Der Rebell der Biederkeit: Ezra Furman & The Boyfriends im Bassy Club
Hier fegt Ezra Furman auch noch selbst: Beim Konzert im Berliner Bassy Club im Prenzlauer Berg herrschten tropische Temperaturen, doch Schweiß hin oder her, Zuschauer wie auch Band lassen sich davon nicht den Spaß verderben.
Es ist schummrig, an den Wänden hängen mit Atemmasken bestückte Pferdeköpfe und allmählich füllt sich der im Charme der 50er und 60er Jahre eingerichtete Bassy Club im Prenzlauer Berg. Plötzlich ertönt ein kleiner Knall, als eine Bierflasche zu Boden fällt. Nichts Ungewöhnliches in einem solchen Club. Allerdings ist es durchaus etwas Besonderes, dass der jeden Moment die Bühne betretende Hauptact des Abends eifrig dabei mithilft, die Scherben an die Seite zu kehren. Aber so ist Ezra Furman, dessen Anhängerschaft groß und beständig genug zu sein scheint, dass es ihn am Samstag (20.09.2014) mit seinen Boyfriends ein zweites Mal in diesem Jahr für ein Konzert nach Berlin verschlägt.
Dennoch bleibt der eigensinnige Singer-Songwriter publikumsnah und vor allem auf dem Boden der Tatsachen. Im Gegensatz zu dem Auftritt am 29. Januar, bei dem der Dandy der Neuzeit mit einem Blumenkleid für Aufsehen sorgte, ist er diesmal deutlich seriöser gekleidet: mit Hemd und Krawatte. Man könnte fast schon von einer gewissen Spießigkeit sprechen, wenn nicht die mit Kajal umrahmten Augen und der Lippenstift ein solches Urteil sofort widerlegen würden. Deutlich kann man ihm die Vorfreude auf die Show ansehen, und als das zerbrochene Glas aus dem Weg geräumt und ein Beruhigungsbierchen geleert ist, kann es um 21:30 Uhr dann auch endlich losgehen. Der Vorraum zur Bühne ist zum Bersten gefüllt, sodass in dem eh schon sehr warmen Ambiente bald tropische Temperaturen herrschen. Doch Schweiß hin oder her, Zuschauer wie auch Band lassen sich davon nicht den Spaß verderben.
Knapp eineinhalb Stunden verausgaben sich die Musiker und ziehen das Publikum mit ihrem Sound, der zwischen Folk, Pop und Rock’n’Roll changiert, in seinen Bann. Bei „Take Off Your Sunglasses“ wird die Kombination aus Gitarre, Schlagzeug, Saxophon, Maracas und Bass um eine Mundharmonika erweitert, die Furman scheinbar mühelos in seinen Gesangspausen zum Klingen bringt. Neben ironischen Titeln wie ‚I Killed Myself But I Didn’t Die’ beweisen die Musiker auch beim Covern großer Welthits, so zum Beispiel „Like A Virgin“, wie unverkennbar ihr Stil ist. Und auch der Frontmann selbst ist einzigartig, fast schon ein kleiner Rebell, sowohl in seinem Aussehen als auch in seinem unverwechselbaren Gesang. Als die Band die Bühne genauso plötzlich verlässt, wie sie sie zu Beginn betreten hat, ahnt die vollkommen schweißdurchtränkte Masse, dass dies noch nicht der krönende Abschluss ist. Und richtig: die 5 Musiker kommen für eine Zugabe zurück und geben ihre Version des Carpenters-Erfolges ‚Please Mr. Postman’ zum Besten.
Danach verschwindet die Band ohne großes Aufsehen von der Bühne. Bescheiden eben und sympathisch. Fast schon schüchtern rückt Ezra noch eine Gitarre zurecht. Nicht nur bei Bierscherben legt der Sänger gerne Hand an, auch bei einer chaotischen Bühne sorgt er wie selbstverständlich für Ordnung. Nachdem das geschehen ist, begibt er sich verzückt lächelnd in den Backstage-Bereich und hinterlässt ein nicht minder glückliches Publikum.