Boom Tschak
Die Electro-Kolumne
Mehr, mehr, mehr – immer mehr
A Guy Called Gerald, Ellen Allien, Aufgang, Autechre, Chloé, Crookers, Crystal Castles, Marcel Dettmann, DJ Hell, Efdemin, Thomas Fehlmann, Flying Lotus, FM Belfast, Gonjasufi, Headman, Matthew Herbert, James Holden, Ikonika, King Midas Sound, Kode9, LCD Soundsystem, Le Le, Patrick Pulsinger, Pantha Du Prince, Christian Prommer, Scuba, To Rococo Rot, Uffie, Wolfgang Voigt, Walls. Wie bitte?
Die Auflistung, die freilich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, ist als eine Zwischenbilanz zu lesen – über Electro- und -verwandte Künstler, die im ersten Halbjahr 2010 Platten veröffentlicht haben, um genauer zu sein: Alben, Artist-Alben und DJ-Mixes. Aus der Liste wird leicht ersichtlich, dass der Jahrgang 2010 ein sehr guter – der beste seit langem – für elektronische Musik werden wird, auch wenn ab sofort für den Rest des Jahres kein einziges Album mehr veröffentlicht werden würde mit Musik von Instrumenten, die nicht aus Holz hergestellt wurden.
Diese Flut von Alben mutet seltsam an, weil doch seit ein paar Jahren der schleichende Tod des langen Tonträgers immer wieder gerne heraufbeschworen wird. Sind es die Künstler, die in einer Art kulturromantischen Trotzreaktion auf die Veröffentlichung von Alben bestehen, obwohl sie „der Markt“ nicht erfordert? Oder ist es „der Markt“ selbst, der im Widerspruch zu allen Prognosen doch lieber Alben will als Tracks? Es ist nicht abschließend zu klären, was die Masse an guten bis phantastischen Platten von Techno, House über Dubstep, Experimental Hip-Hop bis hin zu Randgebieten wie Electro-Pop, Disco-Punk und Electro-Rock hervorgerufen hat. Aber sicher ist: Es gibt sie.
Eines davon ist IMMER 3 (Kompakt), der dritte Teil einer weltweit einmaligen Serie mit Mix-CDs, die nur ein einziger DJ kompilieren darf: Michael Mayer, Mitinhaber und Artist & Repertoire-Manager des nach wie vor wegweisenden Kölner Kompakt-Labels. Die Tracks auf IMMER 3, sagt Mayer, „sind mehrheitlich langjährige Weggefährten und Geheimwaffen, denen ich blind vertraue. Auch nach tausendmaligem Hören haben sie nichts von ihrem Zauber verloren.“ Mit Ewan Pearsons Remix von Cortney Tidwells ätherischem Folksong „Don’t Let The Stars Keep Us Tangled Up“ baut Mayer eine seltsam melancholische Stimmung auf, die über die Stationen Closer Musik, Ben Watt, Massive Attack, Charlotte Gainsbourg bis hin zu Kinky Justices (Justus Köhncke) Coverversion des Klassikers „New Day“ von Round Two einer Offenheit weicht, die aber der Herausforderung verpflichtet ist. Immer.