Der Tod Des Gurus


Jahrelang schwebte der Geist Bowies über ihm. Jetzt schüttelte iggy Pop den Schatten des Meisters endgültig ab und erzählte ME/Sounds-Mitarbeiter Roger Mallard alles über den Fluch des Curus.

Lange bevor Billy Idol Furore machte, galt ein anderer als Prototyp des Vorzeige-Rebellen: Jim Osterberg. besser bekannt als Iggy Pop. Mit stolzen 41 Jahren hat Iggy nun ein neues Kapitel seiner chaotischen Karriere aufgeschlagen, das er selbst „die Emanzipation vom großen Guru“ nennt: der Schritt aus dem Schatten des großen Meisters David Bowie, der Iggy über lange Jahre hin als Mentor. Produzent oder Songwriter zur Seite stand, allerdings auch wie ein Fluch über der Kreativität des asketischen Amerikaners hing. Instinkt leitete Iggy Pop schließlich zur eigenen Identität, und so benannte er folgerichtig auch sein neues Album INSTINCT, auf dessen Cover er gewohnt abweisend dem Betrachter ins offene Auge blickt.

Schon die äußerliche Veränderung vom Punk zum Pilzkopf deutet den musikalischen Umschwung vom kantigen Waver zum saftigen Rocker an. Hauptverantwortlicher für die harte Gangart ist neben Iggy Gitarrist Steve Jones, Ex-Sex Pistol und eine der Gallions-Figuren der Punk-Metal-Fusion. Wie kam es zur Trennung von Bowie. der lange Zeit nicht nur Iggys Vorbild, sondern fast schon seine Vaterfigur war?

„Es wurde für mich höchste Zeit, daß endlich Klarheit darüber herrscht: Hier drückt Iggy Pop seine Gedanken und Gefühle in Musik und Worten aus. Iggy Pop — niemand anders! Damit wir uns nicht mißverstehen: Ich bin weiter gui mit David befreundet, aber als in meinem Freundeskreis einmal der böse Begriff von der .Marionette Bowies‘ auftauchte, wußte ich. daß ich mich endgültig abnabeln muß. Sicher, ich bewundere David, aber wir haben uns nie geschworen, daß er bis ans Ende meiner Tage meine Platten produziert.“

Dann aber läßt Iggy doch die Katze aus dem Sack und verrät, daß er eigentlich nicht einmal BLÄH BLÄH BLÄH mit David hatte zusammen machen wollen. Es war Bowies Wunsch gewesen…

„Daß wir BLÄH BLÄH BLÄH gemeinsam vorbereiteten und David schließlich produzierte, lag daran, daß er mich inständig darum bai“. erzählt Iggy. „David sagte tatsächlich zu mir:. Würdest du mich bitte dein Album produzieren lassenT. David dachte, er habe bei früheren Produktionen versagt, weil es ihm nicht gelungen war, mich und meine Musik einem größeren Publikum zugänglich zu machen. Er bat daher um die Chance, gemeinsam Erfolg zu haben. „

Zu diesem Zeitpunkt beugte sich Iggy Pop endgültig den geschäftlichen Aspekten, die in der Zusammenarbeit mit Guru Bowie auf der Hand lagen.

„Ich dachte, wenn ich die Platte mit David mache, redet uns wenigstens keiner rein. So hat im Endeffekt David eine solide Vertrauens-Basis zwischen mir und meiner damals neuen Plattenflrma A&M geschaffen. Ein Werk, an dem der große Meister Bowie mitgewirkt hatte — da wagt doch kein Plattenfirmen-Mensch auch nur den Ansatz von Kritik. „

Natürlich muß Igey zugehen, daß BLÄH „BLÄH l’l AH in erster Linie Bowies Geschmack widerspiegelt und nur zum kleinsten Teil seinen eigenen. Aber für die Geschäftsbeziehung zu seiner Plattenfirma, zur Vertrauensbildung in den als launisch und störrisch verschrienen Musiker erwies sich die letztmalige Arbeit des Tandems Bowic/Pop als sehr nützlich und existenzsichernd.

„Ich hatte keinen einfachen Stand, weil ich als Spinner galt. Zudem waren die Verkaufszahlcn meiner Platten nicht so hoch, daß ich als sichere Bank galt. Letztcmllich gab mir die von David produzierte Scheibe erst die Möglichkeit, jetzt mein eigenes /)/’«? durchzuziehen.“

INSTINCT, von Bill Laswell (Material) transparent und doch rockig scharf produziert, weist Iggy als Energiebündel aus. als einen Sänger, der die ungezügelte Power endlich wieder ungehemmt rausläßt. Iggys Image als selbstzerstörerischer Nihilist blieb dabei natürlich fast zwangsläufig auf der Strecke „Stimmt genau. Jetzt endlich besitze ich das Selbstvertrauen, die Lebenskämpfe, auf die ich mich einlasse, auch zu gewinnen. Die meisten meiner früheren Songs basieren auf der Überzeugung, daß ich bei Konflikten der Verlierer sein würde. Deswegen stellte ich an den Schluß von RAW POWER den Song ‚Death Trip‘, weil ich wußte: Die Plattenindustrie will mich aufs tote Gleis schieben, hält mich für einen armen Irren.“

Erleichtert über die Wandlung vom „Depressivo“ zum „Explosivo“ ist auch Iggys japanische Ehefrau Suchi, die den Umerziehungs-Prozeß im Privatleben durchfocht. Sie war es. die Iggys Kreativität in andere Bahnen lenkte, ihn zum Malen, zur Schauspielerei (Nebenrollen in „Sid and Nancv“ oder „Die Farbe des Geldes“) animierte.

„Ich muß heule der Welt nicht mehr vorjuhren, wie besoffen, wie kaputt ich bin, wieviele Mädchen ich aufs Kreuz legen kann. Ich habe meinen Frieden gefunden, will in Ruhe meine Musik machen, mit meiner Frau zusammenleben und mich um meinen Kram kümmern — ohne aller Welt dauernd auf die Füße zu treten. Der Guru Bowie ist tot – ich bin jetzt mein eigener Guru!“