Deine Lakaien: München, Reithalle


Ein Erlebnis? Ja, keine Frage. Allerdings auch eines, das mittelschwer verstört.

Zu den irritierendsten Momenten der Rockgeschichte zählt das Cover des Live-Albums „In Europe“ von Deep Purple: Auf der Bühne wirbeln wilde Musiker dem Wahnsinn nahe zwischen dramatischen Rauchschwaden – und das Publikum glotzt auf Stühlen sitzend so angetan auf das Spektakel wie das Auditorium bei einem Ornithologen-Vortrag an der örtlichen Volkshochschule. Ähnlich irritierend mit anderen Vorzeichen läuft ein Deine Lakaien-Konzert ab: Die Zuschauer jubeln nach jedem Stück wie die Westkurve beim vier zu drei in der 89. Minute – doch die Protagonisten auf der Bühne lassen sich von so viel Fröhlichkeit die gravitätische Stimmung nicht verderben. Ernst Horn und Alexander Veljanov sind zurück in München, wo sie vor 18 Jahren über eine Anzeige zusammengefunden haben. Von Heimspiel-Atmosphäre dennoch keine Spur. Ernst Hörn tüftelt an seinen Keyboards und Synthesizern mit dem gleichen Pflichtbewusstsein und dem gleichen Hang zum Glamourösen wie eine Garderobenfrau, und Alexander Veljanov begrüßt das Publikum mit der schlecht gespielten Galanterie eines Bata Illic: „Einen wunderschönen guten Abend, München. Wir sind Deine Lakaien.“ Dann zirpen Geige, Cello und Electronics erst in einer schmerzhaften Kakophonie, um schließlich zu melancholischer Erhabenheit zusammenzufinden, die in ihren besten Momenten auch professionelle Verächter solcher Klänge ergriffen macht. Vordenker Ernst Hörn versteht es perfekt, musikalische Schlüsselreize an der richtigen Stelle treffend einzusetzen – aber auch, diese Reize mit klanglichen Schlenkern zu konterkarieren, die man so auf Pop- und Rockkonzerten nur selten hört. Anders als viele Kollegen versuchen sich Deine Lakaien nicht an der immer wieder gleichen Reproduktion bekannter Stücke, sondern verändern ihre Tracks von Tour zu Tour, mehr als manchen Fans lieb ist. Das endet dann meist in reizvollen Klanglandschaften, manchmal auch in zerfahrenem Gekratze. Aber wo der Sound aufhört, führt das Image weiter. Und da sind Hörn und Veljanov kaum zu toppen: Ihr stilsicheres Zusammenspiel aus Desinteresse an Showgehabe und zur Schau gestelltem Tiefgang macht ein Deine Lakaien-Konzert zu einem Erlebnis – gleichwohl einem irritierenden.

www.deine-lakaien.de