Campinos großer Kampf gegen das Egalwerden


iTunes-Singles-Charts vom 17. April 2012, Platz 12: Die Toten Hosen, „Tage wie diese“

Zu den Toten Hosen kann man ja eigentlich gar keine Meinung mehr haben. Mal ganz abgesehen davon, wie schön es ist, nicht immer eine Meinung haben zu müssen. Egalfinden ist toll. Egalsein nicht so.

Vielleicht, denkt man dann gleich, wenn man liest, dass das neue Album der Toten Hosen Ballast der Republik heißt: Vielleicht ist der größte Kampf, den Campino wieder und wieder zu führen hat, der gegen das Egalwerden. Aber das würde er wohl nie zugeben. Vielleicht stimmt das ja aber auch gar nicht.

Anders als kämpfend jedenfalls kann man sich Campino nicht vorstellen, das ist sein Modus Operandi, darum ging es stets erst mal, ums Kämpfen. Für das richtige Leben und gegen das falsche vor allem. Die Welt wurde in Freund und Feind geteilt, und als das richtige Leben irgendwann durchgesetzt war und es eigentlich keine Feinde mehr gab, hat Campino sich halt welche gemacht, sich welche erfunden. So war das, denkt man zumindest.

Und hört nun also diese neue Single, in der es, wird Campino zitiert, darum gehe, den Moment zu zelebrieren, „der so vielleicht nicht mehr wiederkommt“. Er singt: „An Tagen wie diesen wünscht man sich Unendlichkeit / An Tagen wie diesen haben wir noch ewig Zeit“. Gekämpft wird hier also um die Gegenwart und darum, wie sie total wird in der Ekstase in und mit der Musik. Die Zeit gehört gedehnt und angehalten, auf dass wir uns in ihr verlieren, nein, finden. Ach, Augenblick, verweile doch: So weit, so klar.

Gekämpft wird in „Tage wie diese“ symbolisch aber auch darum, die Gegenwart weiter für sich reklamieren zu können, nach 30 Jahren Bandgeschichte, und um das Recht und die behauptete Pflicht, die Gegenwart weiter zu beschreiben, so wie man sie sieht.

Gekämpft wird letztlich nicht bloß gegen das Vergehen der Zeit, nicht bloß um einen weiteren Moment voll Ewigkeit, gekämpft wird letztlich: gegen den Tod und für die Erlösung. Es geht wieder um alles bei Campino.

Das kann einem unangenehm sein und zu groß erscheinen, zu pathetisch, zu aufdringlich, zu alttestamentarisch. Aber drunter macht es Campino anscheinend nicht mehr. Er führt den Kampf seines Lebens.

Egal kann der nicht werden.