Der Talentierte Mr. Riepl
CBS hat sich Lastfm einverleibt. Das kennt man. Nun ersetzt CBS seine klassischen Sender durch Last.fm-Play- lists. Das ahnte man. Doch welche Auswirkungen hat dies auf die Radiolandschaft? Das weiß nur ein Altphilologe.
Wer etwas kauft, der will es auch benutzen. Genau damit scheint der amerikanische Medienriese CBS (Columbia Broadcasting System) nun begonnen zu haben, nachdem er sich vor zwei Jahren die Internetmusikseite Last.fm gegönnt hat: Für mehr als 280 Millionen US-Dollar verfügte sich Last. fm damals unter die Fittiche des US-Multis. Dem gehören, neben verschiedenen TV-Sendern, rund 140 Radiostationen. Nun sind die ersten dieser Sender abgeschaltet – und durch eine Art „Best of Last.fm“ ersetzt worden. Gekauft hatte CBS das Onlinenetzwerk angeblich, um „eine jüngere Zielgruppe für unsere Medienangebote zu gewinnen“. Nun benutzt CBS sein neues virtuelles Spielzeug, um weniger profitable Medienangebote nach und nach vom Markt zu nehmen. Die ersten vier klassischen Radiosender hat es bereits erwischt. Auf den ersten Blick erscheint diese Entwicklung logisch, fast zwingend. Schließlich trägt das „Internetradio“ – gegründet 2002 vom Österreicher Martin Stiksel, dem Deutschen Felix Miller und dem Briten Richard Jones – einen programmatischen Namen: Last.fm, das sollte das „letzte“ und ultimative Radio sein. Eines, das alle anderen Sender überflüssig macht, weil es mit seinen Nutzern auf eine Weise interagiert, wie es den herkömmlichen UKW-Sendern unmöglich ist. Hier können am Computer nicht nur selbstgenerierte Songlisten gehört werden, das System empfiehlt überdies „ähnliche Titel“, so wie man das auch vom Internetkaufladen Amazon kennt. Die Folge ist der Eindruck eines schier unbegrenzten Zugriffs auf nahezu alles, was jemals jemand aufgenommen hat, verbunden mit einem clever programmierten virtuellen Kompass durch dieses unüberschaubare Klangdickicht. Insgesamt 600 Millionen abgespielte Titel pro Monat sind in der Last.fm-Datenbank gespeichert, das tendenziell irre Endziel der auf Wachstum fixierten Macher ist denn auch tatsächlich der problemlose und schnelle Zugriff auf alle bisher veröffentlichten Musikstücke. Ermöglicht wurde das nicht nur über die Software, sondern auch über Lizenzverhandlungen mit allen nennenswerten und auch ein paar obskuren Labels. Geld verdient wurde dabei kaum, und wenn, dann über Provisionen für via Last.fm verkaufte Platten. Kaum also hatte sich das Projekt die Marktführerschaft in Europa und damit an die Schwelle zur Profitabihtät herangepirscht, kam CBS des Weges und unterbreitete ein Angebot, das kein Startup-Unternehmer hätte ablehnen können. Einer der ersten Schritte nach der Übernahme war, Nutzern außerhalb Europas den Zugang zum Streaming-Service zu versperren. Nu n war Last.f m, wo der Hörer sein eigener Programmdirektor ist, ursprünglich die perfekte und längst überfällige Alternative zu den Dauerschleifen aus betulichem Stumpfsinn, den der Dudelfunk tagaus tagein verzapft. Nach dem Motto „Mach’s dir doch selber“ werden hier im Internet selbst die ausschweifendsten musikalischen Interessen bedient.
Leider sind es nun als Erstes ausgerechnet ambitioniertere und mutige CBS-Radiosender, die durch Last.fm ersetzt werden. Und damit durch die jeweils aktuelle Last.fm-Top-Ten, derzeit also Muse, die Beatles, Radiohead, Coldplay, Kings Of Leon, Red Hot Chili Peppers, Metallica und die Killers – Musik also, die auf Radio 1 an einem schlechten Tag und beim „Zündfunk“ gar nicht erst gesendet würde. Wenn man das Prinzip von Last.fm aus dem Netz in ein ganz anderes, älteres Medium wie den Äther übersetzt, kann es dort nur verstümmelt ankommen. Fragt sich: Kommt es gut genug an, um dem guten, alten Radio wirklich gefährlich zu werden? Wer sich beruhigen will, darf sich sehr gerne an das legendäre „Rieplsche Gesetz“ erinnern, nach dem niemals ein neues Medium je ein altes ganz verdrängt habe. Allerdings stammt diese These des Altphilologen aus dem Jahre 1913 und bezog sich auf das Nachrichtenwesen der alten Römer. Wirklich problematisch hingegen ist, dass nun empfindliche Nutzerdaten (Benutzernamen, Profile, IP-Adressen) von registrierten Last.f m-Usern beim Verband der US-Plattenindustrie (RIAA) gelandet sind. Wie sich inzwischen herausstellte, hat nicht Last.fm, sondern ein CBS-Mitarbeiter eigenmächtig die Daten an die RIAA weitergegeben. Was auch immer der mächtige und klagefreudige Verband damit vorhat, es wird nichts Gutes sein. Denn wer etwas kauft, der will es auch benutzen. www.lastfm.de