Der Prince fürs Volk
"Ich mache keine Interviews, ich mache Platten." Jahrelang war dieser Satz bei Prince Gesetz. Plötzlich ist alles anders: Photografen dürfen in die Hinterzimmer des Paisley Park, Mitarbeiter plaudern, ohne dafür gefeuert zu werden und nun gewährte der Meister sogar ein Interview. Sucht er die Volksnähe?
Wenn „Kohl spricht“ auf einem Plakat steht, denkt sich keiner was, denn das macht er öfters. „Prince spricht“ als Titelzeile der kommenden Ausgabe des amerikanischen „Rolling Stone“ hat da schon eine andere Qualität. Jener scheue Musik-Aristokrat, der seit Jahren in der Öffentlichkeit kaum mehr als „Yes“ oder „Love God“ von sich gegeben hat, soll auf einmal gesprächig geworden sein? „Ich wollte immer nur vermeiden“, offenbart sich Prince dem Stone-Reporter, „mich in Interviews entweder dauernd gegen nervende Fragen zu wehren, oder in einer Tour all die Lügengeschichten zu dementieren, die in den Medien über mich verbreitet wurden, “ Prince entpuppt sich in dem ausführlichen Gespräch als ganz und gar nicht mystisch-verklärter Spinner, eher schon als ziemlich normaler Musiker-Realist. So beklagt er sich über ein Magazin, „das mir ein Cover-Foto angeboten hat, unter der Bedingung, daß ich fünf schriftlich eingereichte Fragen beantworte. Schon die erste war vollkommener Quatsch: ‚Was genau bedeutet es für dich, an Gott zu glauben?‘. Nun, was soll ich darauf antworten, ohne dabei wie der letzte Trottel dazustehen?“
Obwohl er sich auf Tour täglich die aktuellen Prince-Berichte aus den Zeitungen und Zeitschriften faxen läßt, meint er: „Es gibt absolut nichts, was ich von dem Text eines Kritikers lernen konnte, es sei denn, er ist selber ein Musiker. Ich hasse es, den Blödsinn zu lesen, den sich irgendein Kerl am Schreibtisch über mich ausgedacht hat.“ Nur konsequent also, seine Weigerung, sich den Medien zu offenbaren. Doch woher kommt sein plötzlicher Sinneswandel, sich nun eine Woche lang von einem Journalisten begleiten zu lassen? In den ersten Jahren nach dem schnellen „Purple Rain“-Erfolg „war ich in einer Position, die mir keine andere Wahl gelassen hat. Du kannst dich entweder nur total zurückziehen und alle aufdringlichen Leute verfluchen, oder du offenbarst dich vollständig und versuchst, damit zu leben. Ich war immer ein Experte darin, die Leute vor den Kopf zu stoßen, um mich dann ohne einen Seitenblick aus dem Staub zu machen und nie wieder zu ihnen zurückzukehren. Ich muß das noch lernen. Ich werde wahrscheinlich immer lernen müssen. Aber ich glaube, daß ich inzwischen ein ziemlich netter Kerl geworden bin.“
Ziemlich nett von ihm auch, erstmals Fotografen in die bislang nicht zugänglichen Gemächer seiner Kultur-Fabrik Paisley Park zu lassen. Und noch viel netter von ihm, daß mittlerweile sogar engste Mitarbeiter wie seine Garderoben-Angestellten Jim Shearon und Helen Hiatt mit der Presse reden dürfen, ohne deshalb – wie früher eiserner Paisley-Brauch – fristlos gefeuert zu werden.
Die Klamotten-Räume samt Schneiderei liegen gleich hinter einem goldenen Käfig mit zwei gurrenden Tauben, die Prince vor Jahren von einem Fan geschenkt bekommen hatte (am Anfang war eine der Tauben dunkelviolett eingefärbt.
inzwischen ist die Farbe weitgehend rausgegangen). „Prince trägt ausschließlich maßgeschneiderte Kleidung, denn bei seinen 1,61 Meier Größe findet er nichts von der Stange“, erklärt der Garderoben-Assistent Jim Shearon, nur die Socken kaufen wir im Laden. “ Privat bevorzugt sein Chef im Moment „meistens den Gangster-Style – extra breite Sakkos in Purpur oder anderen kräftigen Farben – aus dem ‚Partyman‘-Video.“
Auch Helen Hiatt, langjährige Leiterin des Garderoben-Departments und Herrin über 1? Schneider. Näherinnen und Schnitt-Direktricen, spricht über die wechselnden Stylings ihres Chefs wie Kunstkritiker über die blaue Phase von Pablo Picasso: „Wir brauchen keinen Jean Paul Gaulner zu bezahlen. Unsere Designs kommen alle von Prince selbst. Seine Entwürfe sind so detailliert, daß wir sofort Schnittmuster davon anfertigen können.“
Mit der Schneiderei der aktuellen Tour-Klamotten ist die Stoff-Abteilung in Paisley gerade voll ausgelastet, Jedoch natürlich langst nicht so überarbeitet wie der Boss: „Graffiti Bridge“ läßt er komplett neu schneiden, nebenbei produziert er Alben für Rosie Gaines und Ingrid Chavez und auch die Tour-Proben stehen selbstverständlich an. – Dies alles ist Alltag für Prince, der sich allerdings einen guten Vorsatz in sein purpurrotes Notizbuch geschrieben hat, das er immer mit sich herumträgt: „Es wird der Tag kommen, an dem ich es schaffe, meine Zeit ordentlich einzuteilen und immer nur an einem einzigen Projekt zu arbeiten.“