COVERVISIONEN


SOUND CITY: REAL TO REEL von V.A.

DER STIL

Die drei Cover, so verschieden sie auch wirken mögen, könnten Simon Reynolds Buch über die „Retromania“ unseres Pop-Zeitalters illustrieren. Zugleich zeichnen sich die Grafikarbeiten durch Mimikry und Minimalismus aus. Mimikry, weil jeweils eine Vorlage liebevoll und originalgetreu nachgeahmt wird. Minimalismus, weil der künstlerische Aufwand sich in Grenzen hält. Entscheidend ist die künstlerische Haltung dahinter. Warum minimal, wenn es auch opulent ginge? Worum geht es überhaupt? Was soll damit gesagt werden? Unsere drei Beispiele repräsentieren drei mögliche Komplexitätsstufen

DIE SIMPLE VERBEUGUNG

Dave Grohl, der offiziell „netteste Typ im Rockgeschäft“, drehte einen Film über das legendäre Sound-City-Studio in Los Angeles. Es gilt als Wiege klassischer Rockmusik, Neil Young, Fleetwood Mac, Guns N’Roses, Nine Inch Nails, Rage Against The Machine, Metallica und auch Nirvana haben hier aufgenommen – auf Magnettonbändern, deren Hülle auf dem Cover für den eigens neu eingespielten Soundtrack angedeutet ist. „Real to reel“ ist ein müdes Wortspiel damit, dass das „Echte“ auf Tonband („reel“) aufgenommen wurde, damals, bevor alles digital wurde. Zum Zwecke der Huldigung hat er sich nicht nur echte Mucker wie Paul McCartney, Josh Homme, Mitglieder des Black Rebel Motorcycle Club (!) oder Stevie Nicks eingeladen -sondern auch das No-Bullshit-Tonband-Cover um ein paar Kaffeeflecken ergänzen lassen, will heißen: „Hier wurde noch gearbeitet!“ Hier ist der Minimalismus des Covers in Ergänzung zur Musik eine menschelnde Hommage ans Handgemachte.

SPECTER AT THE FEAST von Black Rebel Motorcycle Club

DAS NOSTALGISCHE BILDERRÄTSEL

Auch Black Rebel Motorcycle Club sind bekannt für ihre Vergangenheitsseligkeit, beschreiten für das Cover von SPECTER AT THE FEAST aber einen anderen Weg als Dave Grohl oder die Strokes. Die Rocker geben sich auf dem mehrfach codierten Cover kultur- und wissenschaftskritisch. Es ist zunächst ein verschlissenes Taschenbuch in der Anmutung eines (italienischen) Reclam-Heftchens mit dem Aufdruck „edizione integrate bilingue“: „zweisprachige Ausgabe“. Der Bandname steht an der Stelle, wo der Verlag zu finden wäre. Der Albumtitel meint sinngemäß „In die Suppe spucken“ und ist dem kapitalismuskritischen Bestseller „The Spectre At The Feast“ von Andrew Gamble entlehnt. Um das Rätsel komplett (und komplett unlösbar) zu machen, entblößt ein Eselsohr ein altertümliches Satzfragment des Universalgelehrten und Okkultisten Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim über frühwissenschaftliche Experimente: „And all is most vaine, and but plaine vanitie“: „Und alles ist nutzlos, nutzlose Vergeblichkeit.“

COMEDOWN MACHINE von The Strokes

DIE VERSTECKTE GEMEINHEIT

Auch The Strokes scheinen sich auf die karge Ästhetik von Tonbandspulen-Kartons besonnen zu haben. Zwar war ihre Musik nie ohne einen gewissen Retrofetischismus denkbar, nur schlug der sich bisher nicht auf dem Cover nieder. Umso radikaler der Bruch, den die Künstler mit diesem Artwork markieren. Auf rotem Grund prangt riesig der Markenzeichen-Schriftzug ihrer Plattenfirma RCA, darunter klein der Name der Band und winzig der Albumtitel. Die bizarren, weil umgekehrten Größenverhältnisse sind ironisch zu lesen und deuten an, dass dieses Cover als finale Frechheit gemeint ist: COMEDOWN MACHINE ist das fünfte und wahrscheinlich letzte Album für RCA, damit haben die Strokes ihren Vertrag erfüllt. Und das betont schmucklose Cover zeigt, wie erleichtert die Musiker darüber zu sein scheinen, will heißen: „Da, nehmt, wir sind fertig miteinander!“