Der Mann, der den Rolling Stones 70 Millionen Dollar zahlt
Beim Poker um die Stones-Tour hatte er die Asse im Ärmel: Mit einer Garantiesumme von 70 Millionen Dollar stach der 41jährige Kanadier Michael Cohl nicht nur die Konkurrenz aus, sondern machte den Rolling Stones die Rückkehr auf die Bühne mehr als schmackhaft
So mancher prüde Wall-Street-Broker wird sich die Augen gerieben und noch einmal hingeschaut haben, denn es stand in großen Lettern im Nobel-Wirtschaftsmagazin „Forbes“: „Michael Cohl fing mit einem Striptease-Laden in Ottawa an. Nun zahlt er zusammen mit seinem Partner Bronfman den Rolling Stones 70 Millionen Dollar, damit sie wieder auf Tournee gehen.“
Zwischen den Zeilen schwingt ein Unterton von Bewunderung mit – sogar in der seriösen Wirtschaftspresse. In Amerika hat man nun mal Respekt vor Leuten, die soviel Geld auf einmal auf den Tisch blättern können. Wer ist Michael Cohl? Zuallererst ein bärtiger Mann in Jeans und immer noch etwas längerem Haar. 41 Jahre alt. Kanadier. Und wenn er, dem man auf den ersten Blick keine Ellbogen-Mentalität zutraut, sondern mehr den kumpelhaften Ton, jemals ein Außenseiter gewesen sein sollte – seit dem Vertrag mit den Rolling Stones über deren Welttourne im Herbst ist er es ganz bestimmt nicht mehr. In der Branche selbst hatte er schon mehrfach für Furore gesorgt. Zuletzt, als er die Merchandising-Rechte für die Band Guns N‘ Roses erwarb. Drei Millionen Dollar schüttelte er aus dem Ärmel – für eine Rockgruppe, die zu diesem Zeitpunkt noch lange nicht so erfolgreich war wie heute. Michael Cohl gilt als der Mann, zu dessen Geschäftspolitik es nun mal gehört, mit derart hohen Zahlen um sich zu werfen, daß die Konkurrenten gleich den Schwanz einziehen. „Er hat die Einsätze verdoppelt“, kommentierte ein Manager von Cohls Konkurrenzfirma Winterland mißmutig und spielte damit darauf an, wie sehr die Konzertbranche dem Wettgeschäft gleicht. Doch reines Glücksspiel scheint sie nicht zu sein. Zumindest nicht für Leute, die aus ihren schlechtesten Erfahrungen mit Lehrgeld herausgekommen sind, das sie gerade noch bezahlen konnten. Cohl ist so ein Typ. Die Geschichte mit dem Strip-Schuppen in Ottawa klingt zwar spektakulär, doch so bedeutend war sie in seinem Leben nun auch wieder nicht. Schon 1970, als er einen Fuß in der Rockbranchen-Tür hatte, schloß er den Laden. Die Erfolgsaussichten sprachen eindeutig für das Konzertgeschäft. Kurz zuvor noch hatte er sich in Toronto in einer Halle für 18000 Besucher sein erstes geschäftliches Debakel eingehandelt: 25000 Dollar Verlust an einem Konzertabend. Immerhin fand er bei Freunden und bei dem Besitzer der Halle Kredit.
Das Vertrauen sollte sich rentieren. Mit einem Neujahrskonzert mit Johnny Winter und Rare Earth hatte er wenig später die Bude zum ersten Mal voll. Der Profit: 140 000 Dollar – das Einstiegskapital für die ersten geschäftstüchtigen Jahre. Cohl wurde der größte Tournee-Veranstalter Kanadas und schickte Grateful Dead ebenso durchs Land wie Frank Sinatra. Doch das Tournee-Business allein befriedigte ihn auf die Dauer nicht, zumal bei jeder Tour das Damokles-Schwert unkalkulierbarer Verluste über seinem Kopf schwebte. Heute hantiert er mit Broadway-Shows, Boxkämpfen und Tennis-Veranstaltungen. Seine unruhigen Augen ruhen bereits wohlgefällig auf dem nächsten Objekt, das er sich einverleiben möchte: eine Plattenladen-Kette.
Richtig erfolgreich wurde Cohl jedoch erst, als er den Merchandising-Markt entdeckte, das Geschäft mit T-Shirts, Sweat-Shirts, Buttons, Programmen, Schals und anderen Band-Memorabilien, das heute zu jedem Live-Auftritte gehört wie die Pest zum Mittelalter. Statt jedoch bei Null anzufangen, kaufte er Anfang der 80er Jahre gleich eines der größten Merchandising-Unternehmen auf. Die sechs Millionen Dollar, die er für den Erwerb benötigte, trieb er bei seinem alten Freund, dem Hallenbesitzer Harold Ballard aus Toronto auf. Zinsen: immerhin stattliche 20 Prozent. Das Geld war gut angelegt. Cohl wurde liquider und agierte beweglicher, konnte etwa mit der Jackson-Familie anläßlich deren „Victory“-Tour über ein Hintertürchen ins Geschäft zu kommen. Ergebnis: Cohl verdiente eine Million Dollar in 52 Tagen. Weil der Mann aus Ottawa wußte, daß er auch weiterhin mit großen Summen würde spielen müssen, schaute er sich nach einer neuen Finanzquelle um. Er fand sie in einem Bierbrauer, der immer schon viel Werbegelder ins Rock-Geschäft steckte. 45 Prozent seiner Firma CPI verkaufte Cohl – für 25 Millionen Dollar. Mit diesem Kapital konnte er nun ungerührt den Stones die 70 Millionen garantieren. Verdienen wird er im Rahmen der Tournee weniger an den Eintrittskarten. Auch diesmal hat er sich jedoch die Merchandising-Rechte gesichert. Der Cohl-Gewinn dürfte im achtstelligen Bereich enden. Nicht schlecht für einen Mann, der einmal bescheiden anfing: „Als ich im College war, wollte ich nur 12 Tage im Jahr arbeiten und dabei einige 1000 Dollar verdienen.“