David Bowie Ein Mythos Will Nicht Müde Werden


Mit seinen Millionen könnte sich „Der Mann, dervom Himmel fiel“ längst zur Ruhe setzen. Doch fürs Altenteil fühlt sich David Bowie noch viel zu jung. Und so sorgt der fleißige Fünfziger auch weiterhin für manche Überraschung.

Glam-Gott, Stilfanatiker, Verwandlungskünstler. Ob ¿^ David Bowie wohl jemals ganz normal ausgesehen hat? Nein, bestimmt nicht. Nicht Bowie. Dann die Überraschung: Das Pop-Chamäleon betritt den Raum in hundsgewöhnlichem Outfit schwarze leans, bequemes Sweatshirt. Doch auch darin macht Bowie eine gute Figur. Man bedenke: der gute David ist immerhin schon 50. Aber genau wie „Der Mann, der vom Himmel fiel“ [eine Figur, die David einst im Film verkörperte) scheint Bowie einfach nicht zu altern. Weder äußerlich noch künstlerisch. Trotzdem: Fühlt er sich nicht manchmal wie Neil Young, der in „l’m The Ocean“ die berühmte Zeile singt „Leute meines Alters tun nicht die Dinge, die ich tue“? „Nein, denn zum Glück kenne ich viele Leute meines Alters, die ihre Arbeit noch mit großem Enthusiasmus tun, die nicht zufrieden sind mit dem, was sie erreicht haben. Ich bin zwar älter geworden, suche aber immer noch nach neuen Vorbildern. Im Moment ist es Picasso, ein wirklich außergewöhnlicher Mann, der seine Sache bis zuletzt mit ganzem Herzen gemacht hat.“ Bowie lehnt sich zurück und fügt — das eigene Alter vor Augen — selbstbewußt hinzu: „Picasso ist der Beweis dafür, daß man ein ganzes Leben lang als Künstler aktiv sein kann.“ Und tatsächlich: Als einem der wenigen Popstars seiner Generation geht es Bowie auch heute noch darum, Musik zu machen, die den Zuhörer fordert. Das Album „1. Outside“ aus dem Jahr 1995 war in dieser Hinsicht Bewies bisher radikalstes Angebot an die Musikwelt — kryptisch, schwer verdaulich, aber hochinteressant.

Sehr viel zugänglicher dagegen ist Bowies aktuelles Werk „Earthling“ ausgefallen – ein stürmischer Crossover von Industrial, Jungle und Drum ‚N‘ Bass-Beats. Woher rührt die trendgerechte Rasanz? „Das liegt wohl daran, daß ich immer noch mit großer Neugier durchs Leben renne. Ich glaube einfach nicht, daß die Höhepunkte meines Daseins in der Vergangenheit liegen. Für mich jedenfalls befinden sie sich in der Gegenwort.“ Und die scheint rosig zu sein für David Bowie. Nichts hat er mehr gemein mit dem hohlwangigen Drogen-Vampir, den man von Fotos aus den 70er Jahren her kennt. Heute ist er mit Top-Model Iman verheiratet und hat als reicher Mann Häuser in New York, London und Lausanne. Lebt David Bowie so gesund, wie er aussieht? „Emotional und mental gesehen wahrscheinlich nicht“, lacht der fleißige Fünfziger, „was aber meinen Körper angeht, auf alle Fälle.“ Und die Vergangenheit?

„Ich denke nicht dauernd an die 60er, 1 70er und 80er Jahre zurück.“ Eine Einstellung, die man nachvollziehen kann, zumal es Mitte der 80er Jahre eine Zeit gab, die aus musikalischer Sicht wohl nicht nur Bowie selbst, sondern auch seine Fans ad aeta gelegt haben. Dabei hatte die Dekade mit dem Smash-Hit „Lefs Dance“ noch ganz gut begonnen. Ähnlich wie Bob Dylan wollte Bowie damals seinen eigenen Mythos auflösen. „Ja, das war mir wichtig“,“ räumt er unumwunden ein: „Ich hatte so viel Erfolg gehabt, daß ich nicht mehr wußte, wohin ich noch wollte. Trotzdem war mir nach einem Neubeginn. „Let’s Dance“ gab mir als Songwriter neues Selbstbewußtsein.“

Verständlich. Doch danach langweilte Bowie mit öden Mainstream-Platten wie „Tonight“ und „Never Let Me Down“. Erst Ende der 80er flammte das alte Feuer wieder auf — in einer metallischen Rockband: „Für Tin Machine wollte ich eine Workshop-Situation, um auf diese Weise alle möglichen Einflüsse zulassen zu können.“ Und heute? „Jetzt läuft das Unternehmen zwar wieder unter meinem eigenen Namen, im Grunde aber fühle ich mich heute mehr als Teil eines Ganzen, einer Band, als zu Tin Machine-Zeiten.“

Kein Wunder, denn den Boss braucht Bowie nun wirklich nicht raushängen zu lassen. Daß er zu den wenigen Genies des Pop zählt, hat er längst bewiesen. Doch was ist mit den vielen Rollen, in die David im Laufe seiner langen Karriere geschlüpft ist. mit den „Ziggy Stardusts“ und den „Thin White Dukes“ dieser Welt? „Theatralische Rollenspiele mag ich nach wie vor, nur nicht mehr in der Rock-Arena. Alles, was ich in den 9oern geschaffen habe, zeigt mich als Musiker und Songwriter.“ Als äußerst wohlhabenden Songwriter, wohlgemerkt. Pro Jahr gehen immer noch eine Million Bowie-Platten über den Ladentisch. Nicht schlecht auch Davids Coup, mit seinem Lebenswerk an die Börse zu gehen. Das Aktiengeschäft bescherte dem Popstar über 80 Millionen Mark. Wofür braucht man einen derartigen Batzen? „Vor allem, um meine Familie abzusichern“, berichtet Bowie, „außerdem wollte ich die volle Kontrolle über mein Werk. Bands wie die Beatles oder die Stones haben Deals, bei denen sie keine kreativen Entscheidungsmöglichkeiten über ihre alten Platten haben. Das zu vermeiden, war mir das Wichtigste an der Börsen-Aktion.“ Zu Bowies Moneten kommt auch noch der eigene Mythos. Hat er selbst je daran geglaubt?“.Nein, ich bin f immer offen für neue Denkweisen.“