Boom Box


Die HipHop-Kolumne von Davide Bortot

Digitaler Blockbuster

Durch einen simplen Trick tauchte das Album von Jay-Z und Kanye West nicht vor Veröffentlichung im Internet auf.

Wer als ehemaliger Kleinkrimineller die Forbes-Liste toppt und Beyoncé ehelicht, der muss alles können. Auch das Internet austricksen? Anscheinend. Denn Watch The Throne, das gemeinsame Projekt von Jay-Z und Kanye West, ist das erste Album seit Menschengedenken, das nicht vor Veröffentlichung im Netz auftauchte. Als es am 8. August 2011 ab 0.00 Uhr bei iTunes USA käuflich zu erwerben war, griffen im Handumdrehen 290.000 Käufer zu. Zum Vergleich: Die bisherige Bestmarke für digitale Wochenverkäufe hielten Coldplay mit 155.000 – Singles.

Der Trick dabei ist simpel. Physische Tonträger wurden zunächst überhaupt nicht ausgeliefert, erst Tage später durfte der Einzelhandelsriese Best Buy ins Rennen einsteigen. So umgingen Jay-Z und seine Firma Roc Nation die üblichen Lecks bei Presswerk und Vertrieb. Ein genialer PR-Schachzug? Gewiss. Ein Modell für die Branche? Eher nicht. Denn zum einen hat Roc Nation mit der unkonventionellen Veröffentlichungsstrategie illegale Downloads nur herausgezögert, nicht aber vermieden. Und zum anderen gehört zum Mitternachtsthrill am Flachbildschirm eben auch eine gewisse Erwartungshaltung – und die generiert nun mal nicht jeder Wald- und Wiesenchanteur. Im HipHop findet ja gerade Ähnliches statt wie im Jogijugendjubelland des deutschen Fußballs. Alte Helden wie 50 Cent und Timbaland sind klangheimlich in der Bedeutungslosigkeit verschwunden, verdrängt von juvenilen Konzeptstars wie dem pöbelnden Tyler, The Creator, dem smarten Drake, dem wunderlichen Lil B. Nur Jay-Z und Kanye West sind in ihren eigenen Sphären jung geblieben, verkaufen, headlinen, revolutionieren weiter nach Belieben. Mit Watch The Throne ist ihnen erneut Geschichtsträchtiges gelungen: der erste klassische Blockbuster der digitalen Ära. Ihren Triumphzug werden sie schon bald in den Multifunktionsarenen der westlichen Welt fortsetzen und entsprechend versilbern.

Die Musik zu all dem übrigens klingt weit weniger spektakulär. Watch The Throne ist letztlich typisch Jay-Z: ein gutes Album eines herausragenden Rappers, mit einer Handvoll Hits, den richtigen Komplizen, einigen wirklich großen Momenten („Murder To Excellence“, „Church In The Wild“) sowie ein paar kaum zu erklärenden Ausfällen. Manche Dinge ändern sich eben nie. Auch dort nicht, wo ständig alles anders wird.