Cat Stevens


Weniger als ein Jahr war Cat Stevens mal wieder in der Versenkung verschwunden. Ende 1975 tauchte er gut gelaunt wieder auf, im Schlepp seine neue LP: "Numbers" ist die Geschichte des Planeten Polygor und seiner neun witzigen Bewohner, die - von Cat Stevens illustriert - kurz in einer Beilage des aufwendig gestalteten Plattencovers vorgestellt werden. Wer dabei neugierig auf die Story von Polygor wird, kann sie in dem Buch "Numbers" nachlesen, das Chris Bryant und Allan Scott nach einer Idee des Künstlers schrieben.

Cat Stevens, der bei der Party anlässlich der Goldverleihung für „Teaser And The Firecat“ ein Einzelinterview vor seinem ersten Deutschlandkonzert seit langem noch ablehnte, war am Abend vor seinem Düsseldorfer Konzert doch sehr gesprächig aufgelegt. In der Bar seines Hotels erzählte und philosophierte er, bis er schließlich mit seinen Musikern, vom Hunger geplagt, ein vegetarisches Restaurant ansteuerte. Doch ehe wir auf unser Gespräch kommen, noch einiges zu „Numbers“: Die neue LP zählt zweifellos zu den anspruchsvollsten Stevens-Produktionen. Nach „Whistlestar“, der fröhlich inspirierten, karibisch angehauchten Piano-Einleitung (Stevens-Assoziation: „An Englishman walking on Ipanema“) folgen ruhige Arrangements, die einen nicht gerade beim ersten Anhören packen. Cat Stevens hatte gute Musiker zur Seite. Gitarrist Alun Davis, Drummer Gary Conway, Bassist Bruce Lynch und das kugelrunde Keyboard-Ass Jean Rüssel gehörten auch zur Background-Crew, die Cat Stevens auf seiner jüngsten Tournee begleitete. Steve, wie ihn seine Freunde nennen, präsentierte einen sauberen, angenehmen Sound vor astrologischer Kulisse, brachte alte Hits und neue Songs und dokumentierte seinen magischen Fimmel, indem er zur Begrüßung ein Zauber-Trio auf die Bühne schickte.

Von Pythagoras bis zum Computer

Astrologie und Zahlen haben es ihm angetan, speziell die Zahl 9 und die damit verbundene Dreierkombination. Über dieses Thema kann er stundenlang reden, kommt vom Hundertsten ins Tausendste, von Pythagoras bis zum Computer. Von Pythagoras inspiriert, suchte er sich genau neun Bewohner für den Planeten Polygor, von dem aus täglich Tausende von Nummern an die Welten des Universums verteilt werden…

Cat Stevens schrieb die Songs für „Numbers“ in Brasilien. Für dieses Land schwärmt er, seitdem er dort den Karneval erlebt hat. „Ich müßte einfach wieder dorthin“, erklärte er begeistert. Und da er es zu Hause sowieso kaum aushalten, verzog er sich für einige Monate in südamerikanische Gefilde.

ME: Hat Dich die Atmosphäre dort zu „Whistlestar“ inspiriert, oder ist der Titel ganz einfach eine Folge des gegenwärtigen Reggae-Trends? Lässt Du Dich überhaupt von neuen Strömungen beeinflussen?

Cat Stevens: Nein, damit hat es nichts zu tun. Ich bin mit Reggae und karibischer Musik schon lange vertraut. Wenn ich schreibe, plane ich nie, wie es später klingen soll.

ME: Du scheinst nie etwas zu planen…tust Du alles impulsiv?

Cat Stevens: Genau, deshalb kann ich Dir auch heute gar nicht mehr erklären, wie die Songs entstanden sind.

ME: Aber irgendetwas muß Dich doch zu der Idee von „Numbers“ inspiriert haben.

Cat Stevens: Die Grundidee ist die Situation von neun Leuten auf einem Planeten…

ME: …und eines Tages kommt der große Hammer, der den Trott auf Polygor schlagartig ändert. In dem Textheft ist das ja nur angedeutet.

Cat Stevens (geheimnisvoll): Das wirst Du in dem Buch finden!

ME: Du hast zwar auf dem Plattencover die originelle Empfehlung: „This album isn’t to take 2 seriously“. Aber vermutlich steckt hinter den naiven Figuren wie dem Herrscher Monad, dem untertänigen Dupey, dem Tölpel Octave oder dem Weisen Novim doch irgendeine Symbolik.

Cat Stevens: Es ist oft schwer, Symbolik in ihrer Einfachheit zu verstehen. Aber auf einen Nenner gebracht, spiegelt „Numbers“ in gewisser Weise die Situation unserer Erde wieder.

ME: Siehst Du die Geschichte als Fiktion oder als Märchen, vielleicht sogar für Kinder geschrieben? Du hast ja schon ein Kinderbuch mit eigenen Illustrationen herausgebracht.

Cat Stevens: Ja, man kann es als eine Art Fiktion verstehen, aber ich habe es nicht für Kinder geschrieben. Obwohl Kinder viel mehr Gefühl besitzen als Erwachsene und fähig sind, echte Beziehungen zu entwickeln.

ME: Du hast ein auffälliges Fable für Kinder.

Cat Stevens: Ja, denn Kinder sind die echten Menschen. Wenn ich etwas geschrieben hab, dann gehe ich damit zu erst zu meinen kleinen Neffen. Wenn sie nichts damit anfangen können, weiß ich, daß ich es ändern muß, vereinfachen!

ME: Du betonst immer, daß Du ein spontaner, impulsiver Typ bist. In welcher Stimmung bringst Du Deine Ideen zu Papier?

Cat Stevens: Wenn ich einen Song schreibe, weiß ich genau, für wen. Ich habe keine visuelle Vorstellung, male mir jedoch genau aus, was diese fiktive Gestalt denkt, wie sie empfindet, was sie fühlt und wie sie dieses Lied versteht.

ME: Wie stellst du dir überhaupt das ideale Publikum für dich vor?

Cat Stevens: Der „perfect listener“ ist fähig meine Songs aufzunehmen, wie ich sie ihm gebe und fähig eine gegenseitige Beziehung einzugehen.

ME: Interessierst Du Dich eigentlich für Pressekritiken? Ich denke eben speziell an die Rezensionen Deiner neuen LP, die in einer englischen Zeitung nicht gerade euphorisch behandelt wurde.

Cat Stevens: Ich kenne den Mann nicht, der das geschrieben hat und weiß auch nichts von seiner Einstellung. Er hat seine Meinung zum Ausdruck gebracht, und das akzeptiere ich. Ich bin kein Typ, der nach jedem Konzert sofort die Zeitungen kommen läßt, um zu lesen, ob ich fantastisch oder unheimlich schlecht war. Für mich ist das unwichtig, entscheidender ist die Reaktion des Publikums auf meine Musik.