Bonnie Raitt
Die Gunst der Kritiker ist ihr seit 20 Jahren sicher, kommerzieller Erfolg hingegen erst seit dem ’90er Grammy-Album „Nick Of Time“. Über 100 Konzerte jährlich hinterlassen Spuren, ebenso wie das Leben nahe dem Blues, bisweilen von Alkohol und verkorksten Beziehungen gezeichnet. Bonnie Raitt weiß, was sie bewegt. Und davon singt sie — natürlich, selbstsicher, überzeugend.
Lächelnd und locker schreitet sie die Bühne ab, läßt sich vom Rhythmus tragen. Mal sind es hitzige Reggae-Beats, dann Country-Folk mit der Akustik-Gitarre, dann wieder, wie bei „All At Once“ und „I Can’t Make You Love Me“, ein Soul-Feding, das aus emotionalen Tiefen kommt— die auch politisch wache Frau frappiert mit musikalischen Statements, die sich jeder Kategorisierung entziehen. Obwohl auch als Komponistin von Format, scheut sie ¿seh nicht, hat sich noch nie gescheut, Liich Songs von Kollegen vorzustellen. ->o besteht auch diesmal das Set zu großen Teilen aus Coverversionen — darunter natürlich Klassiker wie Wilson Pickett und David Porter (ersterer ein groovender Blues mit Honky-Tonk-Piano, der Porter-Song natürlich „Your Good Thing“, spartanisch instrumentiert, mit einer geradezu demütigen Haltung vorgetragen). Es ist ein behutsam zusammengestelltes Set — „some old stuffand some new stujf, in Szene gesetzt von einer Band, die unglaublich versiert jede Stimmung begleitet. Anfangs in voller (sechs-köpfiger) Besetzung, in der sie sich funkig-groovend präsentiert, später mit minimalistischer Instrumentierung.
Nach dem siedend heißen „Something To Talk About“ gibt es einen Stilwechsel, den Mrs. Raitt per Ansage anzukündigen versucht: „Bevor ich neulich geheiratet habe …“ setzt sie an, wird aber sofort durch Johlen unterbrochen. „Yeah, well“, lacht sie, und es folgt „Tangled And Dark“, eine autobiographische Eigenkomposition, die von schlichtem, blauem Licht eingerahmt wird. Es ist ein weiterer Song, der ebenso Bonnies Schwäche für Funkiges beweist wie diese immer würdige Bescheidenheit, weit weg von peinlicher Selbstdarstellung.
Kurz darauf lädt Bonnie einen „very Special guest“ auf die Bühne: John Hammond. Sie tut es in dem gleichen kollegialen Stil, mit dem sie schon im letzten Jahr Charles Brown mit auf US-Tour nahm — nicht mit gönnerhafter Miene, sondern mit ehrlichem Respekt. Sei es durch derartige Gesten, sei es durch die Natürlichkeit ihrer Präsentation: Bonnie hat die Bühne und das Publikum immer unter Kontrolle, bleibt immer selbstsicher, behält immer die Fäden fest in der Hand — sieht man einmal von einem offenbar spontan für sie gesungenen a Cappella-Stück ab.
Ein Bonnie Raitt-Konzert hinterläßt Spuren: zufrieden lächelnde Gesichter bei einem Publikum nämlich, das sich vorwiegend aus Menschen zusammensetzt, die das 30. Lebensjahr bereits hinter sich haben.