Der unaufhaltsame Aufstieg des Mickie Most


Mit den Animals und Hermans Hermits verdiente er seine erste Million, mit Smokie, Susi Ouatro, Donovan und Hot Chocolate kamen noch etliche hinzu. Mittlerweile hat der 5Ojährlge Produzent und Plattenchef 180 Millionen angehäuft - und den Kanal noch lange nicht voll. In seinem selbstentworfenen Londoner Palast verriet er uns die Geheimnisse des Erfolgs.

Wenn ich es kann, kann’s jeder“, sagt Mickie Most. Und meint damit, ohne einen Pfennig anzufangen und nach 30 Jahren 180 Millionen schwer zu sein. Most besitzt vier Plattenstudios und einen Musikverlag, Anwesen in und um London sowie in Cannes („mindestens 70 Millionen wert“), zehn Autos und so ziemlich alles, was sonst noch viel Geld kostet.

Wie viele Selfmade-Männer hat er sich mehr auf seinen Instinkt als auf akademische Meriten verlassen und mißt Erfolg eher in Mark und Pfennig als in intellektueller Vervollkommnung. Auf der anderen Seite ist er äußerst bemüht, auch normalen Sterblichen auf die Karriereleiter zu helfen. Beschäftigen wir uns also zunächst mit Mosts Zehn Geboten auf dem Weg nach oben:

1. Werde dir frühzeitig über deine Ziele klar. „In meiner Phantasie befand ich mich schon als Kind in Hollywood“, sagt er, „während die übrigen Jungs nie über den Horizont meiner kleinkarierten Heimat Cricklewood hinausschauten.“

2. und 3. Sei selbstbewußt und ehrgeizig. „Die einzige Möglichkeit, wie du mit weniger als nichts anfangen und ungeheuer erfolgreich werden kannst, ist Selbstbewußtsein und der Wille, etwas zu erreichen. Die meisten Leute schaffen’s nicht, weil sie es nicht genug wollen. Du mußt so stur sein, daß du an hundert Türen klopfen kannst, dir hundertmal ,Nein‘ anhörst und trotzdem weitermachst.“

4. Fang so früh wie möglich an. Je älter du wirst, desto schwieriger ist es, selbstbewußt und ehrgeizig zu sein.“

5. Versuche niemals, etwas vorauszuberechnen, sondern lerne aus Erfahrungen. “ Wenn du alles im voraus analysierst, passiert einfach nichts“, sagt er. „Besser eine falsche Entscheidung als gar keine. Wenn sie falsch war, lerne daraus.“

6. Erledige so viel wie möglich selbst – sei dein eigener Finanzexperte, Rechtsanwalt und, wie Most, möglichst auch noch Koch. Innenarchitekt und Schreiner. „Ich bin überzeugt“, sagt Mickie, „daß einem Rechtsanwälle. Buchhalter, Zahnärzte und solches Volk nur schaden – und daß zum Beispiel Börsenmakler ein schlechter Witz sind. Wenn sie recht haben, warum sind sie dann nicht genauso reich wie ich?“

7. Vergeude deine Zeit nicht mit Büchern. Mickie hat in seinem Leben kein einziges Buch gelesen.

8. Halte dich körperlich fit. “ Wenn ich das Gefühl habe, heute läuft nichts“, sagt er, „trainiere ich, und dann läuft es.“

9. Kümmere dich um die kreative Seite und überlasse die Knochenarbeit den anderen.

10. Das Einzige, was du nicht beeinflussen kannst – deine Stellung in der Familie. Mickie, drittes von vier Kindern, hält das für eminent wichtig. „Es sind immer die zweitjüngsten, die es schaffen. „

Ich erreiche nur zwei Punkte auf der Most-Skala und lasse mich bar jeder Hoffnung auf dem sahnefarbenen Sofa im Wohnzimmer nieder. In dem im Südstaaten-Kolonialstil gehaltenen Anwesen im Londoner Vorort Tottenridge wohnt er mit Christine, mit der er seit 30 Jahren verheiratet ist. Sie haben einen Sohn und zwei Töchter – Calvin, 25, mit der Gruppe Johnny Hates Jazz selbst schon erfolgreich und nicht mehr im Schöße der Familie lebend, Nathalie, 10, und Cristalle, 6. Das Anwesen ist sein neuestes Projekt. Er kaufte das Grundstück, ließ das vorhandene viktorianische Gebäude abreißen und baute an seine Stelle die Deluxe-Version für in Pension gehende Vorstandsvorsitzende. Die Augenweide ist seit einem Jahr fertig, hat 14 Säulen auf der Vorder- und 17 Rundbögen auf der Rückseite.

Man lebt in 30 Zimmern, davon allein sieben Schlafzimmer. Zu jedem gehört ein eigenes Badezimmer – nur die Suite des Ehepaars Most hat zwei, eins für ihn (in schwarz-weißem Marmor) und ein weiteres für sie (auch Marmor, aber in zärtlichschmeichelndem apricot gehalten).

Zwischen den Gästezimmern und den Kinderzimmern bestehen kaum Unterschiede – alle sind mit Doppelbetten und marmornen Badezimmern ausgestattet. Die Eingangshalle beherbergt einen gigantischen Kronleuchter, der eine Vierteltonne wiegt und in der Tschechoslowakei nach eigenen Entwürfen angefertigt wurde.

In der großen Küche hat man die Wahl zwischen fünf Herden – z.B. einen für Pizza und einen für Wok-Gerichte – sowie einen Grill fürs Barbecue und einen Backofen für den Sonntagskuchen.

Mickie hat das Haus selbst entworfen, nachdem er acht Jahre vergeblich nach etwas Passendem gesucht hatte. Je älter ein Haus aussieht, desto besser – deshalb habe ich mich für einen klassischen Stil entschieden. Und dieser Südstaaten-Kolonialstil hat etwas von .Vom Winde verweht‘. Frauen mögen das.“

Es hat etliche Millionen mehr als erwartet gekostet. „Nicht so sehr das Haus selbst, eher die Innenausstattung. Wenn du erst mal Geschmack dran gefunden hast, fällt dir auf, daß der Kronleuchter für 15.000 doch nicht so gut aussieht, und dann nimmst du eben den für 100.000.“

Alles ist modern. „Ich hasse Antiquitäten – ich muß immer an die tote Großmutter denken, die mal in diesem Stuhl gesessen hat.“

Trotz der gigantischen Ausmaße des Hauses ist Most immer erreichbar. Es gibt zehn Telefone mit insgesamt 27 Anschlüssen; wenn es klingelt, hört man das über eine Lautsprecheranlage in jedem Zimmer.

Alles ist so furchtbar aufgeräumt, daß man das Gefühl hat, sich in die Kulissen zu „Denver“ oder „Dallas“ verirrt zu haben. Selbst die Autos vor dem Haus haben genau abgesteckte Parkplätze. Am erstaunlichsten sind jedoch die Kinderzimmer. In beiden wurde eine Auswahl großer Plüschtiere geschmackvoll in einem Wandregal arrangiert, ansonsten hegt nichts herum, was gewöhnlich in Kinderzimmern herumfliegt. Man könnte das vielleicht noch verstehen, wenn die beiden Mädchen im Internat wären, aber unglücklicherweise sind sie zu Hause: Die eine sitzt vor dem Fernseher, die andere baut aus kleinen farbigen Bauklötzen eine ungeheuer gerade Linie auf dem makellosen Teppich.

Im Keller sieht es natürlich auch nicht so aus wie bei Hinz und Kunz.

Außer dem Weinkeller und dem Heizungsraum ist er ausschließlich für des Hausherrn körperliche Fitness reserviert. Es gibt einen 40 Meter langen Swimmingpool mit hydraulischen Glastüren, die im Sommer geöffnet werden können, eine Sauna und ein holzgetäfeltes Sportstudio mit 100 Gold- und Platin-Schallplatten an der Wand. Nirgendwo auch nur das kleinste Bißchen Durcheinander.

Selbst in der überdimensionalen Garage steht alles an seinem Platz. „Ich kaufe eigentlich nicht dauernd Autos, ich bringe es nur nicht fertig, eines abzustoßen, wenn ein neues dazukommt. Insgesamt sind es zehn – vier sind in Frankreich – unter anderem ein Bentley, ein Rolls Royce, ein Cadillac und vier Porsches.“

Mindestens dreimal die Woche schicke ich die Köchin nach Hause und koche selbst“, fährt er fort. „Heute abend kommen ein paar Gäste zum Essen, und ich koche etwas Einfaches – Filetsteak mit Gänseleberpastete, im Blätterteigmantel gebacken. Dazu gibt es gratinierte Kartoffeln und drei verschiedene frische Gemüse. Ich mache keine Wissenschaft draus. Bei mir werden keine Zutaten abgemessen und ich habe in meinem Leben noch kein Kochbuch gelesen. Ich habe noch nie irgendein Buch gelesen, nicht einmal eine Zeitung, jedenfalls nicht vollständig. Ich schau mir nur die Bilder und die Schlagzeilen an.“

Der Wein kommt aus dem hauseigenen Keller. „Ich lagere 600 Kisten Bordeaux. In den 60ern habe ich die Flasche für 15 Mark gekauft, mittlerweile kosten sie 130. Ich gebe gerne Dinner-Parties, nehme aber selten Einladungen an, weil ich sehr empfindlich bin, was Vibrations angeht, und alles unter Kontrolle haben möchte. Ich bin nicht sehr gesellig, ich suche nicht dauernd nach neuen Freunden. „

Kocht seine Frau auch?

„Sie hat wenig Chancen, in die Küche zu kommen, weil entweder die Köchin oder ich schon drinstehen.“

Ich gebe zu bedenken, daß es in der Schickeria-Welt, in die er sich hineingearbeitet hat, sehr unüblich ist, so lange mit der selben Frau verheiratet zu sein. Er lacht. „Sie hat bloß mein wahres Ich noch nicht entdeckt. Nein, entweder bist du ein Playboy oder du bist es nicht. Ich bin es nicht, und sie ist ein braves katholisches Mädchen. Ich sehe sie nicht als ,Frau über 40′. Für mich ist sie zeitlos. So wie deine Mutter. Sie bleibt immer deine Mutter, verstehst du?

Vielleicht fliegt deswegen bei mir auch nie ein Auto aus der Garage. Sie haben ja auch niemandem was getan.“

Gab es irgendeinen Grund für die 16 Jahre Unterschied zwischen Calvin und der ersten Tochter Nathalie?

“ Wir haben das bewußt so entschieden. Als meine Frau 36 wurde, habe ich zu ihr gesagt: Wenn wir die Familie noch vergrößern wollen, wird es jetzt Zeit. Deswegen kam Nathalie. Und dann dachten wir, daß ein Einzelkind keine gute Sache ist, also kriegten wir noch eins.

Ich bin kein besonderer Kinderfreund. Ich kaufe ihnen keine Geschenke, weil ich den Sinn von Spielzeug nie eingesehen habe. Ich glaube nicht, daß Geschenke das Wichtigste im Leben sind. Aber ich nehme die Kinder oft mit. Ich gehe mit ihnen ins Restaurant – und sie benehmen sich sehr damenhaft.

Und ich versuche ihnen beizubringen, wie sie unabhängig werden können, damit sie keine Jungs brauchen, die sie zum Essen ausführen oder im Auto mitnehmen – sie werden ihr eigenes Auto haben, verstehst du? Ich möchte, daß sie Individualisten werden, keine kichernden Dummchen. „

War es immer sein Ziel, reich zu werden?

„Ich war immer ehrgeizig. Es ging mir nicht so sehr um Geld oder Macht, sondern einfach um eine andere Art zu leben.“ (Er kommt aus einfachen Verhältnissen – der Vater war Berufssoldat). „Ich hatte nicht vor, mein ganzes Leben in einem Vorort im Norden von London zu sitzen. Heute würde man sagen, es törnte mich ab. Wenn dir das frühzeitig klar wird, hast du schon mal einen guten Anfang gemacht.“

Er verließ die Schule mit 15 und wollte zunächst Schauspieler werden, aber „es war so verdammt langweilig und ich mußte um fünf Uhr morgens aufstehen, deswegen kam ich drauf, es mit der Gitarre zu versuchen, weil die Rock’n‘ Roller alle erst mittags aufstehen.“

Seine erste Million machte er mit 24 als Promoter. Zwischen 1964 und 1984 verkaufte er 400 Millionen Platten, hatte 22 Nr.-Hits in Amerika, 15 in England und gründete 1970 seine eigene Plattenfirma RAK.

Wie hat er sich in der harten Welt der Popmusik durchgeboxt?

Most ist erstaunt. „Sie ist nicht brutal – und ich auch nicht. Ich habe von all diesen Drogen gehört, aber ich muß sagen, ich habe nie selber welche gesehen. Ich würde Haschisch, Kokain oder Heroin nicht mal erkennen, wenn du mir einen Sack davon auf den Küchentisch stellst.“

In der Unterhaltung mit ihm tauchen solche Ausdrücke oft auf und wie immer hat er auch dafür eine Erklärung. „Ich versuche, in meiner Sprache Wörter oder Ausdrücke zu verwenden, die echt klingen, am besten noch mit einer Prise Humor. Ich mag Sprüche wie einen guten Architekten zu finden ist genauso schwer wie eine Jungfrau in Bangkok. “ Er lacht. „Alles klar? Wenn ich auf so etwas stoße, verwende ich es so lange, bis ich’s nicht mehr komisch finde.“

Nachdem er im Musikgeschäft alles erreicht hat, wechselt er jetzt allmählich das Betätigungsfeld. “ Vor etwa drei Jahren dachte ich: Jetzt bist du 47 und machst dieselben Sachen, seit du 17 bist. Es wird Zeit, etwas Neues anzufangen. Als nächstes werde ich in Manhattan ein Hotel für Leute aus der Unterhaltungs-Branche bauen.“ Obwohl die Bauarbeiten noch nicht begonnen haben, plant er die Eröffnung für Silvester 1991; ähnliche Hotels in London, Rom und Sydney sollen folgen.

Klingt nach einer Menge harter Arbeit. „Nein, ich denke mir die Sachen nur aus und besorge mir dann Leute, die sie realisieren.“

Zweifellos wird er noch einige Millionen mehr anhäufen. Braucht er all das Geld?

„Geld zu haben bedeutet Freiheit, also wäre es ziemlich blödsinnig, keine haben zu wollen, oder?“

Für Mickie bedeutet Freiheit unter anderem, so lange zu schlafen wie man will. „Dann gehe ich ins Badezimmer, überfliege die Zeitungen und komme auf einen heißen Zitronensaft runter.“

Von da ab klingt sein Tagesplan eher wie eine Do-it-yourself-Folteranleitung. Zunächst geht er in den Fitnessraum „auf 240 Übungen“. Darauf folgt ein 5000-Meter-Lauf, weitere 1500 Meter auf dem Laufband [kurzer Sprint“), 50 Bahnen im Swimmingpool, ein Saunagang und anschließend ein Sprung ins eiskalte Abkühlungs-Becken draußen, „um den Kreislauf anzuregen“.

„Danach fühlst du dich fantastisch“, sagt er. „Eine der besten Sachen, die man ausgezogen machen kann. Motorradfahren ist übrigens mit das Beste, wenn man sich wieder angezogen hat.“ (Er besitzt eine massive Honda Goldwing GL 1500/6.).

Dieses brutale Programm dauert mindestens eine Stunde und wird sieben Tage in der Woche absolviert. Während die meisten Leute hinterher wohl zu erschöpft wären, um sich überhaupt noch zu bewegen, macht sich Mickie, meistens auf dem Fahrrad, auf den Weg zu seinem Studio im Londoner Stadtteil St. John’s Wood. „Ich mache nichts selber. Ich beaufsichtige nur die anderen. „

Viele Millionäre haben ihr gesamtes Vermögen fest angelegt. Wieviel Bargeld könnte Mickie in den nächsten fünf Minuten auftreiben?

Für die Antwort braucht er weniger als eine. „Sieben Millionen“, sagt er.

Gibt ihm das nicht eine ungeheure Sicherheit?

„Das kann man so nicht sagen. Reich sein ist relativ. In Cannes gehört das Haus hinter meinem König Hussein, das Haus gegenüber dem Herrscher von Qatar. und das auf der anderen Seite der saudischen Königsfamilie. Die haben im Gegensatz zu mir alle Wächter rund ums Haus und sie geben wahrscheinlich an einem Abend im Casino soviel aus, wie ich in meinem Leben verdient habe. Die müssen mich für einen Bettler halten.“