David Bowie Story


"Ich bin verheiratet, Vater eines Sohnes und glücklich! Aber das alles kann mich nicht davon abhalten, mit dem Mann von Raquel Welch ins Bett zu gehen." (David Bowie) David Bowie, der Mann mit der Ausstrahlung einer Frau, eine extravagante und bi-sexuelle Persönlichkeit, die so verdaut werden will, wie sie ist: ein Schock für's Auge und für's Ohr. In den sechziger Jahren ein ignorierter Rocksänger mit Hippie-Ambitionen, war Bowie damals als Komponist seiner Zeit um Längen voraus. Während die Blumen-Freaks sich in Flower Power und Love & Peace ergingen, sang Bowie von Raumfahrt und dem Leben auf anderen Planeten. Den Weltruhm, den David Bowie seit 1966 anstrebte, brachten ihm schließlich seine bizarren Shows, Make Lp. extravagante Kleidung, intelligente Texte und seine imitierten Sex-Spiele auf der Bühne. Der Durchbruch kam 1971/72 mit "The Rise And Fall of Ziggy Stardust & The Spiders From Mars". Als gottähnlicher Superstar zog er wie ein Messias um die ganze Welt. Diese Herrlichkeit dauerte ungefähr ein Jahr. Bowie verabschiedete sich 1973 urplötzlich von der Popszene. Nachdem er sich zurückgezogen hatte, rätselten Pop-Presse und Fans, was Bowie mit seinem Rückzug bezweckte, was er nun ausbrütete. Nach wie vor lobten ihn die Journalisten als den genialsten Musiker des Jahrhunderts, und das Bowie-Fieber blühte wie eh und je.

Daß aus dem mickrigen Kerlchen, das als David Howard Jones am 8. April 1947 in Brixton als Sohn eines Public Relation-Mannes auf die Welt kam, einmal eine der schillerndsten Gestalten der Pop-History werden würde, ließ sich wahrscheinlich niemand träumen. Allerdings wußte keiner, was im Kopfe des immer ängstlich wirkenden Jungen vorging, der, wenn, nur durch seine musischen Fähigkeiten auffiel. Später besuchte David die Kunstakademie, verließ sie jedoch vorzeitig, um sich im Werbebusiness umzusehen. David spielte in zahlreichen Amateurbands, unter anderem bei The Conrads, oder David Jones & The Lower Third. Seine eigene Gruppe „David Bowie & The Buzz“ formierte er, als die Monkees ihre Spaße auf dem Bildschirm trieben. Nach dem Motto „Was die Mdnkees können, bringen wir auch“, entwickelte Bowie erstmals den Ehrgeiz, berühmt zu werden. Daß die Gruppe nicht die nötige Ausstrahlung besaß, begriff er schneller als seine Musiker, und er löste The Buzz noch im selben Jahr wieder auf, kaufte sich eine 12-saitige Gitarre und tingelte durch englische Folkclubs.

Diese Clubtourneen sind ein mühsamer Weg zur Karriere. David hat zunächst allerdings Glück: Er unterzeichnet bald einen Schallplattenvertrag mit dem damals gerade aus der Taufe gehobenen Label „Deram“. Seine Single „Love You Till Tuesday“ bleibt nur leider auf der Strecke, obwohl sie ein echtes Juwel ist. Deram veröffentlicht sie nämlich gleichzeitig mit der Debutplatte eines jungen Sängers namens Cat Stevens, dessen „Matthew And Son“ ohne Hilfestellung auf Anhieb Platz 1 der englischen Charts erreicht. Deram konzentriert sich fortan also nur noch auf Cat Stevens und läßt David Bowie links liegen. Und David, sensibel wie er ist, kann die Situation nicht verkraften, leidet unter Depressionen und läßt die Musik erst einmal Musik sein. In Schottland sucht er sein Heil in der buddhistischen Lehre und spielt mit dem Gedanken, Mönch zu werden. Sein Lehrmeister Chimmy, einer der vier Lama-Mönche, die nach England geflüchtet waren, als die Chinesen vor 20 Jahren Tibet eroberten, entdeckt ihm Meditation und Buddhismus als einen Prozeß der Sebsterkenntnis, der Bekanntmachung mit dem Ego.

David muß sich über Wasser halten und schließt sich Lindsey Kemps Theater-Gruppe an. Intellektuelle italienische Dramen bringen der Truppe ein begeistertes Publikum, doch David beginnt, die Musik zu vermissen. Er entscheidet sich für eine Synthese aus Musik und Theater. Zusammen mit dem Bassisten Hutch und der Tänzerin Hermoine, mit der er später zusammenzieht, liefert Bowie fantastische Shows. Aufgelöst wird das Ensemble, das zunächst unter dem Namen „Turquoise“ und später als „Feathers“ agiert, als Davids Freundschaft mit Hermoine ein Ende hat und die Tänzerin ein Engagement beim New Yorker Staatsballett annimmt.

Mit „Space Oddity“ landet David Bowie seinen ersten Nummer-1-Hit. Zu diesem tragik-komischen Song inspirierte ihn die erste Mondlandung sowie Stanley Kubricks utopischer Film „2001 „- A Space Odyssee“. David Bowie erzählt die Geschichte von Major Tom, der aus seiner Weltraumkapsel aussteigt und schließlich den Kontakt zu „Mutter Erde“ verliert. „Here I’m floating round my tin can, far above the moon, planet earth is blue and there’s nothing I can do“.

Doch hier bahnt sich auch schon der zweite Bowie-Fehlstart an: „Prettiest Star“ -Marc Bolan spielt hier die Gitarre fristet ein Ladenhüter-Dasein, und David Bowie kann das nicht verkraften. 1969 findet wieder einmal ein vorläufig letzter Auftritt statt. Im Vorprogramm des damals mittlerweile überaus populären Duos „Tyrannosaurus Rex“ soll er das Publikum anheizen. Die Leute warten auf „Space Oddity“,doch Bowie weigert sich, den Song zu bringen und zieht es stattdessen vor, sich 20 Minuten lang musikalisch über seine Erfahrungen mit der buddhistischen Lehre auszulassen. Er erntet damit statt der großen Erkenntnis ein aggressives Pfeifkonzert und muß vor fliegenden Bierflaschen flüchten.

Nach dieser Enttäuschung versucht David einmal, mehrere Kunstrichtungen unter einen Hut zu bekommen. Zusammen mit Mary Finnegan gründet er die experimentelle Kommune „Ans Laboratory“. Hier versucht er, zu sich selbst zu finden, muß aber nach einem Jahr enttäuscht feststellen, daß diese Periode in seinem Leben für die Katz war. Er verläßt die Kommune und wagt sich wieder einmal ins Plattenstudio, um die LP „David Bowie“ aufzunehmen. Neben „Space Oddity“ singt Bowie hier Titel, die sich mit persönlichen Erfahrungen auseinandersetzen, auch mit seiner verflossenen Liebe zu Hermoine in „Letter To Hermoine“: „When all the world is warm and tired, you cry a little in the dark, well, so I do.“ Als das Album auf dem Markt ist, hat MEs englischer Korrespondent Andy Gray die Gelegenheit zu einem Interview. Unter anderem hört er von David Bowie die prophetenhaften Worte: „Die Welt wartet auf mich! Jetzt bin ich 22, aber wenn ich 30 bin – dann bin ich ein Weltstar.“

Die darauffolgenden Monate bleiben wenig produktiv. Bowie fühlt sich einsam und vernachlässigt. Kein Wunder, daß er sich rasend freut, als seine Plattenfirma auf die Fertigstellung eines neuen Albums drängt. „The Man Who Sold The World“, produziert von Tony Visconti, wird ein eigenwilliges Produkt, dem erst nach Bowies Durchbruch mit (und als) „Ziggy Stardust“ die gebührende Aufmerksamkeit zuteil wird. Bowies Songs erzählen von Phasen totaler Paranoia, unterlegt mit sauberem Heavy Rock. Bowies Fantasie bringt literarische und sexorientierte Texte hervor, die nach dem Abschnitt der LSD-Revolution in eine völlig neue Richtung weisen. Bei diesem Album assistieren ihm Abkömmlinge der Blues-Band „The Rats“ – die damals noch unbekannten Mick Ronson und Woody Woodmansey.

Während das Album in England unter ferner liefen bleibt, verkauft sich „The Man Who Sold The World“ in den USA 50000 mal innerhalb von vier Wochen. Bowie ist trotzdem wieder einmal down, und es vergeht wiederum ein halbes Jahr, bis er sich an die Arbeit für eine neue LP macht. In der Zwischenzeit produziert er sich so: In Londons Kneipen, Clubs und Diskotheken fällt er auf, indem er in weißer Maxi-Kutte, schwarzumrandeten Augen und blondem, wallendem Haar seine unbegreifliche Persönlichkeit zur Schau stellt.

In Bowies Leben ändert sich einiges. Seine Freundin Angela erwartet ein Kind, und die beiden heiraten. Außerdem verträgt er sich nicht mehr mit dem eigensinnigen Tony Visconti und kündigt kurzerhand die Zusammenarbeit. Entscheidend für seine Karriere wird schließlich Tony DeFries, ein junger Advokat, der von nun an als Manager Bowies Erfolg in die Hand nimmt. Wild entschlossen, aus David Bowie einen Star zu machen, stürzt er sich umgehend in die Arbeit. Das erste Resultat: Ein Dreijahresvertrag mit der Schallplattenfirma RCA. Mit einem neuen Produzenten, Ken Scott, geht Bowie wieder einmal ins Studio. Die Texte von „Hunky Dory“ sind durchsichtiger als Davids Fantasien auf „The Man Who Sold The World“. „Kooks“ zum Beispiel widmete David seinem gerade geborenen Sohn Zowie; er beschäftigt sich hier mit einer alternativen Form von Erziehung:

„If the homework brings you down, then wc’ll throw it on the fire and take the car downtown.“

Als eine Ode an Lou Reed, der in seiner Velvet Underground-Zeit einen tiefen Eindruck auf Bowie machte, ist „Queen Bitch“ zu verstehen: „She’s so swishy in her satin and tat, in her frock coat and bibberty property hat.“

Aus einem Alptraum und aus düsteren Märchenerzählungen seiner Jugend stammen wahrscheinlich die Inspirationen für den mysteriösen Song „The Bewalay“, in dem er von Bi-Sexualität und den Gemeinheiten des Lebens erzählt. Nach dem Sinn des Textes befragt, schweigt Bowie sich beharrlich aus. Er liest stattdessen lieber die verschiedenen Deutungen, die seinen Kritikern dazu einfallen.

Jetzt beginnt David Bowie, sein exotisches Image zu kultivieren. Auf Anraten seines Managers läßt er sich sein langes blondes Haar abschneiden und orange färben. Vor dem Beginn der Tour mit der neuen Gruppe (bestehend aus Mick Ronson, Woody Woodmansey und Trevor Bolder) schockiert Bowie die Leser der Popzeitung „Melody Maker“ in einem langen Interview mit dem Statement: „Ich bin bi-sexuell. Wer meint, diese Ankündigung sei ein Ablenkungsmanöver, ein Trick, die angeblich miese Qualität meiner Musik zu vertuschen, der sollte lieber zu Hause bleiben, anstatt meine Shows zu besuchen!“ Dieser Ausspruch brachte Bowie schlagartig auf die Titelseiten der englischen Pop-Presse. Er genießt diesen Wirbel um seine Person und stellt mit Genugtuung fest, daß seine Konzerte total ausverkauft sind. Bowie – der Bi-Sexuelle – wird von einem Tag auf den anderen zum absoluten Super-Helden erklärt. Welcher Pop-Star besaß bisher die Kühnheit, öffentlich zu verkünden, daß er „andersrum“ sei?

Bowie und seine Musiker treten auf wie die Mannschaft von „Enterprise“. Sie tragen enge durchgehend geschnittene Anzüge. Mick Ronson stellt sich mit gebleichten Haaren, Trevor Bolder mit versilbertem Backenbart und Woody Woodmansey mit einer honigblonden Haarpracht ä la David Bowie zu Schau. Die Presse spricht von „futuristischem Zeug“ – doch genau das ist es, was Bowie in all den Jahren vorbereitete. Die Bühnenshow leitet sich aus dem Film „Clockwork Orange“ ab. David sah ihn fünfmal, bevor er erkannte, daß Brutalität die Menschen schockt und daß sie im Grunde genommen geschockt werden wollen, sie wollen die totale Sensation. Bowie und seine Musiker arbeiten hart, um diese Erkenntnis in ihrer Show zu verarbeiten.

Es ist 1972. Der Stern von David Bowie beginnt zu strahlen. Immer mehr Jugendliche imitieren ihn. Seine Art sich zu kleiden, seine Raumfahrerschuhe und sein Make up finden jede Menge Nachahmer. Zum erstenmal nach der Beatles-Manie gibt es wieder einen Trend-Macher! Aber Bowie ist nicht nur modebewußt; er weiß sehr genau, wie er ein Massenpublikum ansprechen muß. Er bedient sich dabei übernatürlicher und außergewöhnlicher Dinge, die das Publikum gebannt verfolgt. In dieser von Bowie und DeFries bis ins kleinste Detail festgelegten Kampagne wird die Bi-Sexualität bewußt in den Vordergrund gerückt. Sie dient als Sprungbrett zum großen Erfolg. 1972 folgt das bereits zitierte Album „The Rise And Fall Of Ziggy Stardust And The Spiders From Mars.“ Bowie wird zum Phänomen, gefeiert als Superstar, Prophet, Gott und als der neue Messias. Dieses Album bleibt nicht der einzige Höhepunkt in seiner Karriere, gilt aber als einer der Höhepunkte in der Musik der 70er Jahre.

Bowie legt Wert auf die Feststellung, daß „Ziggy Stardust“ zwar ein autobiographisches Album, jedoch kein Ego-Trip sei. Bowie selbst schlüpft in die Rolle des Ziggy und seine Band wird umbenannt in „The Spiders From Mars“. Die Story dreht sich um „DAS“, ein allumfassendes und wichtiges Ereignis. Bowie beschreibt es als außerirdische Invasion, als Erstickung durch den Abbau der Erdatmosphäre: Wir stehen an der Schwelle zum Erduntergang: In den Nachrichten läuft die Meldung, daß wir nur noch fünf Jahre zu leben haben.

„News had just come over, we had five years left to cry in Newsguy wept when he told us, earth was really dying cried so much, his face was wet, then I knew he was not lying“ Ziggy und seine Spiders beschließen, aus der bleibenden Zeit das Optimale herauszuholen. Ziggy entwirft einen Plan; er will zum Superstar avancieren. Er schafft es im Handumdrehen. Sein aufreizender Bühnen-Act, sein sexuelles Verhalten und seine irre Kleidung wie seine Ausstrahlungskraft machen ihn zum Brennpunkt innerhalb der Gruppe. Er verkündet, daß Rock’n Roll das einzige sei, das noch zähle, alles andere sei unwichtig. Die Welt liegt ihm zu Füßen, doch auch sein Ruhm ist vergänglich. Eines Tages ist Ziggy nicht mehr gefragt. „Rock’n Roll Suicide“ ist die Geschichte eines vergessenen Idols, das unerkannt und ziellos durch die Straßen irrt.

Das Album macht Bowie genau zu dem Star, der als Ziggy in seiner Traumwelt erscheint. Auch das Phänomen Bowie muß mysteriös bleiben, beschließt sein Manager und hält ihn von nun an unter Verschluß. David Bowie ist ab sofort für normal sterbliche Journalisten unerreichbar. Nur der von DeFries engagierte Leibfotograf kommt an ihn heran. Der geheimnisvolle Touch muß gewahrt werden.

Als dann Bowie und. Lou Reed miteinander liebäugeln, und David Reeds LP „Transformer“ produziert, lamentiert die Presse über „den totalen Verfall“. Zwei „Tunten“ am Ruder des Pop-Schiffes, was soll das abgeben? Aber auch die Fans reagierten leich verwirrt. Bowie-Zitat: „Ich weiß wirklich nicht, was auf der Welt los ist. Jede Gesellschaft, die zuläßt, daß Lou und ich einen neuen Trend machen, muß ganz schön krank sein.“

Ende ’72 ist es dann endlich soweit: Jede Popgruppe, die etwas auf sich hält, orientiert sich am Bowie-Look. Der Glitter-Pop ist geboren. Die bekanntesten Beispiele: Sweet, Gary Glitter oder T-Rex.

DeFries indessen, werkelt schon wieder an einem neuen Imperium. Er rettet Mott The Hoople vor dem Untergang, indem er Bowie bittet, für die Gruppe einen Hit zu schreiben und zu produzieren. „All The Young Dudes“ erreicht Nr. 1 in den englischen Charts und DeFries betrachtet dies als persönlichen Erfolg. Er stürzt sich mit Feuereifer auf das amerikanische Phänomen Iggy Pop und versucht vergeblich, auch mit Lou Reed ins Geschäft zu kommen.

Bowies Live-Shows werden immer komplizierter, immer extravaganter. Er und seine Mannschaft treten in gewagten Kostümen auf und auch vor dem symbolischen Geschlechtsakt mit seinem Lieblingsgitarristen Mick Ronson schreckt er nicht zurück. Mit seinen aufreizenden Spielen gibt er der Presse reichlich Gelegenheit, ausführliche Kritiken über ihn zu schreiben. Das keusche Amerika sperrte sich allerdings: Eine TV-Show fiel komplett dem Rotstift zum Opfer, weil Bowie einen Anzug mit drei aufgenähten künstlichen Händen trug: zwei über der Brust und eine am Rücken.

Mit neuen Lightshows und der Theater-Gruppe seiner ehemaligen Lehrmeisterin Lindsey Kemp hat er laufend neue Überraschungseffekte für sein Publikum parat. DeFries reagiert dabei noch immer mit strenger Hand über seine Schäfchen. Roxy Music, die Bowies Gruppe während ihrer England-Tournee als Supporting Act begleiten, werden von vornherein in ihre Schranken verwiesen. Sie dürfen nicht in den Hallen proben, erscheinen auf keinem Plakat, werden nicht einmal angekündigt, und die Plattenfirma darf bei. keinem Konzert Sticker, Poster oder Platten von Roxy verkaufen.

In Amerika tritt David Bowie zweimal pro Abend ohne Vorprogramm auf. Das Niveau seiner Shows hat deutlich nachgelassen, dementsprechend reagiert das Publikum. Unterwegs schreibt Bowie in den Hotelzimmern Songs in Serienproduktion. Er ist wieder einmal sehr verschlossen und für niemanden zu sprechen. Zurück in England, produziert er schleunigst eine LP mit den Songs, die er während der Tournee schrieb. „Aladdin Sane“ wird zwar kein Flop, ist im Vergleich mit „Ziggy Stardust“ jedoch eine herbe Enttäuschung.

Anfang 1973 kehrt David Bowie wieder in die Staaten zurück. Jetzt ist die Tour bis zum winzigsten Detail durchorganisiert. 6000 Meilen werden nur im Bus zurückgelegt. Darüber wundert sich halb Amerika: Der Mann, der pausenlos über Raumfahrt und Zukunftsvisionen spricht, hat Angst vor dem Fliegen. Bowie wird schon allein von dem Gedanken, in einem Flugzeug zu sitzen, krank. Nur ein einziges Mal im Leben ist er „geflogen“: Während eines Auftritts vor drei Jahren in New York schwebte er per Raumschiff auf die Bühne.

Nach Amerika folgt wieder eine UK-Tour. Bowie ist ausgelaugt und desinteressiert. Da kommt es in London auch schon zum Fiasko. Im Earls Club drängen sich 18000 Menschen. 90 Prozent können weder sehen noch hören. Die miserable Akustik und die fast total versperrte Sicht ruinieren das Konzert, obwohl Bowie eine fantastische Show liefert. Für ihn steht fest, daß er mindestens innerhalb der nächsten zwei Jahre nicht mehr auftreten wird. Das vorläufig letzte Konzert findet am 18. Juli 1973 statt. Im Hammersmith Odeon sichtet man Prominente wie Lou Reed, Mick Jagger, David Baily und Ringo Starr. Zahlreiche Fans gehen mit roten Augen nach Hause. Damals wußten sie alle nicht, ob sie ihr Idol je wieder auf der Bühne sehen würden.

Bowie vergräbt sich für einige Monate unerreichbar in Chateau d’Herouville, einst Wohnort von Chopin. Doch wie schon so oft bekommt ihm diese Ruhe nur vorübergehend, und er sitzt bald schon wieder über neuen Plänen. Wieder bedient er sich des Rock-Theaters; diesmal für seine Fernsehproduktion: „The 1980 Floor Show“. Langsam findet er zu seiner alten Aktivität zurück. Für Lulu produziert er die Single „The Man Who Sold The World“, für Dana Gillespie die LP „Weren’t Born A Man“ und spielt als Gastmusiker auf Mick Ronsons Solo-LP „Slaughter On Tenth-Avenue“. Mit sich selbst ist er allerdings noch immer im Unreinen. War es richtig, das Publikum einfach im Stich zu lassen? Hat ihn der Erfolg von „Ziggy Stardust“ damals einfach überrumpelt? Hatte er darum die beiden folgenden LPs, „Aladdin Sane“ und „Pin ups“, darum zu schnell hintereinander und zu wenig durchdacht aufgenommen? Mußten sie darum zwangsweise zum Mißerfolg werden? Und warum erklärt Mick Jagger in mehreren Zeitungsinterviews, daß er es unbegreiflich fände, daß ein Künstler wie Bowie so etwas Dummes tun könne?

In aller Stille begibt sich zwar Bowie an sein neuestes Werk – doch mit großem Wirbel wird es im August ’74 in Form von „Diamond Dogs“ auf den Markt geworfen. Monatelang hat das amerikanische Bowie-Management, MainMan, die Aktion vorbereitet. Presseberichte, in denen das Jahr 1974 zum Jahr des Hundes, „The Year Of The Dog“, erklärt wird, werden in alle Länder verschickt. Das Wort „dog“ heißt es hier, bedeute rückwärtsgelesen „God“ das Symbol für Bowie. „Diamond Dogs“ ist ein Meisterwerk und bedeutet einen neuen Höhepunkt in Bowies Karriere. Die Presse, die ihn längst abgeschrieben hat, muß wohl oder übel eingestehen, daß diese LP zumindest das Format von „Ziggy Stardust“ besitzt. David Bowie ist wieder der alte, sein angeknackstes Selbstvertrauen wieder hergestellt. Mit der monströsen „Diamond Show“ begibt er sich wieder auf Amerika-Tournee. Mit einem Riesenaufwand an Material tritt er in den größten Konzerthallen auf. Die Presse jubelt, und die Bowie-Welle rollt wie zu den besten Zeiten. David gilt wieder als Phänomen, und nach Erscheinen seiner Doppel-LP „David Live“ hat er seine alte Form wieder erreicht. Er ist der absolute Superstar.

David Bowie. Schauspieler, Clown, Transvestit, Poet, Komponist, Tänzer und Musiker. Tief gehaßt und hochgepriesen. Nicht umsonst gilt er als die Schizophrenie in Person. In seinen Händlinien spiegelt sich das Abbild seiner Person. Doch David Bowie hat seine Paranoia unter Kontrolle. Ausschlaggebend für seinen phänomenalen Erfolg ist die unglaubliche Energie dieses Künstlers. Bowie ist in den nächsten 20 Jahren nicht mehr von der Popszene wegzudenken, heißt es. In der Tat: Wie viele Popstars entwickelten wie er dieses Maß an Stil und Charakter?

Bowie anno 1975: Nach Ziggy Stardust und der Space-Masche, dem Glitter-Look, der eine komplette neue Welle ins Rollen brachte, den schockgefärbten Extrem-Frisuren und den superknappen gewagten Kostümen hat sich der „Messias“ bis auf sein schwindsüchtig geschminktes Gesicht mit den tiefliegenden, dunkel umschatteten Augen in seinem Äußeren einem bereits gängigen Trend angepaßt: Mit superweiten Hosen, am Gatsby-Look orientiert, und mit breitkrempigem Hut auf der schmalzigen Rock’n Roll-Tolle präsentiert sich der neue Bowie. Wieder hat er das Popgeschehen fest in der Hand. David hat seine Vorliebe für farbige Musiker entdeckt, die seiner Musik einen souligen Touch verleihen. „Die Musikszene sollte von schwarzen Musikern regiert werden. Sie bestimmen den zukünftigen Trend und nicht die Weißen.“ (Damit stimmt er wieder einmal mit seinem Freund Lou Reed überein, dem diese Idee schon früher gekommen ist: Das sagt er deutlich in seinem Song „I Wanna Be Black“) Das Phänomen Bowie hat sich ohne Zweifel verändert. Die Transvestitenphase ist passe, seine schillernde Persönlichkeit wird deshalb noch lange nicht verblassen. Mit Sicherheit nicht, so lange er einen so genialen Mann wie Tony DeFries zur Seite hat.