Bon Jovi
Frauenfreund oder furchtloser Rocker? Für John Bongiovi (33) keine Frage. Längst hat sich der einstige Garagenmusiker die Gunst der Massen ersungen. Im sicheren Mainstream macht Johnny B. den Goldenen Schnitt
ME/SOUNDS: Die Doofen, eure heutige Vorgruppe, wollen euch abhängen und schon am nächsten gemeinsamen Abend mit Bon )ovi den Headliner machen. Was hältst du davon? JOHN BONGIOVI: Beim nächsten Mal tragen die vielleicht schon unsere Koffer zum Flughafen. ME/SOUNDS: Was befügelt zu so viel Selbstbewußtsein? JOHN BONGIOVI: Wir sind mit der größten Show unterwegs, die wir je auf die Beine gestellt haben. Es gibt viele Überraschungen, und die Band ist besser denn je.
ME/SOUNDS: Mit Ausnahme eures langjährigen Bassisten Alec John Such, der Jurch Hugh McDonald ersetzt wurde… JOHN BONGIOVI: Alec hat sich langsam aber stetig von der Band entfernt und zeigte zum Schluß kaum noch Interesse. Wenn er seinen Traum vom größten Motorradladen an der amerikanischen Ostküste unbedingt verwirklichen will, bitte schön. Eines der größten Mißverständnisse im Rock’n’Roll ist doch, daß manche meinen, in einer Band zu spielen, käme einem Lebenslänglich gleich. ME/SOUNDS: Wenn man schon nicht lebenslänglich bleiben möchte, so doch wenigstens über einen gewissen Zeitraum hinweg. Auch du tust dafür ja einiges. Die neue Platte beispielsweise ist just zu einer Zeit, in der Balladen Konjunktur haben, erstaunlich ruhig ausgefallen. Ein Zugeständnis an die Verkäuflichkeit? JOHN BONGIOVI: Es ist schwer für uns abzuschätzen, ob ein bestimmter Titel Chancen hat, im Radio gespielt zu werden. Denn wir denken nicht in Rundfunkformaten, sondern viel eher global. ME/SOUNDS: Wie das? JOHN BONGIOVI: Wir reisen um die ganze Welt, und ich weiß nicht, was die jeweiligen lokalen Radiostationen so alles spielen. Allein in New York reicht das Angebot an verschiedenen Sparten aus, dir den Verstand zu rauben — Classic Rock, New Rock, Country, die Top Forty, aktuelle Musik für Erwachsene… alles in einer Stadt. Wie also könnte ich Songs schreiben, mit denen ich es dem Radio recht machen will? ME/SOUNDS: Läßt man die letzten Jahre Revue passieren, ist es euch sogar geglückt, den Rundfunk und seine Hörer glücklich zu machen. Ist auch die neue Platte nach jenem bewährten Strickmuster entstanden, nach dem Richie Sambora und John Bongiovi die Songs quasi als Architekten zu Papier bringen, damit die Band im Anschluß daran das Haus bauen kann? JOHN BONGIOVI: Ja. Und jetzt sind wir wirklich sehr stolz auf ‚These Days‘. Und (das me/Sounds interview)
das, obwohl natürlich jede Band denkt, ihr jeweils letztes Album sei automatisch auch das beste. Dennoch, eine Platte durchläuft viele Stadien, bis sie endlich fertig ist — von der kreativen Energie, die freigesetzt wird, über das eigentliche Songwriting bis hin zum Prozeß der Aufnahme. Was nun ‚These Days‘ betrifft, so kann man wirklich sagen, daß gerade in diese Platte eine Menge Gefühl hineingelegt worden ist. Da war ein hohes Maß an positiver Energie, und darauf sind wir sehr stolz. Immerhin: Auch wir haben mal als Garagenband angefangen. Doch obwohl die Garagen, in denen wir so spielen, im Laufe der Zeit ganz schön groß geworden sind, gibt es bei uns immer noch das Kumpel-Feeling von früher. ME/SOUNDS: Kumpel hin, Kumpel her. Die Zeiten ändern sich. Glaubst du wirklich, daß eine traditionelle Rockshow, wie ihr sie bietet, in der Ära nach dem großen Grunge noch dauerhafte Überlebenschancen hat? JOHN BONGIOVI: Aber klar doch. Gar kein Zweifel. Die einzige Aufmerksamkeit, die wir der Seattle-Szene jemals entgegengebracht haben, war, sie zu ignorieren. Nie hätte ich jemandem vorgemacht, ich käme aus Seattle. Und trotzdem gibt es auch heute noch Typen, die erzählen, sie hätten eine Wohnung in Seattle, und dieser Umstand habe ihr Leben verändert. Versteh‘ mich nicht falsch, ich mag die dortige Musik. Es ist die vitalste Szene, die ich in meiner ganzen Karriere erlebt habe. Ich mag Pearl Jam, und ich mochte Nirvana. Beide haben den Mainstream gehörig gesäubert. Deshalb war ‚Keep The Faith* ein wichtiges Album für uns. Viele Leute dachten damals schon, die Band existiere nicht mehr. In dieser Situation haben wir unsere Kritiker vorgeführt und fast zehn Millionen Platten verkauft. Aber auch hier ist es wie bei allen Dingen im Leben — wenn du gut bist, schaffst du es, eine ganze Weile oben zu bleiben.
ME/SOUNDS: Wohl wahr. Wie aber würdest du in diesem Zusammenhang das musikalische Selbstverständnis deiner schon lange erfolgreichen Band definieren?
JOHN BONGIOVI: Keine Ahnung. Es ist schwer für mich zu beurteilen, was wir in der Vergangenheit gemacht haben, was wir heute tun und was wir als nächstes machen werden. Ich weiß nur, daß wir über die Jahre immer das getan haben, was Songwriter nun mal machen — wir haben Lieder geschrieben. Aber um ehrlich zu sein: Einen Song wie ‚You Give Love A Bad Name‘ würde und könnte ich heute nicht noch mal schreiben.
ME/SOUNDS: Sicher mögen viele Fans selbst dieses Lied.
JOHN BONGIOVI: Glücklicherweise mögen viele Leute unsere Musik ganz generell. Deswegen spielen wir ja auch bei Open-Air-Konzerten. Nach solchen Auftritten interessiert mich nur, ob ich glücklich bin. Grübeleien über Image, Marketing und kommerzielle Zwänge gibt es bei solchen Gelegenheiten ganz sicher nicht. ME/SOUNDS: Wenn Beavis & Butthead über Bon lovi reden, stellt der eine dem anderen die Frage ‚Erinnerst du dich noch an die Zeit, als diese Typen cool waren?‘ Aus dieser Äußerung darf man doch sicher schließen, daß sich euer Publikum verändert hat.
JOHN BONGIOVI: Ganz sicher sogar. Einige unserer alten Fans sind mit uns erwachsen geworden, haben den ganzen langen Weg quasi mit uns zurückgelegt. Andere sind erst seit der letzten Platte dabei. Auf diese Weise verändert sich das Publikum ständig. ME/SOUNDS: Wer viele Platten verkauft, muß beides sein, Musiker und Geschäftsmann. Bringen diese beiden sehr unterschiedlichen Rollen nicht doch größere Probleme mit sich?
JOHN BONGIOVI: Die geschäftliche Seite hasse ich wie die Pest. Sie nimmt dir den Spaß an der Musik. Deshalb versuche ich, Businessfragen so weit wie möglich außen vor zu lassen. Klar, es gibt bestimmte Entscheidungen, die ganz einfach getroffen werden müssen. Vieles aber lasse ich Leute erledigen, denen ich vertraue und die genügend Energie besitzen, geschäftliche Dinge durchzuziehen.
ME/SOUNDS: Zu Beginn deiner Karriere hast du bei AI Parinello Gitarrenunterricht genommen. Weißt du heute noch, was er dir damals geraten hat?
JOHN BONGIOVI: Lerne ‚House Of The Rising Sun‘ zu spielen, oder ich verpasse dir einen Tritt in den Hintern. ME/SOUNDS: Inzwischen bist du nicht nur ein Star, sondern zudem auch noch Familienvater…
JOHN BONGIOVI: Stimmt. Aber mitunter muß ich heute noch meinen Ausweis vorzeigen, um in eine Bar reinzukommen.
ME/SOUNDS: Fürs Kino gilt das doch sicher nicht. Immerhin spielst du doch manchmal mit. Wie zum Beispiel in ‚Moonlight and Valentino‘, einem Film, der im Spätsommer ins Kino kommen soll. Welchen Part hast du in diesem Streifen übernommen?
JOHN BONGIOVI:
In aller Kürze könnte man sagen, daß ich eine männliche Rolle in einem Frauenfilm spiele. Die Frauen sind die Stars in diesem Film. Kathleen Turner zum Beispiel und Whoopie Goldberg. Ich bin nur das männliche Gegengewicht und erwarte für mich persönlich keinen großen Erfolg. Aber dieser Film war ein tolles Projekt, und ich bin sehr stolz, daß ich Teil des Ganzen war. Dennoch: Die Schauspielerei ist nur ein nettes Hobby. Mein Leben ist die Musik. ME/SOUNDS: Hat jemand, der auf den Bühnen der Welt steht und Millionen von Platten verkauft, noch Ziele vor Augen? JOHN BONGIOVI: Aber ja doch. Mein nächstes Ziel ist, endlich diesen blöden Heuschnupfen loszuwerden.