Die 50 besten Platten des Jahres 2015
Wer hat 2015 das Rennen gemacht? Future Soul, 90s-Indie, HipHop, gar Jazz oder doch das sogenannte Austropop-Revival? Eine große Jury hat entschieden: Das sind die 50 besten Platten des Jahres.
Platz 6: Blur – THE MAGIC WHIP
Parlophone/Warner (24.4.)
Die ersten Gitarrenakkorde des Openers vertrieben die Nervosität: Das ist Graham Coxon und so klingt er nur mit Blur. Markig und dennoch voll kleiner, niedlicher Raffinessen – anders als auf seinen rohen, fast rücksichtslos anmutenden Soloplatten. „Lonesome Street“ war die perfekte, alles und alle vereinende Single nach sechzehn Jahren – zwölf, zählt man das Coxon-lose THINK TANK von 2003 mit. Schloss in all seiner Britishness, am eindeutigsten mit dem Verweis auf eine Zugfahrt in die Kleinstadt East Grinstead ausgedrückt, an die frühen Jahre der Band an, ließ mit einem Syd-Barrett-Gedächtnis-Mittelteil aber auch Platz für die spätere Psychedelia und fegte mit einem flott gepfiffenen Outro-Hook die nach Damon Albarns melancholischem Solodebüt von 2014 bestehende Besorgnis hinfort, Blurs Wiederkehr könne nur ein Trauerspiel werden.
Mit dem schunkeligen Sommerhit „Ong Ong“ – der natürlich kein kommerzieller Hit war, wir schreiben ja nicht mehr 1995 – samt aufwendigem Gag-Video in bester „Coffee And TV“-Tradition wurde diese Fröhlichkeit sogar noch überboten. Live wie selbstverständlich gerne zwischen die Schwergewichte „Parklife“ und „Song 2“ gesetzt, wusste die Band, welchen instant classic sie da geschaffen hatte. Das aufbrausende „I Broadcast“ knüpfte an die Pavement-Phase der Band Ende der 90er an, „My Terracotta Heart“ besiegelte das Ende der jahrelangen Fehde zwischen Coxon und Damon Albarn und das abschließende „Mirrorball“ gesellte sich zu dem nachdenklichen Material von THINK TANK in ein Seelenstübchen, in das man sich nur ganz selten traut.
Musikalisch also wie ein Best-of des bisherigen Schaffens der Band, wäre Albarn nicht er selbst, wenn er nicht auch etwas zur Gegenwart zu sagen hätte und in die Zukunft blicken würde: „There Are Too Many Of Us“ ist sein über einen Marsch-Beat gelegtes Statement zur Überbevölkerung; „Ice Cream Man“ erinnerte an das Pekinger Tian’anmen-Massaker von 1989 und mit dem Albumtitel – die Peitsche, whip, steht für die chinesische Regierung – mahnte er vor einer drohenden Wiederholung solcher Ereignisse. THE MAGIC WHIP entstand während einer Tourzwangspause in Hongkong, zufällig. Aber, wie heißt es so schön: Der Zufall ist die in Schleier gehüllte Notwendigkeit. … und 2016 dann wieder Gorillaz. Stephan Rehm
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