Bryan Ferry: Endorphin is the drug
Ein Vierteljahrhundert im Geschäft und immer noch schwer angesagt: Der Meistercrooner nun wieder solo unterwegs.
„Warum?!“ Bryan Ferrys Augenbrauen zucken in die Höhe, als er in seinem Hamburger Hotelzimmer die Frage wiederholt: „Warum ich noch immer gerne live auftrete? Weil es das Beste ist. Bei keiner anderen Gelegenheit schütte ich so viele – wie sagt man – körpereigene Drogen aus!“ Glauben möchte man’s dem distinguierten Dandy im nachtblauen Einteiler nicht, wie er da mit seinen Manschettenknöpfen und beigen Slippern auf dem Fauteuil flätzt – zumindest so lang, bis man Bryan Ferry auf der Bühne erlebt hat.
Endorphine also sind der Grund, warum der Mann unverdrossen weiter auf Tour geht, um mit seiner alten Band Roxy Music oder im Alleingang an alte Zeiten anzuknüpfen. An gute alte Zeiten, denn seine Konzerte sind Reisen in eine Vergangenheit, als guter Geschmack sich noch besser verkaufte als, na ja, schlechter. Und Roxy Musics Klassiker „Love Is A Drug“ ist da der richtige Opener. Überhaupt war die Tournee mit Roxy Music nicht nur für die ausgehungerten Fans ein Fest, sondern auch für Ferry selbst eine Art Erweckungserlebnis: „Auf der Bühne zu stehen vor einer dermaßen motivierten Band, da kann man schon wieder auf den Geschmack kommen. Bei den Proben haben wir viel improvisiert, und heraus kam die Idee für Frantic, mein Solo-Album.“ Die Platte ist nicht nur ein Parforce-Ritt durch Ferrys Werk, sondern liefert auch interessante Interpretationen fremder Hits – Bob Dylans „Don’t Think Twice“ ist da nur ein Beispiel. „Ich weiß, dass das Lied schon oft gecovert wurde. Deshalb war es mir eine besondere Herausforderung, ihm eine persönliche Note zu geben mit einem Piano statt einer akustischen Gitarre.“ Hinzu kommt, dass sich Ferry der spezifisch britischen Tradition guter Unterhaltung verpflichtet fühlt: „Du musst da raus gehen und dein Bestes geben nicht nur musikalisch!“ Gemeint ist die Performance, die Präsenz des Künstlers und dessen Draht zum Publikum. Und das klappt, seit über 25 Jahren. Dass seine Vorstellungen einen besonderen Reiz haben, weiß Ferry sehr gut. Dass die Nachfrage nach dem Mann im weißen Smoking aber derart ungebrochen ist, das gibt ihm selbst schon Rätsel auf. Warum wollen die Leute immer noch den alternden Crooner sehen? Der 56-Jährige lehnt sich zurück und wirft die Stirn in Falten: „Tja, warum nur, warum?“