Deutschland sucht den Inselaffen
Die Mediengruppe Telekommander nimmt andauernd nur Drogen und kann in Deutschland relaxen - oder auch nicht.
Es war keine gute Zeit für Popmusik in Deutschland: Zwischen der ersten Staffel von „Deutschland sucht den Superstar“ Ende 2002 und dem Aus für „Fast Forward“ Ende 2004 mischte sich der Verwesungsgeruch des Musikfernsehens mit der Flatulenz des Castingpop zu einem modrigen Dunst aus Oberflächlichkeit und Beliebigkeit. Es war eine gute Zeit für eine Band mit Standpunkt: Nicht zuletzt dem Überdruß der denkenden Jugend schreibt Florian Zwietnig es zu, daß die ersten EPs der Mediengruppe Telekommander in diesen Jahren als Erweckungserlebnis gefeiert wurden. „Es war wichtig, daß da jemand ist, der noch eine Meinung vertritt, der noch was sagt.“ Das haben er und Gerald Mandl getan, auch auf ihrem Debüt DIE GANZE KRAFT EINER KULTUR schnell war die Rede von einer Repolitisierung des Pop. Mit Bands wie Von Spar und Die Türen wurden sie einer „Bewegung“ zugerechnet, einer „Szene“, die mit den Mitteln von Elektro, Punk und HipHop eine neue Form des Agitpop aus der Taufe hob und zum erstenmal seit den Goldenen Zitronen Party und Diskurs auf einen Nenner brachte. Was dabei gerne übersehen wurde: Die heute eng befreundeten Bands kannten sich zum Zeitpunkt ihres Durchbruchs untereinander gar nicht warum sie zur gleichen Zeit auf die gleiche Idee gekommen waren, ist auch Florian Zwietnig ein Rätsel. „Es gibt eine Untersuchung, daß Affen auf irgendeiner Insel lernen, eine Frucht zu essen, und man hat festgestellt, daß zur selben Zeit Affen auf einer anderen Insel das auch lernen – obwohl sie nicht miteinander kommunizieren konnten. So ein ähnliches Phänomen ist das. Musikalische Evolution.“ Ausgeburt des neuen Zeitgeistes war auch der Narionalstolz-Debatten-Sampler I CAN’T RELAX IN DEUTSCHLAND – ob die Mediengruppe dort aufgrund von Vertragsquerelen nicht vertreten war oder doch aus eigenem Antrieb, ist selbst bandintern umstritten. Zwietnig ist im Nachhinein jedenfalls froh, sich nicht beteiligt zu haben: „Dieses übertriebene Pro-Deutsch/Anti-Deutsch-Gerede war etwas, womit wir echt überballert wurden. Ich fand das unheimlich lästig. Das war so übersättigt und oft auch so banal diskutiert.“Seitdem haben sich die Zeiten geändert, die Hochphase der politisierten Popmusik ist abgeklungen, und dem trägt auch die neue Telekommander-Platte NÄHER AM MENSCHEN Rechnung. „Uns war wichtig, von der Makro-Betrachtung, der allgemeinen Marken- und Medienkonsumkritik mehr auf persönlichere Themen zu gehen.“ Das geht bis hin zum rein selbstreferentiellen „Bild dir deine Meinung“, das die Erlebnisse in der Rockmühle rekapituliert. „Zum Beispiel die Anekdote von unserem Tourabschluß 2004 in Berlin, als ein Freund ein Mädchen im Taxi gefragt hat:, Und, wie hat’s dir gefallen?‘ Und sie meinte: „Es war okay, aber ich hab gehört, der eine von denen nimmt andauernd nur Drogen, und dasfind ich nicht geil.“ So sind sie halt, die Rezeptionsgewohnheiten des Pop – so einfach ändern die sich nicht.
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