Der rasende Rapper
Ein Computerspiel brachte Michael B. Schmidt alias Smudo von den Fantastischen Vier auf den Geschmack. Seither gibt er den Rennfahrer. Und dabei macht er eine erstaunlich gute Figur. Der MUSIKEXPRESS kletterte mit in sein Cockpit.
Müde sieht er aus, aber auch irgendwie glücklich. Der schicke Rennanzug, darunter die feuerfeste Unterwäsche, der Helm mit den Sponsor-Aufdrucken. Smudo ist einer von ihnen, einer von rund 130 Rennfahrern, die an diesem Wochenende reichlich Gummi am Nürnberger Norisring lassen werden. Nachdenklich stiefelt er vom VIP-Zelt des Volkswagen-Teams zu seinem blauen, 204 PS starken Renn-Beetle. Ein Blick gen Himmel: Slicks oder Regenreifen?
Seit kurzem beschäftigt die vielleicht elementarste aller Rennfahrer-Fragen nicht mehr nur die Schumi-Brüder, Häkkinen, Coulthard & Co., sondern auch Deutschlands populärsten Rapper. Seit etwa einem Jahr ist Smudo Inhaber der C-Lizenz, was dem Führerschein für Rennfahrer entspricht.
Nach einigen Promi-Rennen in Auto und Kart steigt Smudo in diesem Jahr mit größerem Ernst und Ehrgeiz aufs Gaspedal: Er zählt zum offiziellen Fahreraufgebot im New Beetle Cup. Zehn Rennen umfasst die Saison, zwei hat Smudo bereits bestritten genügend, um sich hoffnungslos mit dem Speed-Virus zu infizieren: „Früher hatte ich diesen Kick bei unseren Konzerten. Doch mittlerweile stehen wir seit über zehn Jahren auf der Bühne, da packt man das schon ruhiger und gelassener an. Die Rennfahrerei ist dagegen ein neues, faszinierendes Terrain für mich.“ Dabei war Smudos Beetle-Premiere am Hockenheimring ein echter Flop gewesen – sein Auftritt endete bereits in der dritten Runde im Kiesbett. Doch schon beim zweiten Start am 16. Juni in Montreal fuhr der 32jährige Fanta-Vier-Rapper sein erstes Asphalt-Erfolgserlebnis ein: Platz zehn (von
16 Startern). Dass bei diesem Rennen lediglich zehn Fahrer die Ziellinie überquerten, konnte die Freude des Renn-Novizen nicht trüben. Mit etwas über einer Minute Rückstand auf den Sieger zog sich der Frischling im Renn-Zirkus damals allemal respektabel aus der Affäre. Vor allem, da er – im Gegensatz zu den meisten Rennfahrer-Kollegen – mitnichten auf eine jahrelange Karterfahrung zurückblicken kann. Smudos PS-Leidenschaft entfachte nämlich erst vor circa drei Jahren, und das völlig lärm- und gefahrlos und ohne auch nur einen Tropfen Benzin zu vergießen: „Es gibt da ein Computerspiel, das simuliert ganz hervorragend die Formel-1-Saison von 1967. Man muss richtig trainieren, um schneller zu werden. Dabei bin ich auf den Geschmack gekommen.“ Nachdem sich Michael B. Schmidt, so Smudos bürgerlicher Name, ja ohnehin für die Musiker-Nachwuchsförderung der Volkswagen Sound Foundation stark macht, war der Kontakt zur Wolfsburger Autoschmiede schon mal hergestellt. Und da der 1999 erstmals ausgerichtete New Beetle Cup nicht so richtig auf Touren kam und Promotion bitter nötig hatte, kam Smudo als namhafter Fahrer gerade recht.
Doch es gibt auch die Kehrseite der Promi-Medaille. Während am Rennwochenende die Kollegen den Kurs zu Fuß abgehen können, um sich jede Bodenwelle und Unebenheit genau einzuprägen, sitzt Smudo schon wieder in einer Pressekonferenz, um über sei- ne neue Renn-Leidenschaft zu schwadronieren. Während die anderen PS-Jünger im VI P-Zelt gemütlich bei Kaffee und Kuchen sitzen oder sich mental auf die anstehende Rundfahrt vorbereiten, schreibt unser Smudo Autogramme oder gibt Fernseh-Interviews. Als Medien-Profi weiß er, dass dieser Promotion-Ramba-Zamba zum Geschäft gehört – zum aalglatten Schmuse-Smudo lässt er sich deshalb allerdings nicht verbiegen: „Gestern in der Pressekonferenz habe ich die S-Kurven immer SS-Kurven genannt. Schließlich liegt der Kurs am früheren Reichsparteitags-Gelände, mit all diesen Nazi-Mauern. Im Saal haben alle gelacht, nur der Vorstand fand das gar nicht so lustig.“
Am Abend zuvor war jedoch auch Smudo das Lachen vergangen. / Erst hatte er Mordshektik gemacht und das Zeittraining verfrüht abgebrochen, weil er mit dem Flieger zu einem Fanta-Vier- Konzert in die Schweiz düsen wollte – doch dann kam die böse Überraschung: Motorschaden! Die Maschine blieb folglich am Boden, und Frauenfels erlebte die Live-Premiere der Fantastischen Drei. „Es hat trotzdem funktioniert“, sagt Smudo erleichtert, während er seinen Flitzer inspiziert, „wir haben telefoniert und besprachen ganz sachlich, wie wir das Problem lösen können. Wir einigten uns darauf, das Programm umzustellen – und es hat geklappt. Die Jungs sind einfach Profis, da war auch niemand sauer in der Band.“
Kurz nach 16 Uhr. Noch gut eine halbe Stunde bis zum Start. Die Spannung steigt, nervöse Llnruhe macht sich bei den 19 Fahrern und ihren Mechaniker-Teams breit. Ein starker Wind spielt Regisseur und schiebt, wie zur Verstärkung der spannungsgeladenen Atmosphäre, bombastische Wolkenberge über das Renngelände, letzt ist auch Mark Warnecke an seinem roten Beetle eingetroffen. Der neue Schwimm-Europameister über 50 Meter Brust und Olympia-Favorit ist der zweite Promi im Beetle-Cup-Team und neben Smudo der meistgefragte Interview-Partner. „Hey Mark“, ruft ihm Smudo grinsend zu, „verrätst du mir heute dein Reifendruck-Geheimnis?“ Der Reifendruck ist die einzige Komponente, auf die der Fahrer Einfluss nehmen darf. Ansonsten sind alle Beetle-Renner technisch absolut identisch – gleiche Voraussetzungen für alle. Doch wer weiß, vielleicht hat der Schwimm-Crack tatsächlich die ideale Atü-Dosis gefunden? ledenfalls ist der Sportsfreund für einen Renn-Anfänger extrem schnell. Am Hockenheimring fuhr der 30jährige in seinem ersten Rennen auf Anhieb auf Platz fünf, im Zeittraining erkämpfte er sich ohne jede Streckenbesichtigung und nach nur einer Stunde Schlaf (Warnecke halte seine EM-Goldmedaille gefeiert) einen der vorderen Start-Plätze. Mit diesen Leistungen hat sich der Medizin studierende Modell-Athlet aber nicht nur Freunde im Starter-Klassement gemacht. Schließlich ist der Beetle Cup auch eine Nachwuchs-Liga, in der sich ehrgeizige Talente für höhere Aufgaben empfehlen möchten: „Der eine oder andere hat mich schon gefragt, ob ich ihn durchlasse“, schmunzelt Warnecke rückblickend, „ich habe geantwortet: Nur, wenn du an mir vorbeikommst.“
16.25 Uhr, noch 15 Minuten bis zum Start. Nacheinander stellt der Motodrom-Sprecher die einzelnen Fahrer im Peld vor. Der Pilot vom letzten Startplatz bekommt mit Abstand den lautesten Applaus der rund 90.000 Fans: Es ist Smudo. Schon ist es 16.37 Uhr, und aus den Lautsprechern dröhnt die Aufforderung, der wohl auch schon die Piloten in den 60er Jahren mit Herzklopfen Folge leisteten: „Gentlemen, please Start your engines.“ 19 Fahrer drehen heute gleichzeitig die Zündschlüssel ihrer knallfarbenen Gefährte um, die 2.800-ccm-Motoren entfachen einen Höllenlärm.
Noch wenige Sekunden, dann springt die Ampel um – und los geht’s. Wie an einer Schnur gezogen reihen sich die runden, dröhnenden Farbkleckse auf und beschleunigen auf gut und gerne 150 Kilometer pro Stunde. Mit vollem Speed geht es auf die erste Schikane zu, das Schöller-S. Im Gegensatz zu Formel-1-Rennen, die immer öfter beim Reifenwechseln entschieden werden, ist hier ständig Action angesagt: Tür an Tür, Reifen an Reifen
in die Kurven, es wird überholt, geschubst, geschnitten und ausgebremst. Keine Frage, die Fahrer kämpfen mit harten Bandagen. Das Rennen ist auf 25 Minuten angesetzt, Smudo hat mit seinem tollen Käfer mit der Nummer 18 einen guten Start erwischt. Schon nach wenigen Runden kann er Nikolas Flardt überholen.
Mit Reiner Schönauer, einem 41jährigen Kaufmann aus Ingolstadt, lieferte er sich schon beim letzten Aufeinandertreffen im kanadischen Montreal einen verbissenen Kampf. Damals hatte er Schönauer passieren lassen müssen, dieses Mal hat Smudo am Ende die Beetle-Nase vorne: In der letzten Runde schnappt er ihn sich, in einem riskanten Überholmanöver in einer Kurve. Als der Start/Ziel-Richter schließlich um 17.05 Uhr die schwarzweisskarierte Fahne schwenkt, um das Rennen zu beenden, liegt Smudo auf einem doch beachtlichen elften Platz. Zwei Kollegen hat er hinter sich gelassen, sechs weitere mussten das Rennen vorzeitig beenden – für Smudo unterm Strich ein Erfolgserlebnis der besonderen Art. Trotz eines Wochenendes mit jeder Menge Stress, Hektik, Anspannung und unzähligen Terminen leuchten seine Augen nach dem Rennen hellwach und euphorisch. Er ist Elfter geworden – und er fühlt sich wie ein Sieger. Wer will es ihm verdenken?