Cat Stevens: „Alles was ich sagen will, drücke ich in meiner Musik aus!“


Cat Stevens gehört zu den Musikern, die gleich den 'Troubadouren' und 'Minstrels' vergangener Zeiten monatelang oder gar für Jahre verschwunden sind und dann urplötzlich wieder auftauchen. Bob Dylan gehört zu ihnen, sicher auch Paul Simon und natürlich auch Cat (Steve) Stevens ... Gross war also die Resonanz, als bekannt wurde: Cat ist wieder da! Nach viermonatiger Arbeit an seinem neuen Album 'The Buddha And The Chocolate Box', gab es einige Ankündigungen für Konzerte in England, es gab einige Dementi von Cat's Manager, aber schliesslich war es soweit: vor wenigen Wochen trat Cat Stevens im alten Londoner Drury Lane Theatre auf. ME war dabei:

Ich wusste schon vorher, dass ein Cat Stevens Konzert in London anders sein würde, als Popkonzerte in Deutschland. Zumindest entsteht durch die plüschige‘ Rokoko-Atmossphäre des Drury Lane‘ immer eine etwas feierliche Stimmung; ein bisschen so wie bei einem klassischen‘ Liederabend. Dementsprechend in Schale 1 geworfen hatten sich auch die Leute an diesem Abend. Man konnte dunkle Anzüge sehen und lange Abendkleider. „Wieso“, fragte ich mich „zieht man die Sache so spiessig auf?‘ 1 Keine Ahnung. Ein Blick auf die Bühne zeigte jedenfalls Erfreulicheres: zwischen einer Unzahl üblicher und exotischer Instrumente, hatte man schöne japanische Paravents aufgestellt. Aus allerlei Töpfen wucherten tropische Pflanzen: Zen-Buddhismus und Südsee-Romantik spielen also noch immer eine Rolle bei Steve. Man konnte gespannt sein . ..

DIE MÄDCHEN SEUFZTEN

Die Musiker (fat man‘ Jean Roussel. keyboards‘. Alun Davis gif, Gerry Conway ‚drums‘, Bruce Lynch bass‘, dessen Frau Suzanne und ein anderes Mädchen ‚backing vocals‘) nehmen ihre Plätze ein, Cat schnappt sich eine Gitarre und los geht’s mit Moonshadow‘. Das Lied ist wohlbekannt – man applaudiert höflich. Es folgen ein paar Songs vom Teaser‘ und vom ‚Catch Bull At Four‘-Album. Das Publikum bleibt zurückhaltend … Cat macht seine Ankündigungen, er tut es in etwas verkrampfter Entertainer-manier. DAS hatte ich nicht erwartet! Aber tatsächlich, es ist der richtige Ton für dieses Publikum – es lacht folgsam bei jedem joke. Irgendwie fühle ich mich deplaziert, etwa so wie bei einem, na sagen wir mal Knef-Konzert. Aber es gibt ja immer wieder viel, viel Musik, und da ist Cat sich gleich geblieben: introvertiert, poetisch, liebevoll – die nervöse Aufgekraztheit, die er zwischen den Nummern zeigt, fällt völlig von ihm ab. Auch seine neuen Songs wie ‚Oh, Very Young‘ (inzwischen ein Top-Hit) sprechen noch immer direkt an. Zarte Balladen wie How can I teil you‘ oder Sad Lisa‘ lassen die zahlreich erschienenen Mädchen hörbar aufseufzen. Cat wechselt viel zwischen Piano und Gitarre, als er letztere (übrigens ein schönes Instrument mit gewölbtem Resonanzkörper) wieder zur Hand nimmt, erklingt Lady d’Arbanville‘, ein Song auf den alle gewartet haben. Live hört es sich ganz anders an als die Studiofassung. Es ist durchsetzt mit ‚Foreigner-suite‘-Elementen. ist lauter und hat mehr drive‘. Es ist offensichtlich: Steve hat sich verändert, seine Musik ist um Dimensionen reicher geworden. – Er stellt einen weiteren Song vom Buddha-Album vor: ‚Music‘: hektische Gesangspartien, glashartes Klavier und viel backing vocals‘.

Über Linda Lewis, die Cat anschliessend vorstellte, nur soviel: Sie ist ein nettes, milchkaffeefarbenes Mädchen mit einer aussergewöhnlich variablen Stimme, ihre Reggae-songs‘ und anderen musikalischen Scherze kamen allerdings beim Publikum nicht besonders an. Ist es ihr Foreigner‘-Appeal, ihre exotische Erscheinung, die Cat veranlassten, Linda Lewis mit ins Programm aufzunehmen? Wer weiss . . .

PEACETRAIN IST ABGEFAHREN

Nach der Pause ist er jedenfalls wieder da, setzt sich an den Flügel und bringt einen Satz aus der ‚Foreignersuite‘. Es folgt The boy with the moon and the star on his head‘, ein Lied aus der Moonshadow-Zeit. Er hat es vor Jahren in Spanien komponiert, sagt Steve. Vielleicht ist es gerade was, was Cat so sympathisch, aber auch schwierig und unzugänglich macht: alle seine Lieder haben etwas sehr Privates und Autobiographisches. Er singt sie mehr für sich als für andere, wahrscheinlich sind deshalb seine Auftritte so selten. Aber an diesem Abend ist er grossartig. Cat wird zum Ende des Konzerts hin immer relaxter. und auch das Publikum taut während des etwa zweistünd.gen Gigs immer mehr auf. Am besten kommen die älteren Songs an: Where do the children play‘, Peacetrain‘ und ‚Father and Son . Viel zu schnell ist die letzte Nummer gelaufen, die Leute stehen auf, rufen More‘, Cat kommt zurück und als Zugabe gibt es Later‘. wieder aus der Foreigner-suite‘. Irgendwie ist dieses vorletzte Album im Programm überrepräsentiert. Es scheint so, als ob Steve klarmachen will Ich spiele zwar noch meine alten Lieder, aber ich habe mich weiterentwickelt. Begreift das.’Das muss man wohl akzeptieren.‘

NO INTERVIEW

Nach dem Konzert hat die Plattenfirma noch einen Empfang arrangiert. Steve hat sein Erscheinen nach langen Verhandlungen zugesichert. Er ist sehr scheu, sehr schwierig‘, höre ich von allen Seiten. Aber trotzdem: ein paar Fragen muss ich ihm stellen. Es ist nicht leicht ihn unter den etwa 150 Leuten wiederzufinden. Alle halten Sektgläser in der Hand und machen in small-talk‘. Als ich dann neben ihm stehe und um ein Interview bitte, lautet die Antwort ‚No‘. Das hatte ich befürchtet. Ich frage aber trotzdem Wieso nicht?‘ Cat: Weisst Du. ich spreche nicht mit Presse-Leuten, ich drücke alles, was ich sagen will in meiner Musik aus. Es gibt nichts zu bereden. Er sagt noch, dass er es fantastisch findet wieder vor Publikum zu spielen. Mehr war nicht rauszukriegen. Er nimmt also das Foreigner-suite‘-Motto sehr wörtlich: „There are no words, I could use’cos the meaning still leaves for you to choose . . .“ Mit anderen Worten:“.Kein Kommentar“. O.K. Steve, ich habe verstanden.