Bruce Springsteen &The E Street Band Köln,
One-two-three-four: Ein Abend mit para-orchestral verstärktem Rock'n 'Roll mit der ehemaligen Zukunft des Rock'n 'Roll und seiner heiß geliebten alten Raumschiffbesatzung.
Um halb neun geht das Licht aus in der Kölnarena. „Guten Abend“, brüllt es aus dem Dunkel, „Is anybody alive out there?“ Flächendeckender Jubel. Die Scheinwerfer gehen an, und Bruce Springsteen, die ehemalige Zukunft des Rock’n’Roll, führt seine Band in den archaischen neuen Vier-Akkorde-Spaß „Radio Nowhere“. Die E Street Band sieht aus wie die gealterte Besetzung einer heißgeliebten US-Fernsehfamilie oder wie die nach Ewigkeiten aus dem finsteren Weltall zurückgekehrte Mannschaft eines Raumschiffs, „Ja, es ist feindlich da draußen“, scheinen sie uns zu sagen, „aber wenn wir uns auf ein paar Grundwerte besinnen, kriegen wir die Sache schon zusammen hin. Einer dieser Grundwerte fängt übrigens an mit: ‚One-two-three-four!'“ Es folgt das hysterische „The Ties That Bind“, wie alle übrigen Songs von Springsteen rituell eingezählt. Längst hat sich die Arena in ein amerikanisches Baseball-Stadion verwandelt.
Springsteen ist ganz in seinem Element: Wie angeschossen torkelt er über die Bühne, streckt das markige Kinn vor, grinst breit, brüllt unhörbare „alright“s vor sich hin, feuert die Ränge an, wirft seinem Roadie die Gitarren über mehrere Meter zu und singt bis zur Aderschwellung. Alles sieht nach riesigem Spaß und harter Arbeit aus-eine Gleichzeitigkeit, die es so nur bei Springsteen gibt. Auch sein Band-Ensemble glänzt mit den bewährten Charaktertypen: Max Weinberg, Typ „strenger Sportlehrer“, scheint mit Übergröße-Sticks auf ein Zwergenschlagzeug einzudreschen. Steven Van Zandt gemahnt beim herrlich mürrischen Backgroundgesang in Springsteens Mikro an seine „Sopranos“-Rolle Silvio Dante beim Schutzgeldeintreiben. Wenn er zwischendurch mal lacht, geht die Sonne auf. Und Clarence Clemons, man muss es einfach sagen, trötet sich hier ein paar derart rustikale Parts zusammen, dass man geneigt ist, die Vereinigung gegen klischiertes Saxophon-Getute anzurufen. Doch das ist die große Qualität der E Street Band: So rumpelnd die Musiker einzeln spielen-als Einheit sind sie unschlagbar. Wie sich Saxophon, zwei Tasteninstrumente und bis zu vier Gitarren umschlingen und para-orchestral verstärken, das macht ihnen keiner nach. Außerdem: Wer möchte schon dem Hünen Clemons eine Beule ins Gebläse fahren 7 „One-two-three-four!“ Kaum hat man sich erholt, kommt der nächste Song. Springsteen spricht nur selten, und die Ansagen sind so einstudiert wie die Songs. Doch genau hierin liegt sein Genie. Das ist es. was man entweder an ihm liebt oder hasst: Springsteen steht für eine Rock’n’Roll-Naivität, die weder vor ihm noch nach ihm als derart wuchtiges Showbiz inszeniert wurde. Das vor allem ist Springsteen: Showbiz, das die vermeintliche Authentizität so perfekt inszeniert, dass sie an rührend wirkt. In Hollywood geht man ähnlich vor. >»www.brucespringsteen.net