Bright Eyes
München, Feierwerk
Erhebend: Das lang erwartete Konzert von Indie-Held und Hoffnungsträger Conor Oberst und seinen Saddle-Creek-Labelfreunden The Good Life und Azure Ray.
Geflügelte Boten aus den Nordländern haben bange Kund in unsere Hallen getragen. Herrgott. Wochenlang haben wir die Minuten gezählt, bis zuletzt Ungläubige missioniert – und jetzt heißt es, das Konzert von Bright Eyes in Hamburg sei ein chaotischer Wasserschlag gewesen mit am Boden sitzenden Musikern und ungroovy Vibrationen in der Luft. Weil, so weiter, Conor Oberst just in Schweden der Erfolg zu Kopf gestiegen sei. Plötzlich so, wuuusch!, Erfolg zu Kopf gestiegen. In Schweden. Aha. Alles klar. Wir lassen die Boten stehen, schlagen ihre Kund in den kalten Novemberwind und müssen los, weil um acht ja schon Azure Ray anfangen sollen, und klar wie heute war selten gewesen, dass man nicht einmal eine von zwei Vorbands verpassen will. Conor Obersts Freunde sollen auch unsere Freunde sein.
Azure Ray sind Orenda Fink und Maria Taylor. Sie singen zweistimmig gehauchte Zeitlupen-Cosmic-Folk-Songs, neben denen Mazzy Star wirken wie ein Haufen ungewaschener Vorstadt-Hools. Als sie entschweben, ist es im Feierwerk wärmer als zuvor, nicht nur von der Raumtemperatur her. Der zweite Act der Rolling Saddle Revue sind The Good Life um Obersts Labelpartner Tim Kasher. Den sah man vorhin schon leicht verschwitzt und gehetzt herumstreunen, jetzt schmeißt er sich mit voller emotionaler Wucht in seine herzwringenden Songs, taumelt mit geschlossenen Augen, biegt sich, schreit – grandios; diese Omahans machen keine Gefangenen.
Eine Viertelstunde nach The Good Life steht dann plötzlich ein schmächtiger junger Mann mit schwarzem Schopf auf der Bühne, nimmt eine Gitarre und fängt an zu singen mit dieser bebenden, fiebernden Stimme – die eben noch plappernde Menge verstummt: Oberst. Vom ersten Moment, mit den ersten Songs von „Lifted…“, zieht er alle in seinen Bann, konzentriert, ernst, den Blick gesenkt. Das Bright-Eyes-Ensemble, unter anderem mit Maria Taylor am Schlagzeug und Tim Kasher am Akkordeon, kommt, geht, changiert; am Ende des Abends wird es schwierig sein nachzuzeichnen, wer in wie vielen Bands welche Instrumente (Pedal Steel, Banjo, Piano etc.) spielte. Einmal stockt Oberst inmitten eines älteren Songs und muss sich unter dem Gefrotzel der Band von Good Life-Keyboarderm Jiha Lee den Text soufflieren lassen. Ein kritischer Moment für die wunde Künstlerseele? Oberst grinst, zählt neu ein, weiter geht’s. Ob dem irgendwas zu Kopf gestiegen ist außer den Flaschen Wein und Whiskey, die der Catering-Mann früher am Abend backstage getragen hat? Und wenn schon. Spätestens nach dem Fast-Finale „Let’s Not Shit Ourselves“ liegen sich alle – physisch oder gefühlsmäßig – in den Armen. Lifted. fürwahr. www.saddle-creek.com