Cardigans


FÜR DIE EINEN SIND UND BLEIBEN SIE DIE NIEDLICHSTE VERFUHRUNG, SEIT ES Popbands gibt. Für die anderen gehören die Cardigans immer noch ins argwöhnisch beäugte „Easy Listening“-Regal. Haben diese Menschen nicht mitbekommen, was geschehen ist? Waren „Lovefool“, „Erase/Rewind“ und „Favourite Game“ nicht Hit genug, um zu demonstrieren, daß die Schweden nicht mehr klein und niedlich, sondern groß, größer, großartig sind? In Berlin jedenfalls dachte man, daß ein 700 Personen fassender Club ausreichen würde, um die vermeintlich überschaubare Menge der Mädchen mit den Plastikhaarspangen zu beherbergen und auch die Jungs mit den Strickpollundern, die schon zu früheren Gastspielen der Cardigans gekommen waren. Erst als deutlich wurde, daß auch Lederjackenbiker und angehende Haupstadtarchitekten ein Ticket gekauft hatten, verlegte man das Konzert in die große Columbiahalle. Den Cardigans wird’s recht gewesen sein, waren sie doch gekommen, um große Rockshow zu machen: dramatisches Intro, flackerndes Licht auf leerer Bühne.

Gleich zu Beginn quälen sich zwei jener verzerrten, von Rückkopplungen zersetzten Songmonstren aus den Boxen, die das neue Album „Gran Turismo“ zu einem so schwerverdaulichen Brocken machen. Peter Svensson an der Gitarre ist ganz der Rocker in Schwarz: Schmiere in den Haaren, Metallkette am Hosenbund, legt er sich ins Zeug, geht bei jedem Feedback in die Knie,als könnt er’s kaum verkraften. Und unser aller Nina-Darling, plüschige Königin der second-hand-Mode? Ihre Stimme ist ernst, rauh, droht im Verlauf des Konzerts mehrmals,den Dienst zu versagen. Die Unbeschwertheit ist verloren. Sie hat der Konzentration platzgemacht und will selbst in den sorglosesten 6oies-Popsongs wie „Rise & Shine“ nicht wiederkehren. Rockstar killed the swedish cool? Das zum Glück dann doch nicht. Die Cardigans mögen ihre Unschuld verloren haben, aber sie haben sich auch aus der zu eng gewordenen Hülle des ewig Niedlichen befreit. Da stört es kaum, daß manch neuer Song nicht in der atmosphärischen Intensität gelingt, die „Gran Turismo“ letztlich überzeugen läßt. Der neue Sound transportiert selbst die Songs aus der Anfangszeit der Band überzeugend ins Arenaformat. Und wer die Cardigans nie im kleinen Club gesehen hat, erhält als Zugabe mit „My Favourite Game“ eine Reminiszenz an jene unbeschwerte Zeit um die Ohren gebraten.