Crystal Castles
Elektro-Punk-Hysterie, bis die Polizei mit dem Helicopter kommt.
Als diese Band letztes Jahr ihren ersten großen Hype hatte (Hysterie in L.A.: Zur Zerstreuung einer wildgewordenen Horde bei einer überfüllten Aftershow-Party schickte die Polizei einen Helicopter; Hysterie in Berlin: Auch hier waren alle „New-Rave“-Hipster an Bord selbst der Keyboarder von Fickscheiße hatte sich ein Crystal-Castles-T-Shirt selbst gemalt), wurde viel Unsinn über sie erzählt. Der größte Quatsch, der eifrig verbreitet wurde, passte perfekt zum Mythos: Crystal Castles, flüsterte man aufgeregt, wollten nie eine Band sein. Doch der Elektro-/Wavepunk-Act aus Toronto hat seine Existenz maximal einem Zu-, nicht aber einem Unfall zu verdanken. „Ich habe einem Journalisten erzählt, dass der Song ‚Alice Practice‘ ein Unfall war – er hat dann geschrieben, dass die Band ein Unfall war“, stellt Ethan Kath klar. Wahr ist, dass Crystal Castles – wie so viele erfolgreiche Bands – zunächst nicht als ernsthaftes Projekt geplant war: „Wir haben mit ein paar Sounds rumgespielt und die Ergebnisse ins Netz gestellt, damit sie unsere Freunde runterladen konnten.“ Sechs Monate lagerten ein paar ihrer Heimaufnahmen auf einer MySpace-Seite, dann wurden sie von einem Label in England entdeckt. „In manchen Ländern begann ein wahnwitziges Wettbieten. Uns wurden immer höhere Summen geboten.“
PIAS, die Crystal Castles nun über ihr Elektro-Sublabel Different (Tiga, Felix Da Housecat, MSTRKRFT) veröffentlichen, werden es nicht bereuen. Das Debüt-Album Crystal castles zeigt, dass die Kanadier selbst längst nicht so eindimensional wie ihre Fans der ersten Stunde ticken: Anstatt sich radikal der absurden „New Rave“-Bewegung zu verschreiben – Menschen in geschmacklosen Klamotten spielen geschmacklose Musik, die von Szene-Kids mit Neon-Stimbändern halb ironisch „abgefeiert“ wird -, experimentieren Ethan Kath und Alice Glass mit verschiedenen Sounds und bewegen sich musikalisch auf relativ breitem Terrain. Zwar gibt es durchaus den einen oder anderen schrillen, schizophrenen Noise-Track mit Gameboy-Gepiepse („XXZXCUZX ME“, „Love And Caring“ und der „Unfall“ „Alice Practice“, bei dem Ethan Alice angeblich ohne ihr Wissen bei einer Mikrofon-Probe aufnahm), Songs wie „Magic Spells“, „Crimewave“ und „Courtship Dating“ aber sind clevere, mit Filter-Effekten zum Glitzern gebrachte Synthpop-Tracks mit Disco-Flair. Der letzte Song „Tell Me What To Swallow“ ist ein “ ruhiger, atmosphärischer Song mit akustischer Gitarre. Für viele mag die Band bereits „durch“ sein – in Wahrheit aber wird es gerade erst , wirklich interessant. Crystal Castles – Crystal Castles (Different/PIAS/ Rough Trado Dist. GmbH.