Das Covergirl
Die neue Hoffnung britischer Popmusik oder eine, die Indie-Pop einen Weichspülgang verpasst? An Birdy scheiden sich die Geister.
Es ist ein ganz schönes Gewicht, das die schmalen Schultern von Jasmine van den Bogaerde zu tragen haben. Und man kann nur hoffen, dass die 15-Jährige aus der Küstenstadt Lymington, Hampshire, unter der Last aus Erwartungen von Label, Fans und Medien nicht zerbricht. Schließlich ist Birdy, so ihr Künstlername, gerade mal 15 Jahre alt. Und doch sehen viele selbst ernannte Musikexperten in ihr bereits „the next big thing“ und „die Zukunft des Pop“. „Ich finde es total verrückt, solche Dinge über mich zu hören“, sagt sie. Sie spricht leise. Benutzt die Worte so behutsam, als ob sie auf dem Weg zu ihrem Adressaten kaputtgehen könnten. „Aber natürlich ist das für mich ein unglaubliches Kompliment.“
Als Tochter einer Konzertpianistin fing Birdy bereits im zarten Alter von fünf Jahren mit dem Klavierspielen an. Mit sieben, so sagt die Plattenfirma, schrieb sie ihre ersten Songs. Und mit zwölf gewann sie den nationalen Musikwettbewerb „Open Mic UK“ – und setzte sich dabei gegen mehr als 10 000 Teilnehmer durch. Von da an ging alles sehr schnell. „Ich habe ein Musikvideo von mir auf YouTube gestellt, um mich bei den Menschen zu bedanken, die für mich abgestimmt haben“, erzählt sie und lächelt dabei verschämt, wobei ihre silberne Zahnspange zum Vorschein kommt. „Kurze Zeit später hatte ich plötzlich einen Plattenvertrag. Und nun erscheint schon mein Debütalbum.“ Darauf zu hören sind, bis auf eine Ausnahme, noch keine Eigenkompositionen. Birdy nimmt sich gemeinsam mit den Erfolgsproduzenten James Ford (Arctic Monkeys) und Jim Abbiss (Adele) Stücke von wohlgelittenen Indie-Pop-Vertretern wie The XX („Shelter“) oder Folkrockern wie Bon Iver („Skinny Love“, wurde „Record of the Week“ bei BBC1) vor und interpretiert sie neu. Der Kontrast zwischen Vortrag und Inhalt ist dabei durchaus reizvoll, trifft doch juvenile – der „Guardian“ nennt’s schoolgirlishy – Zerbrechlichkeit auf melancholisches Textwerk, das von doppelt so alten Männern in krisengebeutelten Lebensphasen geschrieben wurde. Einige Tracks klingen jedoch so, als wären sie so umarrangiert worden, dass sie auch die nächstgelegene Starbucks-Filiale störungsfrei beschallen können. Vor allem aber sollte man eines nicht vergessen: Die Beweisführung, dass sie nicht nur Interpretin, sondern auch Songwriterin ist, muss noch erfolgen. Es bleibt also spannend. Daniel Schieferdecker