Bryan Ferry im Interview: „Ich hoffe, ich sterbe bis dahin …“
... aber nur, falls sich irgendwann bei seinen geliebten Tennisregeln etwas ändern sollte. Wir sprachen mit Bryan Ferry natürlich auch über andere Themen: sein Konzert im Berliner Admiralspalast und die Foto-Ausstellung "An Exhibition".
Am 8. Dezember gibt Bryan Ferry, 66, im Rahmen von Electronic Beats by Telekom ein Konzert im Berliner Admiralspalast. Am selben Tag eröffnet in der Galerie HBC die Ausstellung „Bryan Ferry – An Exhibition“, die den Musiker mit Bildern – Roxy-Music-Albumcover, Kate-Moss-Bilder aus dem Shooting für das Album „Olympia“ – sowie Filmmaterial würdigt. Wir sprachen mit Bryan Ferry.
Musikexpress: Mr. Ferry, Ihre Ausstellung zeigt Bilder Ihrer eigenen Geschichte, als Mitglied bei Roxy Music und als Solomusiker. Sie haben selbst auch schon Fotografie gezeigt, wie bei Ihrer Schau „So London“. Dort kuratierten Sie Stücke Londoner Designer von Fred Perry bis Vivienne Westwood. Was würden Sie zeigen bei einer Ausstellung, die typisch wäre für Berlin?
Bryan Ferry: Das ist schwer zu sagen. Das Besondere an Berlin ist sicher die Verfügbarkeit freier Flächen. Berlin ist Deutschlands kreatives Zentrum. Gerade Ostberlin. Der Osten der Städte. Ostberlin und East London, dort tummeln sich junge Kreative. Es muss ungemein aufregend sein als Kunststudent in Berlin zu leben. Ich sollte meine Fotokamera öfter mit mir tragen. Es mag etwas albern klingen, vereinfachend, aber ich mag auch Landschaftsaufnahmen. Sie sind meine liebsten Motive. Wim Wenders‘ Landschaftsaufnahmen gefallen mir sehr. Dass er gute Bilder von der Natur macht, ist typisch.
Typisch wofür?
Für Menschen wie Wenders. Regisseure, die hauptberuflich mit vielen Menschen zu tun haben. Sie kehren ihnen beizeiten den Rücken zu und fotografieren Landschaften.
Es fällt auf, wie zeitgemäß wiederum gerade Ihre Videos aus den Achtzigern aussehen: Die Models in den Clips zu „Don’t Stop The Dance“ oder „The Right Stuff“ ähneln den heutigen.
Nun ja, alles wiederholt sich, oder? Dabei geht es nicht nur darum, dass sich heute die Achtziger wiederholen. Im 20. Jahrhundert gab es unzählige Ästhetik-Revivals bestimmter Dekaden. Das finde ich okay. Solange es gut aussieht. Bei unseren Liveshows werden Sie auf den Bildschirmen hinter der Band viele Videos sehen aus vergangenen Zeiten.
Vor einem Auftritt in den Achtzigern bei der Sendung „Formel Eins“…
Ich soll bei einem Formel-Eins-Rennen aufgetreten sein?
… pardon, bei der deutschen Musiksendung „Formel Eins“, sagten Sie: Viel erotischer als zwei Menschen miteinander tanzen zu sehen, sei der Tanz zweier Schlangen. Danach gingen sie auf die Bühne und tanzten gleichermaßen geschmeidig wie Furcht einflößend. Ich dachte als Kind: Alles klar, das muss jetzt der Schlangentanz sein.
Was? (lacht). Das hatte ich gesagt? Na gut. Bei unserer aktuellen Tournee begleiten mich zwei Tänzerinnen. Auch sie beherrschen den, wenn Sie so wollen, „Snake Dance“. Lassen Sie sich überraschen!
Ihre Ausstellung „Bryan Ferry – An Exhibition“ zeigt viele Bilder von Kate Moss, die ihr jüngstes Album „Olympia“ zierte. War es leicht Moss für Ihr Cover zu gewinnen?
Glamorous Girls waren schon immer ein Coverthema, für Roxy Music wie für mich als Solomusiker. Kari-Ann Muller stand Model für unsere erste Platte von 1972, dann Amanda Lear. Später Jerry Hall. Danach war oft ich auf den Covern abgebildet. Meine jüngste Platte, „Olympia“, entwickelte sich zu einer sehr wichtigen für mich. Also wollten wir auch jemanden richtige Tolles für das Cover gewinnen. Zur Zeit der Song-Aufnahmen beschäftigte ich mich mit Édouard Manets Gemälde „Olympia“. Das Bild löste 1863 ja einen Skandal aus in Paris aus. Das nackte Model, die wie eine Prostituierte wirkte. Eine Frau der Nacht und ihre Versinnbildlichung. Etwas, das aneckt, Kanten hat, stand auch mir im Sinn, als ich „Olympia“ konzipierte. Es ging mir um eine moderne Interpretation von Manet. Anstelle der Nacktheit trägt Kate Moss Juwelen. Kate Moss hat diese Kanten, ist notorious. Sie ist eine Frau mit Rock’n’Roll-Historie. Und für mich eine Muse, als ich das Album aufnahm.
Wieviele Bilder wurden von ihr gemacht?
Oh Gott, das war ein Alptraum. Welches Bild sollten wir nehmen für das Cover? Wir hatten so viele gute. Die anderen Aufnahmen sind ja im Buch gelandet, das der Deluxe-Edition der CD beigelegt ist. Und die zeigen wir auch in der Ausstellung.
Warum eigentlich ist Moss auf dem Cover kopfüber zu sehen?
(Lacht). To be perverse, I suppose.
„Perverse“ kann im Englischen „verdreht“ bedeuten, aber auch „verdorben“.
Ja. Eigentlich erschien sie nur deshalb kopfüber, weil mir diese Aufnahme am besten gefallen hatte. Das Kopfüber-Bild ist sicherlich nicht die offensichtlichste Art sie zu porträtieren – dafür von einem kommerziellen Standpunkt aus betrachtet riskant, verwirrend. Aber das Cover sollte eben auch nicht zu aufdringlich aussehen.
Was wäre passiert, wenn Kate Moss nicht zugesagt hätte?
Das weiß ich nicht. Wir hatten Glück, denn Kate ist ein Fan meiner Musik. Sie fragte mich sogar, ob ich bei ihrer Hochzeit (Kate Moss heiratete 2010 den „The Kills“-Musiker Jamie Hince) live spiele. Am selben Tag traten wir ja schon bei einem Festival in England auf. Ich hatte Bedenken, ob wir diese zwei Auftritte zeitlich koordinieren könnten. Sie sagte: „Don’t worry, ich schicke einen Hubschrauber.“ Also, 16 Leute rein in den Helikopter und dann los zu ihr. Unser Auftritt bei ihrer Hochzeit fand dann um Mitternacht statt. Wir spielten ihr Lieblingslied. Eine ungewöhnliche Auswahl.
Um welchen Song handelt es sich?
„If There Is Something“ aus unserem ersten Album „Roxy Music“. Dieses Lied hatte ich noch nie auf einer Hochzeit gespielt. Und dann in diesem ungewöhnlichen Setting. Wenige Zuschauer, aber unter ihnen wohl die komplette Modewelt. Ich glaube, die meisten Gäste waren schon etwas betrunken, das hatte auch uns als Musiker etwas Spannung genommen.
Ihre Ausstellung zeigt die Roxy-Music-Cover. Welches gefällt Ihnen am besten?
Das erste, „Roxy Music“, mit Keri-Ann Muller. Es ist das ikonischste. Das zweite wäre „Siren“ von 1975, das Jerry Hall als Nixe auf den Klippen zeigt. Aufnahmen vor Ort zu produzieren war immer gut. Das „Siren“-Bild nahmen wir in einer zerklüfteten Gegend in West-England auf, dort gab es eine wilde Küstenlinie. Für den Tag der Aufnahmen wurde ein Sturm vorher gesagt mit meterhohen Wellen. Dieser Tag stellte sich jedoch als der wärmste Tag der Geschichte heraus. All das merkt man dem Bild vielleicht nicht an. Immerhin, das Cover weckt für mich Assoziationen an griechische Mythologie.
Was müssen das für Zeiten gewesen sein, als noch so viel Wert gelegt wurde auf ein Covershooting vor Ort?
Wir hatten damals gar keine andere Wahl als on location zu produzieren. Die Motive ließen sich nicht künstlich an einem Computer herstellen. Und wie aufregend es war, nach dem Shoot nicht gleich zu wissen, ob die Bilder auch was geworden sind. Das fand man erst Tage später heraus. Heute sieht das alles anders aus. Zwanzig Leute sind gleich vor Ort, jeder hat einen Computer bei sich. Ich glaube, ich hatte damals alle schlechten Bilder gleich verbrannt – Beweisvernichtung (lacht). Heutzutage hat eine öffentliche Person viel weniger Kontrolle über Bilder, alles landet immer irgendwo. Ich wüsste noch nicht mal, wie man twittert. Ich mag es, dass viele Kreative heute ihre Videos selbst produzieren und gleich hochladen. Auch wenn die Qualität vieler Clips natürlich differiert. Das wäre so, als würde man Tennis spielen und sich gleich für Roger Federer halten. Es gibt da unterschiedliche Level.
Sie spielen Tennis?
Es ist die einzige Sportart, die ich spiele. Ich spiele aber nicht in Federers Liga, my dear.
Roger Federer trat zuletzt bei den ATP-Finals in der Londoner O2-Arena auf. Im Gegensatz zu Wimbledon eine britische Tennis-Veranstaltung, die wie ein Rock-Konzert inszeniert wird.
Ja, das hat etwas Amerikanisches. Ich bin eher traditionell. Weiße Kleidung. Stille. Und Asche, Spiele auf Asche! Die French Open sind wirklich stylish, das sehe ich mir gerne an. Asche entschleunigt Tennis auf angenehme Weise, es geht da um Finesse. Nicht immer nur um Aufschlaghammer.
Ein Plan des Tennis-Managers Ion Tiriac sieht vor rote Asche blau zu färben: Dadurch werde eher sichtbar, ob Bälle im Aus landen oder noch die Linie streifen.
Bitte, wie furchtbar. Ich hoffe, ich sterbe, bevor das passiert (lacht). Ich liebe Rot.
Hat sich die Art verändert, wie Musiker ihr Image gestalten?
Das weiß ich nicht. Ich kann nur für mich sprechen. Ich lege heute mehr Wert auf mein Auftreten.
Sie kokettieren, denn Sie legten doch schon in den Siebzigern mehr Wert aufs Äußere als alle anderen.
Je älter man wird, desto wichtiger wird der richtige, angemessene Auftritt.
Ausstellung „Bryan Ferry – An Exhibition“ im HBC, 8. Dezember 2011 bis 8. Januar 2012, Montags und Dienstags ab 19 Uhr und von Mittwoch bis einschließlich Sonntag ab 14 Uhr bis spät nachts. Eintritt frei.