Das Jahr auf dem Dancefloor – Techno, Dub & Rock gehen eine spannende Ehe ein
In den Clubs verschwimmen die Grenzen zwischen den musikalischen Genres - durchgehend getanzt wird kaum noch
Das Dance-Ereignis 1996? Keine Frage: die Berliner Love Parade natürlich. Bei diesem Mega-Event tanzten 750.000 Techno-Konsumenten durch die Straßen der Hauptstadt, ein Teil von ihnen auf 41 Sattelschleppern, für die jeweils die stattliche Summe 3000 Mark Mietgebühr zu entrichten war. Dafür, daß der Rubel kräftig rollte und die Love Parade auch zur Umsatzparade wurde, sorgten aber auch die 500.000 Mark teuren Kampagnen der diesjährigen Hauptsponsoren Langnese, Camel und MTV.
Mit dem Hauptstadt-Rave, den Maydays und dem florierenden Geschäft mit Merchandising-Produkten hat der Ausverkauf der einstigen Untergrundmusik Techno 1996 einen neuen Höhepunkt erreicht — Breite statt Tiefe, Masse statt Klasse. Trotzdem gibt es neue Impulse, zum Beispiel aus den D-Pulten der österreichischen Hauptstadt. Klangbastler wie Patrick Pulsinger, Waldeck oder das Duo Kruder & Dorfmeister, das mit historischen Blues-Samples und kruden Elektronikspielereien zunächst gleichermaßen verwirrte, werden inzwischen auch international hoch gehandelt.
Eine Folge der Verschmelzung verschiedener musikalischer Stilrichtungen ist, daß in etlichen Clubs diverse Abarten von House, Acid-Jazz, Trip-Hop oder Dub das Musikprogramm bilden und deswegen kaum noch durchgängig getanzt werden kann. Statt dessen huldigt der Hipster den waghalsigen Experimenten von Tricky und Moby oder auch neuen, teils in den Rock hinein crossovemden Bands wie The Prodigy, Rockers HiFi, Faithless oder Underworld. Faithless zum Beispiel sahnten mit Techno-Trance wie ‚Insomnia‘ in den zurückliegenden Monaten mächtig ab.
Die Euro-Dance-Welle dagegen hat ihren Höhepunkt offenbar überschritten. Die Top-Acts der vergangenen Jahre -Dance 2 Trance etwa, E-Rotic, Snap, Culture Beat oder auch die Captains Jack und Hollywood — konnten 1996 nicht mehr nahtlos an vergangene Erfolge anknüpfen. Gleichzeitig jedoch feierte der Rap seinen dritten Frühling. Künstler wie Coolio, Nas und die Fugees oder auch Altmeister Ice T setzten in Deutschland dermaßen viele Tanzbeine (und Plattenkäufer) in Bewegung, daß sich einige Medien genötigt sahen, in breiter Form über Black Music zu berichten. Neben Informationen über die aktuellen Black Music Charts haben etliche private Radiostationen im Laufe des Jahres spezielle Sendeplätze für schwarze Tanzmusik eingerichtet und spielen die Hits aus diesem Repertoire nun auch zu besten Sendezeiten.