Chuck D: „Die Industrie ist zu spät dran“


Was sind die Vorteile der reinen Online-Politik, die du mit Public Enemy seit dem Verlassen deines Labels Def Jam verfolgst?

Bei einer großen Plattenfirma gibst du deine Songs ab und musst dann zehn Monate warten, bis das Album auf dem Markt ist. Nachdem unsere letzte LP „There’s A Poison Going On“ in der Rechtabteilung von Polygram geprüft wurde, ging sie zurück an Del Jam, und die haben gesagt: ‚Naja, sie kann leider nicht erscheinen‘. Wir haben gesagt ‚Fuck It!‘, wir stellen das Album ins Internet. So ging’s los.

Bist du geschäftlich mit deinem Internet-Engagement erfolgreich?

Was jetzt passiert, ist nicht entscheidend. Man muss dem Ganzen zwei bis vier Jahre Zeit lassen. Ich vermute, dass in zwei Jahren 20 bis 25% aller Musik direkt vom Künstler zum Fan über das Internet verkauft wird. Musik wird weniger kosten, und Künstler werden mehr daran verdienen.

Das untergräbt die Musikindustrie.

Umgekehrt: Die Musikindustrie untergrabt HipHop und Rap. Künstler werden vertraglich daran gehindert, kontrovers zu sein oder auch nur ihre Meinung zu sagen. Will man seinen Vertrag behalten, dann muss man seine Ideale opfern.

Bietet das Internet wirklich bessere Chancen für unbekannte Künstler?

Naja, die Art der Frustration wird sich ändern: Vor sechs Jahren hast du dein Demo-Tape verschickt, das dann Staub angesetzt hat. Heute machst du dein eigenes Ding im Internet und denkst dir, Shit, heute hat niemand meinen Song runtergeladen. Vielleicht kann ein Künstler jetzt aber nach drei Webcasts (Konzertübertragungen im Internet, Anm.d.Red.) 813 Alben online verkaufen. Das ist besser, als acht Jahre keinen Plattenvertrag zu bekommen und sich dabei wie ein Idiot zu fühlen.

Mächtige Unternehmen versuchen, Kontrolle über den Datenfluss im Internet zu bekommen. Ist der Netz-Pirat vom Aussterben bedroht?

Nein. Die großen Firmen werden das Internet nicht kontrollieren können, da wir es mit einer Technologie zu tun haben, die zuerst in der Öffentlichkeit war. Bisher hat die Öffentlichkeit gewartet, bis die Firmen die nötige Technologie entwickelt haben. Das ist vorbei. Es wird immer Piraten geben, die kopiergeschützte CDs kaufen, den Code knacken und sie dann im WWW für tausende zugänglich machen. Die Industrie ist zu spät dran.

Wenn wir uns zum CD-Shopping nur noch in virtuellen Welten bewegen, vereinsamen wir da nicht ein wenig?

Prince hat in einem Song gesagt: „If you don’t own the master, the master owns you.“ Das gilt auch für die Technologie. Wir dürfen keine programmierten Menschen hinter programmierten Maschinen werden. Viele Leute werden für dieses Jahrtausend nicht die erforderlichen Fähigkeiten mitbringen. Es wird zwei Klassen geben: Menschen, die Computer kontrollieren, und Menschen, die von Computern kontrolliert werden.

Du hast HipHop als „CNN der Schwarzen“ bezeichnet. Über das Internet kann Rap zwar geografisch die ganze Wert erreichen, sozial allerdings nicht.

Es heißt immer, dass die Schwarzen in Amerika keine Computer haben. African-Americans hatten am Anfang auch keine Mobil-Telefone. In den letzten drei Jahren waren sie die am schnellsten wachsende Gruppe unter den Computer-Käufern. Je bequemer die Nutzung wird, desto mehr Menschen werden online sein.