Chuck Berry, James Brown & Co.: Pop würde ohne afroamerikanische Musik nicht existieren
Warum Pop mehr Augenmerk auf seine Schwarzen Pioniere legen sollte? Darum.
Davon zu sprechen, afroamerikanische Kultur hätte einen Einfluss auf westliche Popmusik gehabt, wäre besorgniserregend untertrieben – Black Music IST Popmusik, zumindest der größte Teil davon. Der Blues als die Keimzelle des Siegeszugs der Rockbands und der Prominenz der E-Gitarre, HipHop als die Jugendkultur unserer Zeit und Funk mit dem Erfolgsrezept, das bis heute die Charts um den Globus versüßt: Groove. Warum Pop mehr Augenmerk auf seine Schwarzen Pioniere legen sollte.
1. Chuck Berry und die E-Gitarre
Natürlich haben schon viele Menschen vor ihm E-Gitarre gespielt. Doch die Zahl seiner Vorgänger war nichts im Vergleich zur Masse an musikbegeisterten jungen Menschen, die ihm folgte. Chuck Berry setzte mit seiner energiegeladenen, hochkörperlichen Performance nicht nur den Grundstein für ausschweifende Bühnen-Eskalationen, er verhalf durch sein elektrisierendes Gitarrenspiel auf Songs wie „Johnny B. Goode“ und „Roll Over Beethoven“ dem Instrument auch erst zu seiner Popularität – und damit Rock zu seinem weltweiten Siegeszug Anfang der Sechziger bis ins neue Jahrtausend hinein. Nur durch Künstler wie Chuck Berry und der afroamerikanischen Blues-Kultur existieren Gitarrenmusik, Jams und Improvisation in der Art, wie wir sie kennen. Er trat die Tür ein, durch die später Hendrix, die Beatles und die Stones, aber auch Led Zeppelin, Van Halen, Nirvana oder die Arctic Monkeys hindurchspazierten.
Chuck Berry – Johnny B. Goode (Live 1958):
2. Prince, Kanye und der Future-Pop
Neben Pionierleistungen, die üblicherweise recht früh in der Geschichte eines Genres standen, sind und waren Künstler der Black Community aber auch hochinnovativ, was die Diversifizierung und Weiterentwicklung etablierter Sounds angeht. So trugen Prince oder Michael Jackson mit ihrer Blues- und Motown-Vergangenheit maßgeblich dazu bei, die Popmusik Anfang der 80er in ein neues, ungewohnt extravagant-kühles Jahrzehnt voller Drum Machines, Synthesizer und individuellen Superstars zu führen.
Prince & The Revolution – „Kiss“:
HipHop legte Anfang des Jahrtausends sein größtes Augenmerk auf den Parameter Rhythmus. Es dominierten pumpende Beats und ein flowender Sprechgesang. Als 2008 dann Raps Enfant Terrible Kanye West das Genre radikal neu dachte und mit dem damals verhassten „808s & Heartbreak“ Autotune und ein unprätentiöser Fokus auf Melodie und Emotion prägte, widersprach er damit den gängigen Trends – heute zählen gesungene Hooks und offen gelegte Gefühle à la Drake zum Standardrepertoire im Rap.
Kanye West – „Heartless“:
3. James Brown, Funk und der Siegeszug des Rhythmus
Nachdem sowohl im Blues und Jazz als auch im Folk die Melodie und besonders deren harmonische Kontextualisierung im Vordergrund stand, interpretierten Künstler wie Sly Stone, Parliament und besonders der alles überragende James Brown Ende der 60er den musikalischen Schwerpunkt radikal um: Alles musste nun grooven. Die Rhythmus-Gruppe rückte in den Vordergrund und legte den Grundstein für die Tanzmusik des nächsten halben Jahrhunderts, später perfektioniert durch das legendäre Label Motown. Der Fokus auf Beat und Betonungen resultierte nicht nur in der Bassline als das prägende kompositorische Element des Songs, sondern erweiterte sich auf alle Instrumente – auch der Gesang erlangte so die Möglichkeit zur rhythmischen Gestaltung und legte somit den Grundstein für…
James Brown – „Sex Machine“:
https://youtu.be/1UzZUfFUnxY
Parliament – „Flashlight“:
4. HipHop
Die größte Jugendkultur der Welt musste sich ihren Status wie alle Revolutionen, ob in Musik, Politik oder Gesellschaft, hart erkämpfen. Von den ersten Breakbeats in der Bronx über „Fuck Tha Police“ in Compton bis hin zum heutzutage alles dominierenden Südstaaten-Sound – Rap entstammt der von systematischer Diskriminierung und Kriminalität geprägten Schwarzen Unterschicht der USA und sprach schon früh Themen um Polizeigewalt und soziale Ungleichheit an, auch durch den unbändigen Willen, sich bis ganz nach oben zu kämpfen. Als Ende der 90er dann mit Eminem ein weißer Rapper Maßstäbe in Sachen kommerziellen Erfolg einer traditionell afroamerikanischen Musikkultur setzte, erinnerte es etwas an Rock’n’Roll-King Elvis 40 Jahre zuvor. Mittlerweile ist Rap zu einem multidimensionalen Oberbegriff für die unterschiedlichsten Subgenres geworden und prägt in den USA wie hierzulande den Pop nicht nur in musikalischer Hinsicht maßgeblich, sondern auch die Charts und die Playlists Jugendlicher jeglicher Herkunft. Eine positive Entwicklung, welch verbindenden Charakter Musik haben kann – und umso wichtiger, sich des prekären Ursprungs des Genres zu erinnern.
Grandmaster Flash & The Furious Five – „The Message“:
N.W.A. – „Fuck Tha Police“:
Childish Gambino – „This Is America“: