Carl Barât


Der solierende Libertine traut sich im Hamburger Uebel & Gefährlich selbst nicht über den Weg.

Seit wann ist Carl Barât zum Angsthasen mutiert? Hat er etwa nicht eine der gefährlichsten Bands einer Dekade gegründet? Ja, hat er. Und jetzt steht der Mann in Jeans-und-Lederjacken-Montur wie immer auf der Bühne und alles ist anders: belanglos nämlich. Der Reihe nach: Barât ist heute als Solo-Künstler angekündigt. Auf seinem Debüt klingt er wie Marc Almond. Barât erklärt dazu, er konnte „die immer gleichen Indie-Gitarren nicht mehr hören.“ Keine zehn Minuten im Konzert erklingt „The Man Who Would Be King“ vom zweiten Libertines-Album. Barât sieht nicht so aus, als müsse er danach direkt zum Ohrenarzt.

Im Gegenteil: Immer, wenn er die „immer gleiche Indie-Gitarre“ im Arm hält, erwacht er zum Leben. Steht er hingegen nur mit Mikro und einem neuen Song vor dem Publikum, wirkt er wie der Aushilfslehrer, der froh ist, wenn ihn die Pausenklingel erlöst. Auch die überschaubaren Besucher fühlen sich bei Oldies wie „Death On The Stairs“ und „France“ am wohlsten. Es ist eine Schande, dass Barât sich selbst so wenig über den Weg traut. Bloß niemanden verprellen. Dabei tragen Songs wie das theatralische „Carve My Name“ doch. Oder der sachte Liebesabgesang „So Long, My Lover“. Als er nach 50 Minuten verschwindet, hat man dennoch Lust, ihn abzuschreiben. Dann kehrt er allein mit Akustikgitarre zurück. Und scheint sich selbst eine Standpauke verpasst zu haben. Die nackte Version des Dirty-Pretty-Things-Songs „9 Lives“ bewegt. In der klassischen Version von „Music When The Lights Go Out“ ergibt endlich auch das Cello auf der Bühne Sinn. „I fucked it up“, nuschelt Barât trotzdem und spielt „Don’t Look Back Into The Sun“. Indeed. Mehr Mut beim nächsten Mal!

Story & Albumkritik ME 11/10