Cloud Boat


Am Ende des Interviews im Berliner Club Lido verstricken sich Tom Clarke und Sam Rickett in eine musikphilosophische Diskussion über die Frage, ob Musik, die einen reinen Klang hat, zwangsläufig auch unschuldigen Charakters sei. Etwas perplex klinkt man sich an dieser Stelle kurz aus dem Gespräch aus und lauscht dem angeregten Wortwechsel, während der Soundcheck vom Tour-Kollegen und späteren Headliner des Abends, Ghostpoet, herübertönt.

Die abstrakte Diskussion kommt nicht von Ungefähr, denn Clarke und Rickett eint auch ein universitärer Hintergrund: Nachdem sich die langjährigen Freunde als Teenager bevorzugt in Metalformationen umtaten, verschlug es Gitarrist Rickett zum Studium der klassischen Musik nach London, während Sänger Clarke ins beschauliche Bath zog, um Philosophie zu studieren. Jahre später fanden die beiden in London wieder zusammen, um bald auch mit neuen Sounds zu experimentieren: „Wo Tom während der Zeit an der Uni sein Interesse am Folk intensivierte, habe ich eher dunkle Dubstep-Spielarten erforscht“, sagt Rickett und nennt dabei auch die Eckpfeiler des Debüts BOOK OF HOURS: Dubstep und Folk. Das mag zwar krude anmuten, klingt jedoch: bahnbrechend innovativ, in seiner dunklen Erhabenheit geradezu majestätisch – und irgendwie auch nach dem Namen „Cloud Boat“, der sich an ein Gemälde des litauischen Malers Čiurlionis anlehnt, das ein über dem Meer schwebendes Wolkenschiff abbildet. „Es gibt sicherlich Verknüpfungen zwischen Gemälde, Bandnamen und Musik. Ich denke da an Abstraktion, an etwas, das keine Grenzen kennt“, sagt Clarke, und man kann ihm angesichts von Stücken wie „Bastion“ nur recht geben: Schlicht mit Fingerpicking und Gitarrendrones beginnend, nur vage von einem tiefen Basswumms strukturiert, macht „Bastion“ in der Tat herrlich luftig dahinschwebende Klangräume auf.

Die betörende Wirkung dieser Musik erkannte übrigens nicht nur James Blake, der die beiden 2011 mit auf Tour nahm, und sie beim Label R &S unterbrachte – auch das Publikum im Lido war nach der Darbietung der unbekannten Vorgruppe ganz aus dem Häuschen: Gemessen daran, dass die beiden Musiker nahezu unbemerkt auf die Bühne schlichen, wirkte der Applaus am Ende wie ein Donnerwetter.

Albumkritik ME 6/13

Cloud Boat sehen sich in erster Linie als Live-Band: „Die Bühne ist der Ort, wo wir uns am wohlsten fühlen“, sagt Sam Rickett.

Im Studio waren Cloud Boat etwas überfordert, da es ihnen schwerfiel, ihrem luftigen Sound eine endgültige Form zu geben.

BOOK OF HOURS enthält zahlreiche Field Recordings, die dem Album eine organische Note verleihen.

Klingt wie: James Blake, Mount Kimbie, Fairport Convention