Calamity Jane
Auf ihrem Duettalbum rendez-vous versammelt Frankreichs Popkultur-Ikone Jane Birkin alte Bekannte und junge Stars vor ihrem Mikro.
„was mich freut, ist, dass dieses Album sich nicht auf spezifische Erlebnisse bezieht“, sagt Jane Birkin und lächelt, „nicht so wie Serges Songs.“ Man merkt es in jedem zweiten Satz: Serge Gainsbourg, Ex-Mann und Ex-Duettpartner, ist nach wie vor ein großes Thema im Leben der 57-jährigen Sängerin und Schauspielerin. „Er weicht nicht von meiner Schulter. „Auch 23 Jahre nach der Trennung und 13 Jahre nach dem Tod des großen Provokateurs.
Am Anfang war der Skandal. 20 Sekunden Nacktszene in Michelangelo Antonionis „Blow Up“, das kopulative Stöhnen in Gainsbourgs Mega-Hit „Je t’aime moi non plus“, ein Foto-Shooting für das Männermagazin „Lui“, bei dem sie mehr oder weniger nackt an eine Heizung gekettet war, Auftritte als Nymphchen in „Swimming Pool“ an der Seite von Alain Delon. Jane Birkin hatte ihren Ruf früh weg. Ihr androgyner Körper, ihr naives, unbekümmertes Wesen und ihre fragile Stimme mit dem britischen Akzent waren stilprägende Elemente der 70er-Jahre-Popkultur.
Die 1946 geborene Tochter eines Offiziers und einer Schauspielerin war als blutjunge Ehefrau des James-Bond-Komponisten John Barry bereits Mitte der 60er Jahre in die Schlagzeilen geraten. Aus dem Swinging London der Beatles und Stones zog sie nach der Trennung von Barry 1968 nach Paris. In Grimblats B-Movie „Slogan“ trat sie erstmals an der Seite Serge Gainsbourgs auf, der für die nächsten 16 Jahre Birkins Partner werden sollte. Serge und Jane spielten ihre Rolle als enfants terribles mit Bravour. Mit zweideutigen Chansons wie „69 Annee Erotique“, „Les Sucettes“ oder später „Les Dessous Chics“ hauchten sie sich von einer Provokation zur nächsten. Als Muse und Chef-Interpretin des als „poet maudit“ verehrten Gainsbourg wurde Jane B. zu einer der wichtigsten Sängerinnen in französischer Sprache. Gainsbourgs Platten aus dieser Zeit (wie das brillante Konzeptalbum melody Nelson) gelten ais Klassiker der französischen Popmusik. Gleichzeitig füllte der Komödienstar Birkin die Kinokassen.
Als die Ehe mit dem alkoholkranken Musiker unter tragischen Umständen zerbrach, wandte sich die Mutter zweier Kinder ernsteren Rollen zu. 1981 heiratete sie den Regisseur Jacques Doillon, wenig später kam ihre dritte Tochter Lou zur Welt.
Musikalisch blieb Birkin ihrem „Entdecker“ Serge Gainsbourg treu. Ihre Bewunderung und Liebe für den 1991 Verstorbenen ist bis heute ungebrochen und äußerte sich in Alben wie „Versions Jane“ (1996) und zuletzt „Arabesque“ (2003). Zusammen mit dem algerischen Violinisten Djamel Benyelles orientalisierte Jane die Klassiker ihres Ex-Manns und erhielt dafür auf ausgedehnten Tourneen weltweit Standing Ovations.
Auf ihrem neuen Werk RENDEZ-VOus geht Birkin neue Wege, ohne die Mythen allzu weit hinter sich zu lassen. Das Duettalbum ist ein Netz aus Verweisen, in dem Gegenwart und Vergangenheit auf witzige und elegante Weise miteinander verknüpft werden. Mit Hilfe der beiden Produzenten Renaud Letang (Manu Chao) und Gonzales entstanden exquisite Song-Partnerschaften mit französischen und internationalen Popstars, mit alten Bekannten und jungen Verehrern.
MUSIKEXPRESS: Der erste Song ihres neuen Albums rendez-vous ist eine ironische Fortschreibung der Legende von Jane B.
jane birkin: Das ist genau, was es sein sollte. „Je M’appelle Jane“ wurde von Mickey 3D geschrieben. Er hatte das Lied in wenigen Stunden getextet und hatte Angst, dass ich es als zu frech zurückweisen würde. Aber ich habe gesagt:
„Nein, geh ruhig noch weiter! Ich trage keinen Heiligenschein. Wenn das Lied zahmer gewesen wäre, hätte er es ja gleich für Ärzte ohne Grenzen schreiben können. Sowas hätte ich nicht singen wollen.
Wer ist denn Mickey 30?
Ein sehr erfolgreicher junger Musiker aus Saint Erienne. Er ist höchstens 25 und ein sehr integerer Mensch. Mickey lebt mit seiner Familie und Freunden in Saint Etienne. und für nichts in der Welt würde er nach Paris kommen. Er ist freundlich und fröhlich und höflich und knuddelig. Sein „Respire“ war ein Knockout-Hit letztes Jahr.
Die Chansonniers Alain Chamfort und Alain Souchon sind Freunde aus alten Tagen, kannten Sie Bryan Ferry auch aus den 70er Jahren ?
Nein, gar nicht. Ich hatte gedacht, dass Bryan Ferry und ich Cole Porter singen würden, und als dann die Rede von Roxy Music war, sagte ich,,Poxy wer?“ Später merkte ich natürlich, dass ich diese Songs sehr wohl kannte und damals höchst wahrscheinlich darauf getanzt hatte. Bryan Ferry war sehr witzig, und das ist es ja auch, was Männer wirklich attraktiv macht, ihr Humor.
Schon in seiner Stimme schwingt dieser britische Humor mit.
Oh ja, ich glaube er ist ein sehr gefährlicher Mann.
Eine Überraschung ist ihr Duett mit dem brasilianischen Superstar Caetano Vetoso.
Als ich Caetano zum ersten Mal nach einem Konzert begegnete, hatte ich Angst, ihn zu zerquetschen. Er ist so feingliedrig, so schön, seine Hände sind halb so groß wie meine. Aber er ist eben nicht nur ein schönes Gesicht und eine schöne Stimme, er ist ein Mann mit Überzeugungen und Tiefgang.
Sie haben sein Lied“O Leaozinho ‚auf Portugiesisch einstudiert.
Ja, und ich wollte den Song von Yosui Inoue eigentlich auf Japanisch singen, wagte es dann aber doch nicht. Inoue ist ja einer der größten Songwriter Japans, ein geheimnisvoller Mann. Wenn er irgendwo auftaucht, bilden sich Staus und die Mädchen kippen scharenweise um. Inoue hat mir erzählt, dass er als Jugendlicher nach England geflogen ist, um in Liverpool vor dem Haus der Beatles zu weinen. Ich finde das typisch für die Gefühlsausbrüche bei Japanern, die ja in ihrer Emotionalität gerne unterschätzt werden. „Canaria“ bezieht sich übrigens auf den Kanarienvogel, den man mit in die Minen herunternimmt, um zu sehen, ob irgendwo Kohlenmonoxid austritt.
Mit Miossec zusammen singen sie „Pour Un Fürt“. Das war ja sogar bei uns in Deutschland ein Riesenhit in den 9oern.
Das Stück funktioniert fast wie ein Kurt-Weill-Lied, wie ein Karusell, irgendwie deutsch. Und obwohl Miossec der derzeit größte Songtexter ist, wollte ich seinen Sprechgesang genau für diesen Schlager. Miossec ist so unglaub attraktiv, und ich habe ihm gesagt, wie sexy es wäre, wenn wir „Pour Un Flirt“ zusammen singen könnten. Er ist rot angelaufen. Was gibt es neben Humor charmanteres, als knallrot anzulaufen?!
Placebo-Sänger Brian Molko ist sicher auch ein Mann mit Humor.
Ja, ein lustiger Kerl. Ich hatte ein Interview mit ihm im Fernsehen gesehen, und seine Antworten waren unglaublich clever und böse, und gleichzeitig ist er ein so gebildeter, guterzogener, hübscher junger Mann. Wenn er singt „There is a uerse in the bible, thatwe are all Mahle,for everything that comes topass“, dann ist das ja nicht gerade ein Pfadfinder- Lied. Es ist wohl der einzige politische Song auf dem Album.
Und neben „T’as Pas Le Droit D’avoir Moins Mal Que Moi“ („Du hast kein Recht, weniger zu leiden als ich „I auch das zynischste auf rend- vous.
Es geht da um ein Paar, das sich gerade getrennt hat und er fordert: „Wenn ich auf dem Teppich liege und blute, dann möchte ich, dass du daneben liegst und genauso leidest“. Es ist ja schließlich auch absolut ekelhaft, wenn du gerade Schluss gemacht hast und es dir so richtig schlecht geht, und dann hörst du, dass der andere mit irgendeinem Nymphchen auf dem Strand herumhüpft.
Wie kamen sie eigentlich aufBeth Gibbons?
Sie ist die Lieblingssängerin meiner Tochter, und ich finde ihr Soloalbum ganz großartig. Lou und ich habenunsim Internet angeschaut, wie Beth aussieht. Und wir dachten beide: „Hey, dann ins Studio kam, trug sie grüne Schuhe und sah aus wie Königin Elizabeth von England, mit ihrem roten Haar. Ein Rot, das es garantiert nicht aus der Flasche gibt. Beth wollte, dass ich wie Marianne Faithful singe, aber ich kann das nicht. Es war nicht leicht mit ihr.
Das Lied, das sie zusammen mit Francoise Hardy singen, heisst ironischerweise „Surannee“ veraltet.
„Surannee“, das ist Francoise pur, was kann man machen?! Sie schreibt wunderbare Songs, aber sie ist faul, und-im Gegensatz zu mir- ist sie immer neugierig auf neue, junge Leute. Franchise ist absolut begeistert von Benjamin Biolay, von Karen Ann und deshalb wollte sie dieses Lied singen. Francoise und ich haben viele Meinungsverschiedenheiten, aber ich liebe sie, und sie ist ein Teil meiner Vergangenheit. Und dieses Lied handelt eben von der Vergangenheit.