 80s-Pastiche seines Debüts HARIESCHAIM vom Indie-Rock- und Gothic-Dancefloor zu zerren und statt der Universalpopsprache Englisch auf dem nahbaren Kunstwerk ZORES fast ausschließlich auf Deutsch zu singen. Auf Zeilen wie „Gegen die Wände meines Herzens halten hundert junge Jungs heiße Kerzen, doch du schaust nur hilflos zu“ und Songs wie „Magst du mich“ hätte auch Farin Urlaub auf IM SCHATTEN DER ÄRZTE gestanden. Fabian Soethof
Platz 13: Kamasi Washington – HEAVEN AND EARTH
Young Turks/XL/Beggars/Indigo (VÖ: 22.6.)
Wer im Jazz Erneuerung sucht, schaut eher auf die hochaktive Szene in London oder lauscht, wie sich auf dem progressiven Chicagoer Label International Anthem kämpferische Kräfte vereinen. Und doch taugen Kamasi Washington und die noch mächtigere, rauschhaftere, orchestrale(re) Neuinszenierung des spirituellen 60s-Jazz auf seinem zweiten Album als potentes Symbol der Selbstermächtigung, nicht nur für die afroamerikanische Community. HEAVEN & EARTH ist wilde Schönheit und sogar Aufruhr und pumpt zweieinhalb Stunden Geist und Glauben in die Welt. Oliver Götz
Platz 12: Die Nerven – FAKE
Glitterhouse/Indigo (VÖ: 19.4.)
Auch Die Nerven durchlaufen diese Verfeinerungsprozesse, denen längerlebige Bands nur durch unfassbare Stur-/Stumpfheit oder notorisches Hakenschlagen entkommen können. Ihr viertes Album ist deshalb eine typische Früher-waren-sie-besser-Platte in den Augen alter Fans. Sie dehnen sich darauf im gleichen Maß stilistisch aus, werden sogar beinahe poppig im postpunkigen Design und befreien sich krautrockend von der Enge, wie sie zu immer noch größeren Verdichtungen fähig sind (mit Explosionsfolge)! Die Texte? Unromantisch-missmutig. Musik zur Zeit. Oliver Götz
Platz 11: Arctic Monkeys – TRANQUILITY BASE HOTEL + CASINO
Domino/GoodToGo (VÖ: 11.5.)
„I just wanted to be one of the Strokes“, singt Alex Turner am Anfang dieser Platte, weiter: „Now look at the mess you made me make“. Eine der letzten verbliebenen großen Rockbands versucht auf dem sechsten Album, keine Rockband mehr zu sein, oder genauer: eine Rockband, die keine Rockmusik mehr macht. Stattdessen spielen die Briten in den 60er-Jahren grundierten, aber mit sehr gegenwärtigen Beklemmungen ausgestatteten 60s-Pop zwischen Soundtrack und Kammermusik. Eine ebenso überraschende wie gelungene Emanzipation von der eigenen Geschichte. Jochen Overbeck
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