D.A.F – Hamburg, Messehallen


Zunächst die obligatorische Bemerkung über das traurige Angebot an angemessenen Konzerthallen in der Weltstadt Hamburg. Zur Not gibt’s ja immer noch- die unter der Bezeichnung „Messehallen“ bekannte Ansammlung von Betonklötzen. Klotz Nummer 11 wurde also zum Schauplatz für 60 Minuten D.A.F. plus Vorgruppe ich hätte allen Beteiligten besseres gegönnt!

D.A.F. sind nun mal keine Betoncombo. Die maschinelle Erotik ihrer Musik findet ihren angemessenen, intimen Rahmen andererseits sowieso nur noch in Discos, wo sie zudem in Einzeldosen verabreicht wird. Aber Erfolg bedeutet Massenpublikum, zum Teufel also mit der Exklusivität Das Publikum, ideologisch angesiedelt zwischen Henna und Lebensmittelfarbe, lehnte „Die Gesunden“ aus Berlin ab. Die meisten jedenfalls. Verheizt? Ertrunken, würde ich sagen. Fans sind alle gleich. Ob sie nun zu AC/DC, Police oder D.A.F. gehen. Die Stars des Abends werden mit kollektivem Aufschrei begrüßt, erhobenen Fäusten und im Laufe des Konzertes mit rhythmischem Händeklatschen begleitet.

Zwei Nummern zum Anwärmen. Robert Görl, jung und schön und bescheiden, erledigt seinen Understatement-Job am Schlagzeug. Gabi Delgado, jung und schön und stark, schwingt seine langen Arme und Beine. Stück Nummer drei, der „Mussolini“: „Geh in die Knie“ brüllt Gabi heiser, aber das war nicht nötig. Die Fans reagierten eh schon auf die ersten Takte wie von der Tarantel gestochen. Ein paar Mädchen neben mir demonstrieren in einem neuen Gesellschaftsspiel strikten Gehorsam: sie gehen in die Knie, bewegen ihren Hintern, kreuzen bei “ Tanz den Jesus Chrishis“ die Fäuste und strecken bei , Tanz den Adolf Hitler“ den rechten Arm vor. Ich wüßte gern, ob es das ist, was D-A.F. meinen, wenn sie brisante Reizworte gern wieder in den unbefangenen Sprachgebrauch eingliedern wollen.

Klack. Neue Kassette. Faszinierend, daß in jedem Recorder auch wirklich die richtige steckt … Der Sound fließt auseinander, aber auf das kanalisierte Hörerlebnis legt heute abend wohl sowieso keiner allzu großen Wert. So ein Stück wie „Sato Sato“ ist, wie man sieht, schon zu subtil. Die eifrigen Tänzer lassen sich für eine Verschnaufpause in Grüppchen auf dem Betonboden nieder, unterhalten sich oder gehen spazieren, bis wieder ein Hit wie „Der Räuber und der Prinz“ oder .Sex unter Wasser“ anklingt. Die Eltern stehen zum Glück draußen vor der Tür. Gabi keucht: Keine macht es so wie du.’und ein dickes Mädchen hinter mir seufzt: ,Das ist mein Lieblingsstück.‘ Kurz vor Schluß zieht der DAF.-Sänger wieder die Lederweste an, nimmt aufs Neue die dynamisch stilisierten Bewegungen auf, klingt weniger rauh, sondern wieder tief metallisch. Lakonischer Abschied, „Kebabträume“ als Zugabe, danach – was fehlte noch? – „Gold und Liebe“. Die Polizei zieht draußen ihre VW-Busse ab; ohne Sirene, aber mit Blaulicht die Einbahnstraße falsch hinunter: Endlich nach Hause, langweiliger Job heute abend …