Der Apostel des Hüstelns


Ich wache auf aus einer tiefen Ohnmacht in einem hellen Raum mit Wänden aus einem fremdartigen, glatten Material. Ich liege auf einem pritschenähnlichen Bett oder, wiesoll ich sagen, einer bettähnlichen Pritsche. Benommen blicke ich an mir hinunter, mein Bauch und meine Oberschenkel sind krude mit roter Farbe bepinselt, wie für ein groteskes Ritual. Ich fahre herum, und ein reißender schmerz in meinerSeite lässt mich erstarren -dann sehe ich die Wunde. Was auch immer für Wesen, welche Ausgeburten namenlosen Grauens sich an mirvergangen haben -in Zeremonien, deren unheilige Details ich mir nicht vorzustellen wage-, hier müssen sie meinen Körper erbrochen und was auch immer für sie Interessantes darin gefunden haben. Und dann wieder zugenäht, saubergemacht, muss man sagen. Gütiger Himmel, wo bin ich. was ist passiert? Meine letzte Erinnerung ist verschwommen, alles wirkt wie ein ferner Traum. Ich verließ die ME-Headquarters am späten Freitagabend und stieg in die Tram 21. Und kurz vordem Stiglmaierplatzwarda plötzlich dieses gleißende Licht, das sich über uns senkte, als stürzte die Sonne…Ach. mir wird’s jetzt zu blöd. Sie glauben mir ja eh kein Wort. Oder? Ich dachte, ich puste mal ein bisschen mystery-maßig Nebel raus, aberdas ist ja voll 90s. Fakt ist: Ich liege hier in einem Münchner Klinikum rum mit meinem Laptop, aber ohne meinen Blinddarmwurmfortsatz, unddereinzige Popbezug ist, dass Michael Jackson auch schon mal hiereingeliefert wurde, nachdem er bei einem Benefiz-Open-Airvon einer Hebebühne gefallen war. Bei mirwar’s nach einer Pizza Regina, und nicht mal die war für den guten Zweck. Ich frage mich, ob Michael Jackson damals auch Schleimsuppe bekommen hat. Schleimsuppe ist das ernährungstechnische Äquivalent von, sagen wir: Wenn ich schreiben würde „Schleim-Suppe“ und „Blinddarm-Wurm-Fortsatz“, Sie wissen schon.diese momentan so modernen Wortkopplungen, leichtverdaulich/vorverdaut; nur dass die Schleimsuppe für den Kostauf- und die Wortkopplungen für den Hirnabbau gut sind. Da schreibt sogar die FAZ (nicht was Sie denken: die lag hier so rum), Claus Kleber sei einige Jahre als „Lokal-Journalist“ tätig gewesen. Was soll das heißen, dass der sich durch die Bierbeizen gesoffen und darüber Reportagen geschrieben hat? Ich weiß nicht: Wenn Feuerwehrmänner im Eifer des Gefechtes eines Löscheinsatzes ein Schild „Löschwassereinspeisung“ fehlerfrei lesen, dann könnte doch auch der bräsige FAZ-Leser im Ohrensessel in der Lage sein, das Buchstabenkonglomerat „Lokaljournalist“ zu entwirren?

vielleicht waren dasja Lokal-Journalisten, die ich letztens des Abends in einer Kneipe in München „erlebte“. Ein Typ und eine Frau, drahtig und smart aussehend, hockten da vor ihrem Bier, eine Zettelwirtschaft vor sich ausgebreitet, und schrieben auf lose, unlinierte Blätter, Schweigend, konzentriert, sinnierend ins Leere blickend, dann da! ein Gedanke, und sie schnellten nach vorn, ihn niederzuschreiben. Ich bin kein Anhängerdieses Kaffeehausdichtergetues. Wer arbeiten will/muss, soll an eine Arbeitsstätte gehen oderzu Hause bleiben. Und sich nicht posig zum Feierabend in den öffentlichen Raum reinsetzen und seine Kreativität raushängen lassen und faulen Säcken wie miremschlechtesGewissen machen. Und wenn sie zumindest Laptops gehabt hätten oder Blocks! Aber nein: lose, unlinierte Blätter! Ich meine…. was?Ja,okay.ich nehm meine Tablette. Und da kommt ja auch schon das Mittagessen. Kartoffel-Brei.