Brian Wilson
Das größte Pop-Genie Kaliforniens erzählt, wie Gospel, Harmonie und ein Song im Radio der Anfang von allem waren. Und er gibt gerne zu, dass ihn aktuelle Musik nicht interessiert. Das Maß seiner Dinge bleiben Phil Spector, die Beatles und natürlich: die Beach Boys.
Der Song, mit dem alles angefangen hat…
Bill Haley
Rock Around The Clock (1954)
Ich war in der Highschool, als ich eines Tages zwischen zwei Unterrichtsstunden diesen Song im Radio hörte. Daraufhin bin ich sofort losgezogen und habe die Platte gekauft. Möglicherweise war das sogar die erste Platte, die ich jemals gekauft habe. Ich habe mein Leben lang Musik gemacht, aber Bill Haley zu hören, lehrte mich, mit mehr Energie und Präzision Musik zu schreiben. Meine Brüder mochten den Song auch. Jeder, der diese Platte hört, müsste sie mögen.
Als ich Pet Sounds machte…
The Ronettes
Be My Baby (1963)
Ich erinnere mich, dass ich „Be My Baby“ zu Hause, in meinem Auto, praktisch überall, wo ich hinging, gehört habe. Ich dachte: „Mein Gott, so etwas wie das hier muss ich auch machen.“ Ich war besessen davon, es war so gut. Niemand kam damals an das heran, was Phil Spector mit diesem Song gemacht hat. Deshalb versuchte ich, mir etwas Besseres auszudenken. So lief das damals in den Sechzigern: Wir machten Sachen, die den anderen umhauten.
Als wir die Beach Boys gründeten…
The Beach Boys
He Came Down (1972)
Wir gründeten zuerst eine Band, die Carl & The Passions hieß. Ich wollte, dass mein Bruder Carl in der Band ist, aber er hatte keine Lust. Daher dachte ich, dass er mitmachen würde, wenn ich sie nach ihm benenne. Das ist ein spiritueller Song, ein altes Gospel-Lied, und es war das erste Stück, das wir zusammen sangen (eine Version findet sich auf dem 72er-Beach-Boys-Album Carl & The Passions – So Tough).
Als Smile scheiterte…
The Beatles
She’s Leaving Home (1967)
Nach Pet Sounds wollte ich die Menschen zu einem Ort führen, der sie sogar noch glücklicher machen sollte – mit dem Album Smile. Ich mochte „She’s Leaving Home“ von den Beatles damals sehr gerne, wollte aber versuchen, etwas zu machen, was der Zeit voraus war. Unglücklicherweise war Smile seiner Zeit zu weit voraus – um genau zu sein, um 35 Jahre. Mir gefiel es, wie Van Dyke Parks die Texte von Pet Sounds auf einer eher symbolischen Ebene hielt. Ich habe ihn auch nie gefragt, welche Bedeutung sie haben.
Wie ich gelernt habe, Harmonien zu schreiben…
The Four Freshman
Voices in Modern (1955)
Ich habe meine musikalische Ausbildung durch die Four Freshman erhalten. Immer und immer wieder habe ich ihre Platten gehört und herausgearbeitet, wie sie ihre Harmonien zusammensetzen. Man lernt am besten, wenn man den Songs zuhört, die man liebt. Danach habe ich meinen Jungs beigebracht, wie man die Lieder singt. Doch als ich Phil Spector und „Turn! Turn! Turn!“ von den Byrds hörte, warf das all das komplett über den Haufen.
Als ich wieder auf Tour ging…
The Doobie Brothers
What A Fool Believes (1978)
Es fühlt sich ziemlich gut an, wieder zurück auf der Bühne zu sein, obwohl ich ziemlich nervös war, als ich die Konzerte für Pet Sounds und Smile spielte. Ich nehme auch wieder auf. Bald beginne ich mit den Arbeiten an einem Hard-Rock-Album. Das ist der Song, der mich richtig begeisterte, 1982, als ich ihn zum ersten Mal hörte. Ich höre keine neue Musik, just the oldies but goodies.
Randnotizen:
* Die Beach Boys mussten auf Tour ab 1964 ohne Brian Wilson auskommen, weil der es vorzog, im Studio zu arbeiten – an Pet Sounds.
* Als er den umstrittenen Nachfolger Smile aufnahm, ließ er sich einen Sandkasten ins Studio bauen, in das er seinen Flügel stellte, um mit den Füßen im Sand zu spielen.
* Mitte der Neunziger erholte er sich von seiner psychischen Erkrankung und ging sowohl mit Pet Sounds als auch Smile auf Tour.
* Im August 2010 veröffentlichte Wilson mit Brian Wilson Reimagines Gershwin seine Interpretationen von Songs von George und Ira Gershwin. Darauf durfte er auch zwei unfertigen Gershwin-Stücke zu ihrer Vollendung verhelfen.
Der nächste Musikexpress erscheint am 16. Juni 2011.