Das sind die 100 besten Live-Alben aller Zeiten
Die 100 besten Live-Alben in der ultimativen ME-Liste – diese Platten sind für die Ewigkeit.
30. The Who – LIVE AT LEEDS
Als sie ernsthaft Gefahr liefen, dank des Konzeptwerks TOMMY als respek- table Künstler wahrgenommen zu werden, knallten sie schnell noch mal sechs aggressive Rocksongs in die Mensa der nordenglischen Universität – zumindest für die Original-LP. Die Jubiläumsversion von 2010 kommt mit 33 Tracks aus Leeds und noch mal 32 aus Hull, das komplette TOMMY-Pro- gramm inklusive. Auch schön, aber wessen Herz für echtes Rock’n’Roll- Berserkertum schlägt, der bevorzugt das Original. – Uwe Schleifenbaum
Der Moment: die Erkenntnis, dass Punk nun wirklich keine drei Akkorde braucht, zumal die zwei von „My Generation“ doch voll ausreichen.
29. Talking Heads – THE NAME OF THIS BAND IS TALKING HEADS
Mit David Byrnes Worten „The name of this song is ‚New Feeling‘. That’s what it’s about“ beginnt ein Album, das ein Manifest der funky New Waver darstellt. Lakonische Ansagen, die Band ist im Titel des Doppelalbums genügend beschrieben, let the music do the talking. Die wird mit all ihren irren rhythmischen Raffinessen auf der ersten LP von den vier Kernmitgliedern zwischen 1977 und ’79 aufgeführt, auf der zweiten vom zehnköpfigen Line-up der Phase 1980/’81. – Stephan Rehm Rozanes
Der Moment: wenn man auf das 2004er-Reissue aufmerksam wird — mit 33 statt 17 Songs!
28. Roxy Music – VIVA
Drei Jahre bevor MANIFESTO die Crooner-Ära im Hause Roxy Music einleitet, gerät VIVA! zum zwischenzeitlichen Abschied von Art und Glam. In Newcastle, Glasgow und im „Wembley Empire Pool“ aufgenommen, stammen allein fünf der neun Songs von den ersten beiden Alben. Chris Thomas’ Postproduktion, ein Jahr, bevor er NEVER MIND THE BOLLOCKS veredelt, hat mächtig Wumms, Eno-Ersatzmann Eddie Jobson fidelt um sein Leben, Ferry ist stimmlich grandios. – Ingo Scheel
Der Moment: zwei Snare-Schläge für die Ewigkeit: Drum-Malocher Paul Thompsons simpler „Out Of The Blue“-Auftakt ist pure Perfektion.
27. Nick Cave & The Bad Seeds – LIVE SEEDS
Die Bad Seeds hatten mit THE GOOD SON die dunklen Wolken vertrieben, die bis dahin tief über Caves Musik gehangen hatten. Mit HENRY’S DREAM und einer ausgiebigen Tour kehrten sie ’92 zum Rock zurück, zu den Wolken und der Schwärze. Ihr erstes Live-Album enthält scharfe, brüske Versionen von Songs beider Platten, aber selbst die Fatalismus-Hymne „From Her To Eternity“ klingt wilder als auf dem Bad-Seeds-Debüt. – Sebastian Zabel
Der Moment: als Zugabe das feierliche „New Morning“, von Conway Savage am E-Piano begleitet, bevor Blixa Bargelds Chorstimme einsetzt: „There’ll be a new day. And it’s today. For us“. Gänsehaut.
26. Johnny Cash – AT FOLSOM PRISON
Er ist auch davor schon vorn mit dabei, klar, zumal in der Country-Szene. „Walk The Line“, „Ring Of Fire“ et cetera. Doch es ist sein erster Knast-Auftritt, der ihn nachhaltig zur Ikone macht. Cash scherzt mit den Häftlingen, schüttelt Hände, Türen scheppern, Durchsagen des Gefängnispersonals werden niedergebuht. Und doch klingt es nie nach Eskalation. Die Songs sind perfekt aufs Publikum abgestimmt, vom „Folsom Prison Blues“ bis „I Got Stripes“. – David Numberger
Der Moment: Am Ende spielt Cash den Gefängnis-Gospel „Greystone Chapel“, geschrieben vom Sträfling Glen Sherley. Der Saal tobt, der Country-Star hat den Song die Nacht davor einstudiert.
25. Jimi Hendrix – BAND OF GYPSYS
1969 verengte sich der Aktionsradius von Hendrix: Zuerst dankte Produzent Chas Chandler ab, dann warf Bassist Noel Redding hin, schließlich blieb die Experience auf der Strecke. Management wie Label bestanden auf neuem Material. Zudem musste Hendrix Vertragsverpflichtungen von Ex-Manager Ed Chalpin nachkommen. Mit Armeekumpel Billy Cox (Bass) und Buddy Miles (Drums) entstand die nur kurz existente Band Of Gypsys. Live-Premiere feierte das Trio bei vier Konzerten im New Yorker Fillmore East zum Jahreswechsel 1969/1970. Auf Augenhöhe mit dem Zeitgeist erwies sich der nahtlose Mix aus Funk, Soul, Psychedelik und Hardrock in Jam-Überlänge. – Mike Köhler
Der Moment: Im dramatisch inszenierten 13-minütigen Opus „Machine Gun“ erwies Ex-Armee-Mitglied Hendrix den US-Streitkräften in Vietnam seine Reverenz.
24. Bill Withers – LIVE AT CARNEGIE HALL
Der große Soul-Songwriter verschwand in den 80ern von der Bildfläche, weil er in den zehn Jahren zuvor genug erlebt hatte. Im vergangenen März verstarb Withers, und wer denkt, neben „Ain’t No Sunshine“ und „Lean On Me“ sei da nicht viel zu entdecken, kennt diese mitreißenden 77 Minuten nicht. Das Set beginnt mit „Use Me“, achteinhalb Minuten, gespielt mit der Emphase und Dynamik einer Zugabe. Doch Withers und Band machen sich hier erst warm. Diese Musik groovt wie Hölle, klingt dabei unfassbar lässig. Am Ende holt er dann die Gefühlskeule raus: Das spartanisch arrangierte „Hope She’ll Be Happy“ schlägt die bereits brillante Studioversion, selten geht Selbstmitleid so sehr zu Herzen. – André Boße
Der Moment: Bei „Use Me“ (und auch im Finale) wird das johlende Publikum nicht ausgeblendet – doch, oh Wunder, es nervt nicht, sondern kickt zusätzlich!
23. Motörhead – NO SLEEP ‚TIL HAMMERSMITH
Mit der zweiten Punkwelle war in den Musik-Annalen gerade festgeschrieben worden, dass dies nun die härteste Musik ever sei, da kamen Motörhead um die Ecke und verdichteten ihre Songs live zu so dickhosiger Heavyness, wie sie nie zuvor zu hören war. „Short Sharp Pain In The Neck“, das Tourmotto, Drummer Phil „Philthy“ Taylor hatte sich besoffen den Nacken gezerrt. Aus Leeds und Newcastle stammen die Mitschnitte, die Tracklist eingerahmt von „Ace Of Spades“ und „Motörhead“, die Band tight as hell, der Sound dicht wie Holzbohlen. Dass Hammersmith nicht mal auf dem Tourplan stand? So fucking what! – Ingo Scheel
Der Moment: der Urschrei des Roadies, dann Lemmys Ansage: „This one is dedicated to a fine body of men. It’s called „We Are The Roadcrew.“ Wahnsinn. Oder doch eher Philthys Doublebass in „Overkill“? Der Bass in „Motörhead“?
22. Cheap Trick – AT BUDOKAH
Von Dylan, Clapton bis Blur, Chic und Ozzy: Wer etwas auf sich hält, nimmt irgendwann dort ein Live-Album auf, wo 1964 um olympisches Gold gerungen wurde, in der Tokioter „Nippon Budokan“-Arena. Eine Hoffnung, die wahrscheinlich viele Acts teilen: Dass es so umwerfend und überzeugend werden möge wie das epochale AT BUDOKAN von Cheap Trick. Rick Nielsens Doppelhals-Gitze zwischen Hardrock und New Wave, Bun E. Carlos’ Buchhalter-Charme mit Brille und Schnauzer an den Kesseln, Zander und Petersson als telegene Guckschätzchen, dazu eine Setlist wie ein Best-of-Album, fertig ist der Jahrhundert-Klassiker. An die 4 000 Konzerte spielte die Band aus Rockford, Illinois, bis dato, dies ist ihr bestverkauftes Album. – Ingo Scheel
Der Moment: „… and this next song … kreiiiiiiisch… is called „I want you … kreiiiisch… to want … kreiiisch… me!“
21. Daft Punk – ALIVE 2007
Frankreichs berühmteste Helmträger haben sich für ihre zweite ALIVE-Tour nach 1997 für eine Art Turnier entschieden, bei dem es nur Sieger geben konnte. Das komplette Konzert über ließen die beiden immer (mindestens) zwei Songs auf einmal in den futuristischen Ring steigen und schufen dabei stilsicher die perfekten Mash-ups aus ihren größten Hits. Selbst das zwei Jahre zuvor eher mäßig aufgenommene HUMAN AFTER ALL wurde so rehabilitiert. Inmitten des damals aufkommenden Ed-Banger-Hypes haben die Urväter des French House auf ihrer Bühnen-Pyramide sitzend ihren Platzhirschstatus eindrucksvoll verteidigt. – Christopher Hunold
Der Moment: „One More Time“ wird gespielt und irgendwann drehen die beiden den Sound so weit runter, dass man hört, wie sich jede*r in der Pariser Menge die Lyrics aus dem Leib singt.