„Der Dunkle Turm“-Kritik: Ein unendlich egaler Film
Belügt Stephen King seine Fans? Er scheint jedenfalls der Einzige zu sein, der die Verfilmung seiner Romanreihe nicht für eine Katastrophe hält. Für Kenner ist der Film beleidigend, für Neueinsteiger ein Actionfilm, jenseits der modernen Standards.
Die Verfilmung von Stephen Kings mehrteiliger Buchreihe, an der er über 30 Jahre arbeitete, war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Weil die sieben Bücher zu komplex sind, weil sie nicht einmal konstant ein Genre bedienen, von Fantasy und Western zu Thriller und Horror springen. Dazu kommt, dass selbst Hollywood-Größen wie Ron Howard daran gescheitert sind, ein vernünftiges Konzept zur Verfilmung zu entwickeln. Jahrelang wechselte das Filmprojekt „Der Dunkle Turm“ von Studio zu Studio, mit unterschiedlichen Besetzungen, Regisseuren und Ideen zur Umsetzung.
Nun ist der Turm also bei Sony gelandet, ein Studio, das seit einigen Jahren dringend auf der Suche nach einem Mega-Franchise ist, die komplexe Buchvorlage allerdings nicht so behandelt. 60 Millionen US-Dollar Budget wurden einkalkuliert, 95 Minuten Laufzeit werden von einem weitestgehend unbekannten Regisseur gefüllt. Die Marke Stephen King wird es schon richten, dachte man sich wahrscheinlich bei den Verantwortlichen.
Beschämende Schusswechsel
Nun ja: Die Marke King richtet es nicht. In den USA konnte der „Der Dunkle Turm“ zwar auf der Nummer Eins der Kinocharts landen, allerdings an einem der schwächsten Wochenenden des Jahres. Kritiker aller Länder zerreißen die Adaption, Leser der Buchreihe konnten schon durch die ersten Trailer erkennen, dass er nicht viel mit der Vorlage zu tun hat. Das Versprechen Sonys, der Film würde sowohl Kennern als auch Turm-Neulingen gefallen, verkehrt sich ins Gegenteil.
Denn ohne die Mythologie zu kennen, auf der „Der Dunkle Turm“ angeblich basiert, bleibt für die Kinogänger ein viel zu geradliniger Actionfilm. Eine „Fish out of water“-Geschichte, in der ein New Yorker Junge namens Jake (Tom Taylor) durch ein Portal auf einen Cowboy trifft, einige gruselige Kreaturen sieht und am Ende – Achtung, Spoiler! – erfährt, dass sein kindlicher Geist irgendwie einen Turm zerstören soll, der irgendwo steht und irgendwie das Universum zusammenhält. Die Welt retten ist hier einfach: Der Cowboy (Idris Elba) muss nur wieder ein legendärer Revolvermann werden und den Hexer Walter (Matthew McConaughey) erschießen. Die wirren 90 Minuten laufen auf einen beschämenden Schusswechsel hinaus, mit der Kugel in den Kopf des Schurken sind dann alle Probleme der Welt erledigt und das Heldenduo steigt in ein Portal, das sie in das nächste Abenteuer (Fortsetzung seitens Sony erwünscht) bringt. Gefühlt hat man diesen Film schon viel zu oft gesehen.Für Kenner und Neulinge nicht überzeugend
Das Gesehene wirkt wie ein Actionfilm aus einem anderen Jahrzehnt, die von King über Tausende von Seiten geprägten Romanfiguren werden hier mit dem ganz breiten Pinsel neu gezeichnet, bieten keine Anknüpfungspunkte. One-Liner sind wichtiger als echte Erklärungen für die Magie, die hier plötzlich in New York stattfinden soll. Für Zuschauer, die sich niemals in die ursprüngliche Geschichte eingelesen haben, hat Regisseur Nikolaj Arcel schlichtweg einen Actionfilm gedreht, in dem nicht einmal die Action überzeugt.
Für die Kenner der Buchvorlage hätte die schlechte Umsetzung der Geschichte ungleich schmerzhafter sein können, wenn Schlüsselmomente der Romane durch das unmotivierte Spiel McConaugheys in den Dreck gezogen würden. Aber schon nach wenigen Minuten Kino-Turm steht fest: Dieser Film ist dermaßen weit von der Ursprungsgeschichte entfernt, dass jeder Vergleich sinnfrei ist. Die sieben Turm-Bücher beginnen und enden mit dem Satz „Der Mann in Schwarz floh durch die Wüste, und der Revolvermann folgte ihm“. Weil Kings Geschichte die Pointe hat, dass das Abenteuer seines Helden ein unendlicher Kreislauf ist. Sony hat nun die eigentlich gute Idee gehabt, diesen ewigen Kreis zu durchbrechen, den Film als eine Art Fortsetzung zu den Büchern zu gestalten.
Stephen King scheucht die Leute trotzdem ins Kino
Diese fixe Idee ist aber nicht mehr als eine Ausrede, die Tatsache zu umgehen, dass die Bücher schlichtweg unverfilmbar bleiben werden. Ein generischer Actionfilm wurde mit bekannten Namen einer prominenten Buchvorlage gewürzt, hoffentlich fallen die Zuschauer darauf rein, so der einzige Erklärungsversuch für die enorme Distanz zum Material. Für Eingeweihte: Roland ist in der Verfilmung nicht einmal auf der Suche nach dem Dunklen Turm, Susannah und Eddie wurden gänzlich gestrichen.
Den Turm so verfremdet zu sehen, schmerzt Leser allerdings maximal 10 Minuten. Danach bleibt nur noch Achselzucken und eben der austauschbare Actionfilm, der da noch 85 weitere Minuten vor sich hinläuft. In der Zeit lohnt es sich, einmal über Autor Stephen King nachzudenken. Der feiert die Verfilmung, die jegliche Essenz seiner Romanreihe ignoriert, seit Wochen in den sozialen Medien, schickt Fans via Facebook-Posts in die Kinos und preist die Verantwortlichen – Kritiken postet er natürlich nicht, eine positive konnte er bisher anscheinend nicht finden.
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