Dampf ablassen!


Gestern noch Mieze, heute schon Maestra: Uon HipHop bis Rock gaben 1999 starke Frauen den Ton an.

„Women is the nigger oft he world“ , klagte John Lennon noch in den Siebzigern, als es um die Emanzipation der Frauen nicht zum besten bestellt war. Schon gar nicht im Musikgeschäft, wo Rock zum Wettlauf der Potenz mutierte und Frauen mit wenigen Ausnahmen allenfalls als Croupies, höchstens als Blickfang auf dem Cover eine Rolle spielen durften. Dann kam Blondie.dann kamen Madonna,Tori Arnos, Alanis Morissette und ihr „Rat Pack“ an selbstbewussten Künstlerinnen, die sich durch einen spezifisch weiblichen Blick auf die Welt auszeichneten. Aber genau dieser Blick war es, der sie wieder ins Ghetto verbannte: „Female Rock“ war das dann.obschon niemand auf die absurde Idee käme, etwa Bryan Adams unter „Male Rock“ einzuordnen. Anstatt sich durch solche Mechanismen in die Defensive drängen zu lassen, gingen die Songschreiberinnen in die Offensive-und zwar sprichwörtlich, indem sie mit dem komplett weiblich besetzten Festivalzirkus „Lilith Fair“ unter der Leitung von Sarah McLachlan durch die Welt tourten. Auch über diesem Projekt sind die Wellen zusammengeschlagen -„Lilith Fair“-Veteranin Jewel machte sich jüngst mit einem Weihnachtsalbum lächerlich, wobei sie willfährig das Klischee des verträumten Liebchens bediente. Weibliche Idole sehen heute ganz anders aus: Und zwar so sehr, dass man gut und gerne von einer neuen Ära sprechen kann. Die Rapperin Missy Elliott ging mit gutem Beispiel voran. Wie ihre männlichen Kollegen, die das Schimpfwort „Nigger“ kurzerhand adaptierten und in einen stolzen Titel verwandelten, so machte es ihr sichtlich Freude, sich als „Bitch“ bezeichnen zu lassen – so lange, bis selbst das Wort „Schlampe“ einen irgendwie positiven Beigeschmack bekam.“Da Real World ‚ hieß ihr Album, produziert wurde es von Timbaland. Selbst produziert, selbst komponiert und selbst eingesungen hat indes Lauryn Hill ihre Platte „The Miseducation Of Lauryn Hill“ – ein Verdienst, für das sie 1999 mit mehr Grammys belohnt wurde als sie tragen kann.“Missy“ Hill steht daher für den weiblichen Popstar der neuen Generation. „Schwarze Madonna“ nennen sie die einen, eine „Hera Lind des HipHop“ ist sie für die anderen. Nach ihrem Ausstieg bei den Fugees jedenfalls nahm das Mädchen aus New Jersey ihre Karriere selbst in die Hand und avancierte binnen kürzester Zeit zur angesagtesten Entertainerin ihres Genres, bekam Preise, Kinder und ihr Leben perfekt in den Griff. Und als Whitney Houston mit neuer Single kam, da diktierten ihr die Imageberater für das Video zu „It’s Okay But It’s Not Right“ just dieselbe Frisur, wie sie auch Lauryn trägt. So sehr haben die Zeiten sich geändert, dass Cerys Matthews von Catatonia in Großbritannien für ihre Trinkfestigkeit geliebt wird und die quietschig-naive „Girlpower“ der diversen Spiee Girls ganz jämmerlich ins Hintertreffen gerät. Nein, 1999 wurde Reife honoriert. Auch wenn sie, wie im Fall von Cher, mit reichlich Konservierungsmitteln bezahlt wurde. Die große alte Dame des Face-Liftings ließ mit „Believe“ ein atemberaubend erfolgreiches Album vom Stapel. Schade allerdings, dass die Frauen 1999 ausgerechnet in dem Genre noch schwach auf der Brust sind, in dem ihr spezifisch weiblicher, warmer Einfluss Wunder zu wirken scheint: In der Elektronik. Nicolette schwieg komplett, lediglich Andera Parker verblüffte mit „Kiss My Arp“. Und Björk ist bei der Arbeit: Der Soundtrack zu einem Lars von Trier-Film erscheint im Frühjahr.