David Bowie über seine 7 wichtigsten Filmrollen
Im Dezember 1992 lud der Musikexpress den Künstler dazu ein, selbst die Berichterstattung zu übernehmen – in diesem „Musikerheft“ referierte David Bowie über seine wichtigsten Filmrollen.
Der Mann, der vom Himmel fiel
(1976, von Nicolas Roeg, mit Candy Clark, Rip Tom)
Zum ersten Termin mit Roeg kam ich einen Tag zu spät. Er hatte die ganze Nacht in meiner Küche auf mich gewartet. Nur so hat er mich für die Rolle gewonnen. Ich plante mir damals die gesamte Show-Welt zu unterwerfen. Der Film passte eigentlich nicht in mein Konzept. Letztlich habe ich mich nur selber dargestellt. Es war der erste Film, bei dem ich mitgewirkt habe, und ich war nicht in der Lage, mich damit auseinanderzusetzen, also folgte ich nur meinem Instinkt, und der war zu der Zeit ziemlich verwirrt. Ich fühlte mich wie der Alien, den ich spielte. Was man sieht, ist der David Bowie dieser Zeit. Ein Mensch, der sich vor deinen Augen auflöst. Ich war paranoid und hatte jeden Tag zehn Gramm intus. Was mich heute wundert ist, dass ich trotzdem in der Lage war, alles auszuführen, was von mir verlangt wurde.
Schöner Gigolo, Armer Gigolo
(1978, Regie: David Hemmings, mit Sydney Rome, Kim Novak, Marlene Dietrich)
David Hemmings und ich sahen uns am zweiten Drehtag an und sagten: „Mein Gott, ist das alles eine Scheiße hier. Komm, lass uns ein bisschen Spaß haben.“ Also haben wir sieben Wochen nur Blödsinn gemacht. Was dabei als Film herausgekommen ist, ist mein persönliches Schauspielertrauma. Ich habe die Manie, alles in meinem Leben unter Kontrolle zu haben — wenn ich könnte, würde ich die Rechte an diesem Film zurückkaufen und den Stoff neu verfilmen. Ich glaube, ich werde im Film die Fronten wechseln. Ich arbeite seit geraumer Zeit an einem eigenen Drehbuch. 1975 habe ich das schon mal versucht, aber damals war ich zu sehr auf Drogen, um einen klaren Gedanken zu fassen.
Begierde
(1983, von Tony Scott, mit Catherine Deneuve, Susan Sarandon)
Tony Scott, der Regisseur, hatte eigentlich eine sehr genaue Vorstellung von diesem Film. Doch Tony hatte kein Durchsetzungsvermögen und beugte sich allen Forderungen und Wünschen, die von außen an ihn herangetragen wurden. Ich habe ihn damals nur dafür bewundert, wie er dabei die Ruhe bewahrt hat. Seine amerikanischen Geldgeber schrien immer nach mehr Blut. Und Tony versuchte, der Geschichte psychologische Tiefe zu geben. Damals arbeitete Tony Scott tatsächlich mit einem sehr intelligenten und interessanten Ansatz. Heute kann er nicht mal mehr sein eigenes Leben dreidimensional wahrnehmen. Ich glaube nicht, dass er jemals einen Film gedreht hat, hinter dem er stehen kann. Nach „Begierde“ war er kaputt. Damals hat er wohl verstanden, wie in Amerika mit amerikanischem Geld Filme gedreht werden, und wer dabei das Sagen hat.
Furyo – Merry Christmas, Mr. Lawrence
(1983, von Nagisa Oshima, mit Tom Conti, Ryuichi Sakamoto)
Oshima hatte enorme Probleme, die westliche Gedankenwelt zu verstehen. Mit all seinen japanischen Schauspielern arbeitete er bis ins kleinste Detail. Zu Tom Conti und mir sagte er nur: „Macht, was immer ihr Leute so macht. “ Als es zu der Szene kam, in der ich bis zum Hals in den Boden eingegraben werden sollte, gab Oshima nicht die geringste Anweisung dazu, er sagte nur: „Wir werden dich jetzt begraben.“ Ich musste alleine damit umgehen, und irgendetwas in mir finden. Allerdings war es dann doch sehr einfach, sich vorzustellen, lebendig begraben zu sein, es fühlte sich nämlich genauso an.
Die Reise ins Labyrinth
(1986, von Jim Henson, mit Jennifer Connelly, Toby Froud)
Dieser Film ist mittlerweile der Videorenner in allen amerikanischen Kinderzimmern, besonders vor Weihnachten. Und alle Jahre wieder kommen Kinder auf mich zu und meinen: „Hey, du bist doch der böse König aus dem Labyrinth!“
Die letzte Versuchung Christi
(1988, von Martin Scorsese, mit Willem Dafoe, Harvey Keitel)
Pontius Pilatus zu spielen, fand ich interessant. Die unteren Ränge der römischen Bürokratie argumentierten ähnlich wie die britischen Kolonialherren, die Teile Indiens und Afrikas regieren mussten: „Leute, ihr macht zu viel Schwierigkeiten. Wir werden euch Bildung bringen und Straßen bauen, aber alles braucht seine Zeit. Lasst uns also im Moment nur versuchen, die Dinge gemeinsam am Laufen zu halten. Denn ich habe die Macht, ziemlich endgültige Konsequenzen zu ziehen. Um Himmels willen, ich kann dich kreuzigen lassen. “ Das war der spaßigste Part meines Lebens.
Twin Peaks
(1992, von David Lynch, mit Kyle MacLachlan, Sheryl Lee)
Ich habe diese Rolle nur angenommen, um herauszufinden, ob David Lynch so wahnsinnig ist, wie es immer heißt. Er ist es, auf fast erschreckende Weise. Einfach großartig. Das Ergebnis hat mich wenig begeistert, ich finde von allen Lynch-Filmen „Eraserhead“ am besten. Mittlerweile hat er sich ein wenig von sich selbst entfernt. Trotzdem glaube ich nicht, dass er völlig den Boden verloren hat. In Europa gibt es seit 50 Jahren Filme, die jeden Lynch-Film zum Vorabendprogramm machen. Eine satte Dosis Luis Buñuel würde manchen Leuten, die Lynch für komplett verrückt halten, den Kopf wieder zurechtrücken.
Aus dem ME-Archiv Dezember 1992